Requiem auf den letzten Rheinfalllachs

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Heiner Matzinger hat den Prozess des Verschwindens des Lachses im Rhein detailliert nachgezeichnet in seinem kulturgeschichtlichen Buch «Der letzte Lachs am Rheinfall», das soeben im Meier Buchverlag Schaffhausen erschienen ist.

Von Wolfgang Schreiber

Heute wissen wir kaum noch etwas anderes, als dass der Lachs sein Leben als Fischlaich in Norwegen beginnt, dann unter Umständen in Schottland aufwächst, später von einer Fischfarm an der Küste nach Polen zum Räuchern geht, anschliessend weiter um die halbe Welt nach China gelangt, um dort in dünne Scheiben geschnitten zu werden. Verpackt kommt er dann zu uns in den Laden, wo wir ihn kaufen und mit einigen Schlucken Schaumwein verspeisen.

Daniel Haberthür vom Meier Buchverlag Schaffhausen hat dies am Sonntagvormittag im Saal des Restaurants Volkshaus in Neuhausen am Rheinfall so dargestellt. Doch das mit dem Lachs war nicht schon immer so. Einst wurde der Lachs oder Salm im Rheinfallbecken gefangen und kam von dort frisch auf den Schaffhauser Tisch.

Von Lachsen oder Salmen, die im Rheinfallbecken gefangen wurden, handelt das Buch, das Daniel Haberthür am Sonntagvormittag aus der Taufe hob. Geschrieben hat es Heiner Matzinger, Jahrgang 1955, der nach einer technischen Lehre die Matura machte, das Zeichenlehrerdiplom erwarb und danach unterschiedlichste Tätigkeiten ausübte. In den Sechzigerjahren erlernte er von seinem Vater das Fischereihandwerk. Lachse konnte Heiner Matzinger damals im Rheinfallbecken allerdings keine fangen, denn der allerletzte Lachs, der den weiten Weg von der Nordsee den Rhein hinauf bis zum unüberwindbaren Rheinfall geschafft hatte, war vermutlich 1919 angekommen. Aber dieser Nachzügler war fast schon eine sensationelle Rarität. Denn, so ist in Matzingers Buch nachzulesen: Mit dem Bau des Kraftwerks in Laufenburg 1914/15 und der damit verbundenen Unterbrechung des Rheinlaufs kam das Ende der Lachswanderungen rheinaufwärts.

Der Saal des «Volkshauses» war zur Buchpräsentation berstend voll. Es mögen über hundert Interessierte gekommen sein: Angler, Fischer, Künstler, Naturfreunde, Freunde und Bekannte des Autors, alle waren sie da, um bei der Vorstellung des Buches dabei zu sein. Den weitesten Weg hat wohl eine Dame aus Grossbritannien zurückgelegt. Heiner Matzinger hat sie besonders begrüsst. Ihr verdankt er die Abbildung eines Gemäldes des berühmten Malers J. Singer Sargent, das einen jungen Lachsfischer zeigt und das in der Lady ­Lever Art Gallery in Port Sunlight in Grossbritannien hängt. Das Bild aus dem Vereinigten Königreich verdeutlicht die ausgedehnten Recherchen, die Heiner Matzinger seinem Werk hat angedeihen lassen: Zehn Jahre hat der Autor in Bibliotheken gestöbert, wo er Texte und Bilder sammelte. Ausserdem hat Mat- zinger Wissenschaftler interviewt und dann das Gesammelte schreibend in die Form gebracht, in der es jetzt vorliegt. Seine Arbeit bezeichnet der Autor als «strapaziöse Reise in ein unbekanntes Land». Das Buch jedenfalls bietet weitaus mehr als nur die Geschichte der Lachsfischerei im Rheinfallbecken: Es ist eine spezielle Kulturgeschichte des Rheins vom Rheinfall bis zur Nordsee.

Name als Gütesiegel: Warum viele Schweizer Beizen «Salmen» heissen und nicht «Lachs»

Heiner Matzingers Buch «Der letzte Lachs am Rheinfall» ist dem Lachs, genauer dem Rheinlachs, als Symbol für königlichen Genuss, für sauberes Wasser und urtümliche Natur gewidmet. Das Buch beschreibt genau die traditionellen und lokal sehr unterschiedlichen Methoden des Lachsfangs, die Verpachtung der ­Fischenzen sowie die Verteilung und Zubereitung des Fangs. Mit zunehmender Industrialisierung verschwanden der Lachs und die mit ihm verknüpften Traditionen in einem schleichenden Prozess aus dieser Region. Heiner Matzinger hat die Industrialisierung des Gebietes vom Hochrhein bis zu den Niederlanden gut dokumentiert und die Segnungen, aber auch die Zerstörungen des technischen Fortschritts dargestellt. Im Buch findet sich auch die Antwort auf die viel diskutierte Frage: «Wann ist der Fisch ein Lachs, und wann spricht man vom Salm?» Die Antwort: In den Monaten ohne R ist der Fisch Salm, in den Monaten mit R heisst er Lachs. Oder: Solange der Tag zunimmt, ist er Salm, wenn der Tag abnimmt, ist er Lachs. Als Salm hat der Fisch, der vom Meer kommt, das bessere Fleisch, den besseren Geschmack. Deshalb heisst es auf den Wirtshausschildern «Salmen» und nicht «Lachs».

Heiner Matzingers Buch ist dank der finanziellen Unterstützung vieler Sponsoren entstanden und dank vieler Mitarbeitenden im Hintergrund, die durch ihr Wissen und ihre Tipps den Autor bei seiner Arbeit unterstützten. Erwähnt werden darf auch die Arbeit von Franziska Rütschi, die das Buch mit seinen vielen Illustrationen ansprechend gestaltet hat.

Heiner Matzinger «Der letzte Lachs am Rheinfall». 192 Seiten, zahlreiche Abbildungen, farbig, Hardcover, Meier Buchverlag Schaffhausen, ISBN 978-3-85801-221-0, 49 Franken

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