Sexuell übertragbare Krankheiten in Schaffhausen auf dem Vormarsch

Ralph Denzel | 
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Sex nur mit Kondom? Leider ist dies auch in der Region nicht immer gegeben. Bild: Pixabay

STIs, oder sexuell übertragene Infektionen, sind in der Schweiz immer mehr auf dem Vormarsch. Auch Schaffhausen bietet davon keine Ausnahme.

Es kann harmlos beginnen.

Ein Szenario, wie man es an Wochenenden hundertfach erlebt. Zwei Menschen begegnen sich mit ihren Blicken, irgendwo in Schaffhausen im Ausgang. Sie fühlen sich angezogen, kommen ins Gespräch, merken, dass sie auf einer Wellenlänge sind. Irgendwann wird die Sache intimer. Es kommt zu Küssen, etwas fummeln - und zum Geschlechtsverkehr. Ein Kondom hat keiner der beiden dabei – warum denn auch? Die Stimmung ist auf dem Siedepunkt, da sind Dinge wie Verhütung und «Safer Sex» uninteressant.

Es ist eine harmlose Geschichte für die Beiden - nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.

Die Sorgen kommen dann aber ein paar Wochen späte. Denn dann bemerkt einer der beiden, dass irgendwas im Intimbereich nicht mehr stimmt. Ein Jucken, ein Brennen, ein Ausschlag, den man nicht zuordnen kann.

Beim Arzt dann die Diagnose: Die Person hat sich eine sexuell übertragbare Infektion, kurz STI, eingefangen.

Gonorrhoe, Syphillis, Chlamydien – sie sind wieder auf dem Vormarsch – auch in der Region.

Manchmal unbedarft, manchmal unwissend

Laut der Kampagne «Love-Life» des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) haben in der Stadt Schaffhausen Menschen im Schnitt sechs Sexualpartner in ihrem Leben. Das ist ziemlich genau der Durchschnitt, welcher laut der Studie bei 6,4 Partnern liegt. Erschreckender ist dabei jedoch: knapp 50% der Befragten gab laut der Studie ebenfalls an, dass sie bei Gelegenheitssex auf ein Kondom verzichteten.

Woher kommt dieser fast schon naive Umgang mit dem Thema?

Laut Iren Eichenberger von der Fachstelle des Vereins AIDS-Hilfe SH kann das daran liegen, dass das Wissen über SITs immer mehr aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwand. Die Sozialarbeiterin ist seit 27 Jahren in der Aidshilfe tätig und erinnert sich: «Früher gab es ein höheres Bewusstsein, bei vielen Menschen auch Angst vor der tödlichen Krankheit.»

In den 90er Jahren war die Angst vor Krankheiten, vor allem vor HIV und Aids, allgegenwärtig und auch verbreitet. Die HIV-Statistik kennt mittlerweile zum Glück nur noch eine Richtung: Nach unten. In den letzten Jahren kam es zu immer weniger Ansteckungen. So berichtet der Sprecher des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) Adrien Key gegenüber der sda, dass es 2016 «nur» 556 Neuerkrankungen mit dem HI-Virus gab. Ein massiver Rückgang, bedenkt man, dass es Anfang der 90er Jahre noch knapp 2000 waren.

Das merkt man auch in der Arbeit der Aids-Hilfe. «Beim Thema HIV arbeiten arbeitet man heute stärker auf Zielgruppen ausgerichtet», erklärt Eichenberger. So liege der Fokus hauptsächlich auf Menschen, die zu Risikogruppen gehören – oder eben auf der Aufklärungsarbeit zum Thema anderer STI.

So wünschenswert Erfolge gegen die heimtückische Krankheit HIV ist: Haben durch diese andere Krankheiten, die beim Sex übertragen werden können, ihren Schrecken verloren? Für Eichenberger ist das ein trügerischer Irrtum. «Geschlechtskrankheiten, vor allem HIV, sind heute teilweise gut behandelbar.» Auch HIV ist kein Todesurteil mehr, erklärt sie, aber «immer noch sehr gefährlich, weil man die Krankheit nur behandeln, nicht heilen kann.» Irgendwie scheint es aber, als wären die Gefahren beim Sex verschwunden, seit HIV nicht mehr die vorherrschende Gefahr bei den STIs ist.

Andere Krankheiten immer mehr auf dem Vormarsch – auch bei uns

Wenn HIV mittlerweile nicht mehr die vorherrschende Krankheit ist, welche ist es dann? Es sind Krankheiten wie Gonorrhoe, auch bekannt als «Tripper». In der Schweiz gab es im Jahr 2016 laut BAG 2270 bestätigte Fälle. Dabei waren 80% der Infizierten Männer. Auch Dr. Tanja Litzenburger kennt dieses Problem. Sie ist Gynäkologin in Schaffhausen. So sehe sie in ihrer Praxis, dass «Infektionen mit Chlamydien und die Gonorrhoe zunehmen.» Vor allem junge Frauen mit Anfang und Mitte Zwanzig seien davon betroffen.

«Viele junge Menschen fühlen sich unverwundbar», erklärt Eichenberger dieses Problem. Sie berät bei der Aids-Hilfe mittlerweile zunehmend Menschen zu sexuell übertragbaren Krankheiten allgemein, als zu HIV direkt. «Da ist ein eindeutiger Trend zu erkennen.»

Auch der Dermatologe Dr. Theodor Karamfilov vom Kantonsspital kann dies bestätigen. «In unseren Sprechstunden erleben wir einen Anstieg von Lues und der Gonorrhoe», erzählt er. «Lues» ist dabei besser bekannt als »Syphillis». Davon hauptsächlich betroffen sind laut dem Arzt «junge, homosexuelle Männer.»

Sind diese eine besondere Risikogruppe? «Grundsätzlich nicht mehr, als andere sexuell aktive Menschen», sagt sie. «Es gibt nicht ausschliesslich Gonorrhoe bei dieser Gruppe und Syphillis bei dieser», erklärt sie. Allerdings: Eine STI kann sich in Kreisen, in denen sie häufiger verbreitet ist, natürlich auch schneller verbreiten.»

Früher war HIV ein grosses Problem in der Drogenszene. Bild: Pixabay

Als Beispiel nennt sie HIV-Infektionen unter Drogensüchtigen Anfang der 90er Jahre. «Damals wurden oft Spritzen getauscht – und mit ihnen auch die Keime und die Viren.» Daher sei HIV auch ein Problem gewesen, welches in diesem Milieu sehr verbreitet war. Ebenfalls durch Prävention und die Möglichkeit sterile Nadeln zu besorgen, sei dieses Problem aber sehr rückläufig.

Resistenzen stellen Mediziner vor Probleme

Behandelbar sind die Krankheiten, aber es wird immer schwieriger, weil sich zunehmend «Resistenzen gegen die Medikamente entwickeln», weiss Eichenberger von der Aids-Hilfe. Auch Dr. Litzenburger kennt dieses Problem. «Problematisch ist aufgrund zunehmender Antibiotikaresistenzen mittlerweile die Therapie der Gonorrhoe.» Bei dieser müssen heute erst die Keime «ausgetestet» werden. Erst dann könne man entscheiden mit welchen «in Frage kommenden Antibiotika behandelt werden sollte.»

Um eine Antibiotika-Therapie kommt man bei einer solchen Infektion nämlich auf keinen Fall herum, das bestätigt auch Dr. Karamfilov: «In der Literatur sind antibiotikaresistente Gonokokken-Stämme (welche die Gonorrhoe auslösen – Anm. d. Red.) beschrieben worden.»

Auch wenn diese Krankheiten, anders als HIV, welches zu Aids führen kann, nicht unbedingt tödlich sind, sollte man sie doch nicht auf die leichte Schulter nehmen: So führt zum Beispiel die Gonorrhoe unbehandelt «aufgrund des Befalls von Nachbarorganen unter anderem zur Verklebung der Eileiter und somit zur Unfruchtbarkeit», wie die Gynäkologin Dr. Litzenburger weiss. Auch die Syphillis kann schwerwiegende Folgen haben und in manchen Fällen sogar tödlich verlaufen. Daher, so raten Mediziner wie auch die Aids-Hilfe, ist Schutz das oberste Gebot der Stunde. Auch von Ausreden wie einer «Latexallergie» will Iren Eichenberger nichts hören: «Auf dem Markt sind auch latexfreie Kondome erhältlich.»

Denn auch wenn HIV mittlerweile auf dem Rückzug scheint: Völlig schutzlos sollte man trotzdem keinen Verkehr haben – die steigenden Fallzahlen bei den anderen STIs zeigen es.

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