«Wir müssen aufhören, die Technologie von Blockchain verstehen zu wollen»

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Der CEO von Procivis Daniel Gasteiger referierte am 59. ITS-Techno-Apéro in Neuhausen. Bild: Luca Miozzari

«Digitale Transformation» war das Zauberwort am 59. ITS-Techno-Apéro in Neuhausen. Unternehmer und ­Interessierte aus verschiedenen ­Branchen haben sich dazu getroffen.

von Luca Miozzari

Das Thema ist in aller Munde und doch – so wirklich verstanden hat es wohl kaum jemand, den Verfasser dieser Zeilen eingeschlossen. Die Rede ist von der Blockchain. Sie bildet die Grundlage für Kryptowährungen wie etwa Bitcoin, Ethereum oder Ripple. Was die Blockchain abseits des Finanzsektors noch alles zu leisten imstande wäre, und in Zukunft mit grosser Wahrscheinlichkeit auch leisten wird, war das Thema des 59. ITS-Techno-Apéros am Montagabend. Das Industrie- und Technozentrum Schaffhausen (ITS) hatte zu einem Informationsanlass über die Bedeutung der Blockchain für die Industrie eingeladen. Referenten waren zwei Vertreter aus der Informatikbranche: Daniel Gasteiger, Gründer und CEO der Procivis AG, und Marc Degen, Gründer und Verwaltungsrat der Modum.io AG, beide aus Zürich. ITS-Geschäftsführer Roger Roth moderierte den Abend und leitete die anschliessende Diskussion. Anwesend waren neben diversen Unternehmern auch Start-ups aus der Region, die sich am späteren Apéro den Besuchern präsentierten.

Blockchain gilt als fälschungssicher

Die erste real existierende Blockchain erschien im Jahr 2009 im Zusammenhang mit der Kryptowährung Bitcoin. Wer der oder die Erfinder sind, ist bis heute unbekannt. Mittlerweile gibt es weltweit über 7600 Kryptowährungen, und fast täglich kommen neue hinzu. Sie basieren alle auf dem Prinzip der dezentralen Buchführung. Das heisst: Transaktionen werden nicht über eine zentrale Stelle, wie zum Beispiel eine Bank, abgewickelt, sondern laufen über Hunderte von Rechnern gleichzeitig. Jede Bewegung von Vermögenswerten wird mit einem spezifischen Code versehen und in einer unendlich erweiterbaren Kette von Datensätzen, der sogenannten Blockchain, gespeichert. Jede spätere Transaktion enthält dadurch bereits sämtliche vorangegangenen Transaktionen. Das Fälschen oder das nachträgliche Verändern von Informationen wird verunmöglicht, da sonst eine Unregelmässigkeit in der Kette entsteht. Aus diesem Grund gilt dieses System als das sicherste überhaupt.

Mit der Möglichkeit des sicheren Teilens von Werten sieht Daniel Gasteiger, nach dem klassischen informationsbasierten Web und den meinungsorientierten sozialen Medien, die «dritte Phase des Internets» eingeläutet. Mithilfe sogenannter selbst hoheitlicher Systeme lassen sich unnötige Kontrollinstanzen vermeiden, die Effizienz steigern und Vertrauen zwischen Akteuren schaffen, die sich überhaupt nicht kennen. Ein Anwendungsbereich der Blockchain ausserhalb der Finanzbranche sind sogenannte E-ID – digitale Identitäten. In Zusammenarbeit mit der KSD, dem Informatikunternehmen des Kantons Schaffhausen, haben Gasteiger und seine Firma die erste kantonal attestierte E-ID der Schweiz entwickelt. Seit Anfang Juni können sich Einwohner registrieren und mittels digitaler Verifizierung online beispielsweise Adressänderungen vornehmen. Weitere Services seien in Planung, sagt Titus Fleck vom KSD.

Smarte Möbel aus Neuhausen

«Wir müssen aufhören, die Blockchain-Technologie verstehen zu wollen», sagt Marc Degen, der mit seinem Unternehmen Blockchain-basierte Transportüberwachungssysteme für die Pharmaindustrie entwickelt. Viel wichtiger sei es, sich auf den Nutzen derselben zu konzentrieren. Einer, der dieses Potenzial erkannt hat, ist der Schaffhauser Start-up-Gründer Michael Welti. Zusammen mit vier Mitarbeitern wird er im September auf dem umgebauten Neuhauser SIG-Areal eine Mischung aus Möbelgeschäft und ­Brocki eröffnen. «Blockchain-Systeme würden zum Beispiel den Einkauf ausländischer Möbel sehr vereinfachen, da sie Vertrauen schaffen und bürokratische Hürden abbauen», so der Jungunternehmer. Neben einem Laden und einem Onlineshop plant er, seine Firma namens Alionda längerfristig in die Richtung der noch jungen Smart-Home-Branche zu lenken. Dabei geht es weniger um Blockchain, sondern eher um Produkte wie kabellos gesteuerte Beleuchtung oder Möbel, die über Induktion Handys aufladen können.

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