Über dem Klettgau seine Kreise ziehen

Jean-Claude Goldschmid | 
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Für den Delta- und Gleitschirmclub Schaffhausen beginnt jetzt wieder die Hochsaison. Der Verein startet von Beggingen, Opfertshofen und Rudolfingen aus. Besonders die Abflugrampe in Beggingen hat es in sich.

Gleitschirmfliegen ist nicht ganz ungefährlich. Ende Februar hat sich in Beggingen ein Gleitschirmpilot in einem Baum verfangen. Den 39-Jährigen hatte beim Startplatz Ob Lucken eine Windböe erwischt, die ihn senkrecht in die Luft schleuderte. Er musste durch Bergrettungskräfte abgeseilt werden, blieb aber unverletzt (die SN berichteten). Dabei war der 39-Jährige doch relativ früh im Jahr unterwegs. Denn eigentlich fängt die Hochsaison für alle Freunde des Gleitschirm- und Deltafliegens erst Ende März wieder an – wenn der Frühling beginnt – und dauert bis zum September.

Der Delta- und Gleitschirmclub Schaffhausen (DGCSH) betreibt in der Region drei Startplätze. Neben demjenigen Ob Lucken oberhalb Beggingen handelt es sich um den Startplatz Stich in Opfertshofen und den Startplatz Hammenberg bei Rudolfingen im Zürcher Weinland. Der Begginger Startplatz ist allerdings der einzige, der seit den Anfangstagen des Vereins auch über eine ausgebaute Rampe zum Anlaufnehmen verfügt, die sich im Vereinsbesitz befindet und die vor drei Jahren neu gebaut wurde. In Opfertshofen geniesst man Gastrecht auf der Wiese eines Landwirts, in Rudolfingen auf einer ökologischen Aushilfsfläche.

Und von hier aus kann man wirklich seine Kreise ziehen. Den Flugrekord hält derzeit Beat Ritzmann aus Henggart. Am 30. Juli flog er von Beggingen aus in rund fünf Stunden fast 158 Kilometer weit und landete im schwäbischen Krumbach, das zwischen Ulm und München liegt.

Seit vier Jahrzehnten aktiv

Laut Vereinspräsident Urs Schaub aus Stein am Rhein verfügt der DGCSH derzeit über rund 80 Aktiv- und etwa 20 Passivmitglieder. «Knapp die Hälfte fliegt auch noch mehr oder weniger regelmässig in der Region», sagt er. Diesen Februar feierte der Verein sein 40-jähriges Bestehen. «Am Anfang waren wir nur Deltaflieger», blickt Schaub zurück. «Ende der 80er-Jahre kam dann das Gleitschirmfliegen auf, und mittlerweile bestehen wir fast ausschliesslich aus Gleitschirmseglern.»

Die Mitglieder absolvieren zwischen 5 und 100 Flüge pro Jahr und Person. Im Moment fliegen praktisch nur Männer beim Verein mit. «Alle paar Jahre haben wir auch einmal eine Frau», sagt Schaub. Altersmässig sei man derzeit – wie viele Vereine – leider fast etwas überaltert. Doch es würden gelegentlich durchaus auch junge Mitglieder dazustossen.

Motorradfahren ist gefährlicher

Eine eigentliche Gleitschirmausbildung bietet man allerdings nicht an. Dazu fehlt die Kapazität. Es wird im Prinzip erwartet, dass man schon fliegen kann, wenn man dem Verein beitritt – auch wenn man neuen Mitgliedern selbstverständlich sehr gerne mit Rat und Tat zur Seite steht. «Die Rampe in Beggingen ist auch landesweit einer der schwierigeren Startplätze», so der DGCSH-Präsident. Es blieben immer wieder mal Startende in Bäumen hängen – in der Regel ohne Verletzungsfolgen.

Dabei ist Gleitschirmfliegen laut Schaub eigentlich wesentlich ungefährlicher als etwa Motorradfahren – wenn man sich an die Regeln hält. Besondere körperliche Voraussetzungen brauche es nicht. «Man muss einige Schritte rennen können, das war’s», so der Steiner. Dazu komme einzig das Besteigen des Bergs oder Hügels, an dem sich der Startplatz befindet. Für die älteren Mitglieder würde man aber Fahrgemeinschaften organisieren – oder sie würden ohne Material zu Fuss hinaufgehen. Das einzig Schwierige an diesem Sport sei das Koordinative.

Letztlich ist es der bereits von den altgriechischen Sagenhelden Dädalus und Ikarus geträumte, «uralte menschliche Traum vom Fliegen wie ein Vogel», der für Schaub den Reiz dieses Sportes ausmacht. «Wenn man sich in die Lüfte hebt und den Boden unter sich lässt, lässt man in gewisser Weise tatsächlich auch sämtliche Alltagsprobleme hinter sich.» Daneben stehe selbstverständlich auch der Ehrgeiz, höher, länger und weiter als die Kameradinnen und Kameraden zu fliegen.

Der Föhn als natürlicher Feind

Neben dem rein freizeitmässigen Fliegen gibt es denn auch regelrechte Wettkämpfe. So hat auch der DGCSH jährlich eine Clubmeisterschaft in der Agenda. «Allerdings fällt die fast jedes zweite Mal dem Wetter zum Opfer», sagt Schaub und schmunzelt. «Der Föhnwind ist auch für uns einer der grössten natürlichen Feinde unseres Sports!» Ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit sei es einfach unmöglich zu fliegen – denn selbst beim Zielanflug in Bodennähe sei ein Gleitschirm immer noch mit einer Eigengeschwindigkeit von 35 bis 40 Kilometern pro Stunde unterwegs. Eine allgemeingültige Windgeschwindigkeitslimite könne man allerdings nicht definieren. Denn die Frage, ob man fliegen kann oder nicht, hängt auch von weiteren Faktoren wie der Thermik oder der Witterung ab. Und im Zweifelsfall verzichte man eben lieber einmal mehr auf einen Flug, statt ein Risiko einzugehen, sagt Schaub.

Gern gesehene Gäste im Randental

In Beggingen sind die Söhne des Ikarus jedenfalls gern gesehene Gäste. Gemeindepräsident Peter Wanner nennt die Gleitschirmflieger eine «Bereicherung für unser Dorf». Der Sport würde sicher Menschen nach Beggingen bringen, die sonst vielleicht nicht unbedingt den Weg in die Randentaler Gemeinde gefunden hätten. «Ich finde es jedes Mal schön, wenn sie am Himmel ihre Kreise ziehen», sagt er.

Seitens der Bevölkerung sei es noch nie zu Reklamationen wegen der Gleitschirmflieger gekommen, so Wanner weiter. Im Unterschied zu den Kleinflugzeugen, die vom Neunkircher Flugplatz Schmerlat aus starten, sei das Gleitschirmfliegen ja auch mit keinerlei Geräuschemissionen verbunden. Selbst die Bauern im Dorf hätten sich noch nie über Gleitschirmflieger beklagt, die in ihren Feldern landeten.

Ausbildung: 50 Höhenflüge in fünf Fluggebieten

Die Ausbildung zum Gleitschirmflieger besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Der Theorieteil setzt sich aus den fünf Fächern Flugpraxis, Materialkunde, Gesetzgebung, Wetterkunde und Fluglehre zusammen. Um sich für die praktische Prüfung anzumelden, bracht man mindestens 50 Höhenflüge in fünf verschiedenen Fluggebieten.

Mit der Praxisprüfung beim Schweizerischen Hängegleiter- Verband wird die Ausbildung abgeschlossen. Die Fluglizenz des Bundesamtes für Zivilluftfahrt ist anschliessend lebenslang gültig.

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