Experten sollen elektronische Assistenten bei der Fahrprüfung ausschalten können

Fahrschülerinnen und Fahrschüler dürfen während der Prüfungen auf elektronische Assistenzsysteme zählen. Eine neue Richtlinie der Vereinigung der Strassenverkehrsämter soll bei der Prüfung für mehr Flexibilität bei den Anforderungen sorgen. Zum Beispiel beim Parkieren ohne Kamera.
Es gibt Momente, an die man sich ein Leben lang erinnert: den ersten Kuss, die Diplomierung, die Geburt des eigenen Kindes. Die Fahrprüfung gehört auch dazu. Mein Freund hatte mir damals in seinem Golf GTI Fahrunterricht erteilt, weil ich nicht so viel Geld ausgeben wollte, das ist weit mehr als 20 Jahre her. Das Anfahren an einer steilen Kreuzung galt ihm dabei als Königsdisziplin, die ich zu meistern hatte, alles andere würde sich von selbst einspielen, meinte er. An der Prüfung dann aber versagten mir die Nerven, weil ich in einer relativ neuen Mercedes A-Klasse Platz nehmen musste, die leichtgängige Kupplung aber wie jene des rustikalen Newtimers traktierte. Und durchfiel.
Jede und jeder wird so eine Anekdote zu erzählen haben. Nun wird sie von der Realität eingeholt. Fahrstunden sind, überspitzt gesagt, seither immer einfacher geworden. Die Unterscheidung zwischen Handschaltung und Automatik wurde im Führerausweis bereits 2019 aufgehoben. Davor galten jene zehn Prozent, die eine Automatenprüfung absolvierten, als Sonntagsfahrer, heute sei es genau umgekehrt, sagt der Schaffhauser Fahrlehrer Andy Bächtold von Indriver: «Fast 90 Prozent aller Schülerinnen und Schüler legen die Prüfung in einem automatisch geschalteten Fahrzeug ab.» Und dürfen danach auch handgeschaltet fahren.
Verkehrssicherheit mangelhaft
Daran stört sich der Fahrlehrer nicht per se. «Es ist doch einfach so, dass die meisten neuen Fahrzeuge mittlerweile automatisch schalten und über zahlreiche weitere elektronische Assistenten verfügen.» Es ergebe durchaus Sinn, die Schüler so auszubilden, dass sie auf dem neuesten Stand der Technik sind. Problematisch findet er hingegen, dass die Strassenkompetenz trotz obligatorischer Weiterbildungen (WAB-Kurse) gelitten habe. Unaufmerksamkeit und Nichtbeherrschen des Fahrzeugs durch Junglenker sind die Unfallursachen Nummer eins. Die Mehrheit der Unfälle ist auf Verhaltensfehler zurückzuführen, schreibt die BFU.
Einerseits bestehe das Problem darin, sagt Andy Bächtold, dass das erste eigene Auto vermutlich eben nicht über jene elektronischen Hilfen verfüge, auf die man sich während der Fahrstunden verlassen habe. Andererseits verfügten private Lernbegleiter wie die eigenen Eltern selbst nicht mehr über den Wissenstand, der für die heutige Verkehrssicherheit massgebend ist.
Das soll sich nun ändern, zumindest geringfügig. Dani Graf, Fachleiter Führerprüfungen beim Kanton Schaffhausen, bestätigt, dass die Vereinigung der Strassenverkehrsämter eine erweiterte Richtlinie veröffentlichen wird, die Experten bei der Prüfung eine gewisse Flexibilität ermöglicht, sodass sie von den Prüflingen verlangen können, dass sie beim Rückwärtsfahren die Kamera oder den Parkassistenten ausschalten. «Diese Systeme grundsätzlich auszuklammern macht keinen Sinn», sagt Graf. «Aber manchmal ist es so, dass Schülerinnen oder Schüler bestimmte Manöver ohne diese nicht mehr ausführen wollen.»
Eltern sollen am Anfang mitfahren
Sehr angetan ist Graf von Bächtolds Idee, dass die privaten Lernbegleiter, seien dies Freunde, Eltern oder ältere Geschwister, bei den ersten Fahrstunden mit dem Fahrlehrer hinten sitzen sollten, um auch sich auf den neuesten Stand zu bringen. Der Fahrlehrer entdeckt vor allem bei der ökonomischen Fahrweise viele Defizite. «Dabei lässt sich mit einer angepassten, vorausschauenden Fahrweise sehr viel Treibstoff sparen – und damit Geld», sagt Andy Bächtold.
Eine Sache, die vielen Begleitpersonen nicht bewusst sei, möchte Dani Graf noch ergänzen: «Nicht alle Fahrzeuge mit einer elektronischen Feststellbremse statt einer manuellen Handbremse eignen sich für den begleiteten Fahrunterricht. Es ist wichtig, das zu überprüfen.»