Immer mehr Schaffhauser leiden an Geschlechtskrankheiten: Jetzt will der Kanton handeln

Ralph Denzel | 
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Schützen auch vor Geschlechtskrankheiten: Kondome. Trotzdem werden diese offenbar weniger benutzt. Bild: Keystone

Nachdem während der Covid-Zeit die Zahl der Geschlechtskranken immer weiter zurückgegangen waren, steigen diese jetzt wieder stark an. Jetzt will der Kanton reagieren.

Sex: die schönste Nebensache der Welt. Eigentlich etwas, was in unserer modernen Welt keine Köpfe mehr rot werden lassen sollte. Aber wenn man darüber spricht, muss man zwangsläufig auch über sexuell übertragbare Infektionen (STI) sprechen. Da sieht die Sache schon anders aus. Niemand geht wohl gerne zum Arzt, weil man in seinem Intimbereich einen Ausschlag hat, oder nach einer wilden Nacht Probleme beim Wasserlassen feststellen muss. STIs sind klar auf dem Vormarsch und auch im Kanton Schaffhausen zeigen die Infektionskurven klar nach oben.

Mehr Geschlechtskranke in Schaffhausen

Blickt man auf die nackten Zahlen, sind diese besorgniserregend. «Der sich über die letzten Jahre schweizweit abzeichnende Trend ansteigender Zahlen aus dem Bereich STIs lässt sich auch für den Kanton Schaffhausen belegen», sagt Kantonsarzt Christoph Anders. So verzeichnete das Gesundheitsamt für die Infektionskrankheiten Gonorrhö, Syphilis, Chlamydiose und HIV/AIDS für das Kalenderjahr 2023 insgesamt 181 Fälle und für 2024 insgesamt 213 Fälle. «Für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 14. April wurden bisher 89 Fälle gemeldet», so der Mediziner. Eine Aufschlüsselung der Infektionszahlen auf verschiedene Altersgruppen liegt dem Gesundheitsamt nicht vor, jedoch «bewegt sich der Hauptanteil der gemeldeten Infektionsfälle in der Personengruppe zwischen den Jahrgängen 1995 und 2005.»

Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sieht bei Infektionen mit HIV, Chlamydien, Gonorrhö und Syphilis einen deutlichen Anstieg.

Die Zahlen können auch Fachärzte bestätigten: «In der Altersgruppe der 20- bis 35-jährigen Patientinnen nehmen die Fälle mit etwa Chlamydien ganz klar zu», sagt etwa der Gynäkologe Claus Platten. Je nach Risikogruppe sind auch weitere Geschlechtskrankheiten zu finden: «Syphilis, Hepatitis, HIV. Diese sind jedoch seltener – jedenfalls in meiner Praxis», so der Facharzt.  

Kommt dieser Anstieg, weil Schaffhauserinnen und Schaffhauser unvorsichtiger geworden sind, wenn es um Sex geht? Laut dem Urologen Markus Schönberger könnte es auch an den vermehrten Testungen liegen: «Laut offizieller Interpretation liegt das am ehesten an der häufigeren Testung, und nicht einer tatsächlich steigenden Häufigkeit der Erkrankungen.» Er habe ungefähr nur zwei bis drei Patienten pro Monat, die seine Praxis wegen STIs aufsuchten.

Gynäkologe Platten sieht das Problem jedoch woanders: «Man ist unbeschwerter, aber erstaunlich oft auch unbekümmerter, und dies ist das Problem.»

Folgeschäden können gravierend sein

So der so: Geschlechtskrankheiten sind nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte, darin sind sich alle Experten einig. «Die klassischen Geschlechtskrankheiten können – zu spät erkannt – bei beiden Geschlechtern zu Unfruchtbarkeit führen und bei etwa Männern durch Entzündung der Harnröhre zu narbigen Verengungen derselben führen, was lebenslange Probleme bei der Blasenentleerung bzw. Operationen nach sich führen kann», warnt der Urologe Schönberger.

Eine gefährliche Annahme sei oft auch, dass STIs hauptsächlich lästig, aber nicht weiter schwerwiegend seien. «Leider ist ein solcher Irrglaube in Teilen der Bevölkerung immer noch weit verbreitet, was sicherlich ein Mitgrund für die steigenden Infektionszahlen ist», sagt Kantonsarzt Anders. «Eine nicht behandelte Syphilis-Infektion führt im Spätstadium zu einer Schädigung von Herz, Gehirn oder anderen Organen.» Ein hieraus resultierender tödlicher Verlauf sei in der modernen Medizin zwar mittlerweile sehr selten, jedoch «zeigen sich mit steigenden Infektionszahlen auch wieder mehr Fälle mit bleibenden, teils gravierenden, neurologischen Beeinträchtigungen, wie einer Demenz oder Sprach- und Bewegungsstörungen.»

Die Angst vor der Stigmatisierung

Wenn dann aber der Verdacht einer Geschlechtskrankheit im Raum steht, kommt oft die Angst vor Stigmatisierung dazu. «Die Angst davor ist ein grosses Hindernis, wenn es um den offenen Umgang mit Geschlechtskrankheiten geht», meint Christoph Anders. Viele Menschen würden sich «schmutzig» fühlen, was «dazu führt, dass sie schweigen, sich nicht testen lassen».

Für Claus Platten ist es daher «wichtig, dass man einen Zugang zu einer Praxis hat, wenn man sich unsicher ist oder Rat braucht». Ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen sei oft immer noch hilfreicher als umfassende Eigenrecherchen im Internet.

Markus Schönberger rät zu einer speziellen Sensibilisierung von Risikogruppen, also «Personengruppen mit erhöhtem sexuellen Risikoverhalten». Diese sollten sich regelmässig testen lassen und somit Infektionen entdecken, solange sie noch keine Beschwerden verursachen. «Somit kann auch die Übertragungswahrscheinlichkeit verringert werden.»

Eine weitere Möglichkeit wären für Schönberger «Walk-in»-Teststellen, also Orte, an denen man sich ohne Termin und anonym testen lassen könne. Ähnlich sieht es auch Kantonsarzt Anders: «Ein Ausweg hierfür kann die Bereitstellung von anonymen Testangeboten darstellen.»

Kanton will gegen STIs vorgehen

Speziell im Kanton wolle man dieses Angebot bald umsetzen: So hat der Regierungsrat Anfang April mit dem Verein «Sexuelle Gesundheit Zürich» eine Leistungsvereinbarung getroffen. «Diese ermöglicht, dass ab Mai 2025 regelmässige anonyme Beratungen und Testungen in Schaffhausen, im Rahmen eines mobilen VCT (volunteer counseling test), durchgeführt werden», sagt Anders.

Im Kampf gegen STIs würde man aber auch andere Bereiche einspannen: Der Verein für Jugendfragen, Prävention und Suchthilfe (VJPS) und das Erziehungsdepartement arbeiteten demnach aktuell mit dem Kantonsärztlichen Dienst an der Umsetzung für ein Angebot eines «qualitativ hochstehenden Sexualkundeunterrichts, welches dann sämtlichen Primar- und Sekundarschulen im Kanton zur Verfügung stehen würde.»

Bis dahin hilft vor allem Eigenschutz: «Wenngleich man eine ungewollte Schwangerschaft gut mit Verhütungsmitteln verhindern kann, heisst dies ja nicht unbedingt, dass das Kondom automatisch weggelassen werden kann», sagt der Gynäkologe Claus Platten. «Dies ist aber bei genauerem Nachfragen in der Praxis einfach oft die Realität.» Es sollte für ihn «selbstverständlich sein, dass die (jungen) Männer ein Kondom dabei haben – schon aus Respekt vor dem Geschlechtspartner. Ich empfehle aber auch den Patientinnen, sich entsprechend auszurüsten.»

Die häufigsten Geschlechtskrankheiten und ihre Symptome

Gonorröh

Die Geschlechtskrankheit ist zunächst harmlos, kann aber weitreichende Konsequenzen haben, wenn sie unbehandelt bleibt. Im schlimmsten Fall führt sie zu Unfruchtbarkeit.

Symptome

Bei Frauen

Bei Männern

Wenn der Tripper sich ausgebreitet hat, können folgende Symptome auftreten:

Chlamydien

Heimtückisch bei dieser Krankheit ist, dass es eine ganze Weile dauert, ehe man überhaupt Symptome spürt, etwa durchschnittlich zwei bis sechs Wochen. Vor allem Frauen haben aber oft gar keine oder nur sehr schwache Beschwerden. Daher bleibt eine Chlamydien-Infektion häufig unbemerkt.

Symptome

Generell ist aber eine eitrige Harnröhrenentzündung ein typisches, erstes Anzeichen. Eine Infektion äussert sich zum Beispiel durch starken, manchmal übelriechenden Ausfluss und Probleme beim Wasserlassen (Brennen, Jucken, Schmerzen). Häufig können sie auch Ursache sein für Zwischenblutungen bei der Frau.

Bei Neugeborenen, die durch die Geburt mit Chlamydien infiziert wurden, kommt es dagegen zu einer Entzündung der Lunge oder der Bindehaut.

Syphilis

Der Erreger wird hauptsächlich durch ungeschützte Sexualkontakte (Oral-, Anal-, Vaginalsex) über kleinste Verletzungen der Schleimhaut oder der Haut übertragen. 

Symptome

Eine Syphilis-Infektion kann verschiedene Symptome hervorrufen. Wie sich diese äussern, hängt auch von der Form der Erkrankung und dem jeweiligen Stadium ab.

Wichtig zu wissen ist, dass die Syphilis in über der Hälfte der Fälle symptomlos oder symptomarm verläuft. Eine Testung ist deshalb auch bei Personen ohne Symptome zu empfehlen, wenn die Person ein Risiko für eine Ansteckung hatte.

Primärstadium:

 Da der Keim hauptsächlich durch Sexualkontakte übertragen wird, kann es am Penis, an den Schamlippen, an der Vagina, im Anus oder im Mund auftreten. Im weiteren Verlauf verhärtet sich das Knötchen und entwickelt sich zu einem Geschwür mit geschwollenem, eingerolltem Rand und eingesunkener Mitte. Innerhalb einer Woche schwellen oft auch die benachbarten Lymphknoten an. Das Geschwür bereitet meistens keine Schmerzen und heilt nach vier bis sechs Wochen in der Regel von allein ab. Dadurch bleibt die Syphilis in diesem Stadium oft unbemerkt und unbehandelt.

Sekundärstadium:

Zwei bis drei Monate nach der Infektion geht die Syphilis in das Sekundärstadium über. Hierbei gelangen die Erreger über die Lymphbahnen und das Blut in den gesamten Körper. Neben einer Schwellung der Lymphknoten können in diesem Stadium grippeähnliche Symptome auftreten wie Fieber, Appetitlosigkeit, Rachenentzündung, Gewichtsverlust oder Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen. Typisch sind auch Haut- und Schleimhautveränderungen inklusive schuppige, eitrige Bläschen oder nässende Pusteln. Mitunter kommt es zu Haarausfall. Zudem kann die Syphilis Organe befallen und Entzündungen der Leber, Augen oder Nieren auslösen. Die Symptome in diesem Stadium können jahrelang bestehen bleiben oder immer wieder aufflammen. Bei jeder dritten betroffenen Person heilt die Syphilis im Sekundärstadium spontan aus.

Spätsyphilis:

Etwa jede vierte Patientin oder Patient mit einer unbehandelten Syphilis im Frühstadium entwickelt ein bis zehn Jahre nach der Ansteckung eine Spätsyphilis. In diesem Tertiärstadium können verschiedene Symptome auftreten, die die Organe, die Blutgefässe, das Herz-Kreislauf-System, Knochen, Muskeln und die Haut befallen. Auch das Nervensystem kann betroffen sein, was sich möglicherweise durch Gefühlsstörungen oder Demenz merkbar macht. Zusätzlich können im Tertiärstadium Geschwulste an Haut und Organen mit einer gummiartigen Konsistenz (Gummen) auftreten.

Hepatitis B

Die Hepatitis B ist eine Entzündung der Leber. Die Inkubationszeit, also die Zeit zwischen Ansteckung mit dem Hepatitis-B-Virus und dem Ausbruch der Leberentzündung, beträgt zwischen einem und sechs Monaten

Die deutlicheren Anzeichen für eine Entzündung der Leber sind:

Genitalherpes

Genitalherpes verursacht unangenehme Bläschen an Penis, in der Scheide oder am After. Auslöser dafür ist das Virus Herpes simplex. Die Gefahr einer Übertragung von Mann zu Frau ist fünfmal so hoch wie umgekehrt.

Symptome

Feigwarzen

Bei Feigwarzen (Genitalwarzen) handelt es sich um eine Viruserkrankung, welche bestimmte Körperregionen wie die Scheide, den Gebärmutterhals, die äusseren Geschlechtsteile, den Penis und den After mit dem Analkanal befallen kann. Sie sind spezielle Typen von humanen Papillomviren (HPV). Sie gelten als besonders ansteckend und werden vor allem beim Sex übertragen. 

Symptome

HIV

Die meisten HIV-Infizierten stecken sich in der Schweiz beim ungeschützten Sex mit dem Virus an. Aber auch über gemeinsam benutzte Drogenutensilien und andere Wege ist das Virus übertragbar. Die HIV-Infektion verläuft meist in mehreren Phasen.

Phase 1: Akute HIV-Infektion mit Symptomen

Diese Symptome können jedoch gänzlich fehlen, sodass auch unabhängig vom Auftreten der Symptome nach einer Risikosituation ein HIV-Test durchgeführt werden sollte. Ein bis zwei Wochen später klingen die Symptome meistens wieder von selbst ab. In dieser Phase ist die Infektionsgefahr besonders hoch, weil sich in Körperflüssigkeiten wie dem Blut und Sperma sowie auf den Schleimhäuten in der Scheide, dem Penis und Enddarm sehr viele HI-Viren befinden.

Phase 2: Latenzphase ohne Symptome

An die akute Phase schliesst sich eine Zeit ohne oder mit gering ausgeprägten Beschwerden an. Die HI-Viren können sich nur wenig vermehren, weil das Immunsystem die Erreger abwehrt und bis zu einem gewissen Mass in Schach halten kann. 

Phase 3: Chronisches HIV-Stadium mit Symptomen

Ohne Behandlung wird das Immunsystem immer weiter geschwächt.

Phase 4: Aids

In diesem Stadium ist das HI-Virus nicht mehr unter Kontrolle, und die Immunschwäche Aids bricht aus. Aids ist mit schwerwiegenden Erkrankungen verbunden, die zum Tod führen können.

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