Bürokratie für Schaffhauser Kindertagesstätten soll weniger werden

Dario Muffler | 
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Wer im Kanton Schaffhausen eine Tagesstätte für Kinder führt, soll in Zukunft weniger bürokratischen Aufwand haben, findet der Kantonsrat. Bild: Roberta Fele

Kindertagesstätten im Kanton Schaffhausen sollen von bürokratischem Aufwand befreit werden. Die Regierung überprüft nun die entsprechende Verordnung. Fraglich ist, ob diese wirklich das Problem ist.

Für einmal war die Zuschauertribüne des Kantonsratsaals gut besetzt. Am Montagmorgen hatten sich Vertreterinnen und Vertreter der Interessengemeinschaft der Schaffhauser Kindertagesstätten Zeit genommen, um dem Kantonsrat zuzuhören. Denn es ging um sie und ihre Arbeit. «Wir wollen zeigen, wie sehr uns das Thema beschäftigt», sagt Nicole Chiozza, welche die Kindertagesstätte Zipfelwitz in ­Beringen leitet. Das Geschäft, das sie interessierte, war ein Postulat von FDP-Kantonsrat ­Nihat Tektas. Darin fordert er die Regierung auf, dass der bürokra­tische Aufwand für familien- und schulergänzende Betreuungseinrichtungen «spürbar verringert wird und gleichzeitig die behördlichen Kontrollmechanismen auf das notwendige Mass minimiert werden». Denn aktuell werde die Belastung immer schlimmer, sagt Chiozza.

Im Zentrum des Postulats an die Regierung steht die kantonale Pflegekinderverordnung, die alle nur «Pavo» nennen. Diese Verordnung ­regelt die Bewilligung und Aufsicht für die Aufnahme von Minderjährigen ausserhalb des Elternhauses. Die Grundlage für diese kantonale Verordnung bildet das Bundesgesetz, die eidgenössische Pavo. Auf kantonaler Ebene gibt es aber zwei Anhänge zu dieser Verordnung. Tektas will, dass derjenige geändert wird, der präzisiert, welche Unterlagen für eine Bewilligung notwendig sind, welche An­forderungen an die Mitarbeitenden bestehen, wie der Betreuungsschlüssel und die Anforderungen an die Räumlichkeiten einer Kindertagesstätte aussehen. Aber auch die Aufsicht ist darin geregelt. Gerade an diesem Punkt haben sich die Geister im Kantonsrat geschieden.

Vorwurf der Schikane

Tektas sagte in seiner Begründung des Vorstosses: «Das Führen einer Kindertagesstätte ist immer ein Balanceakt zwischen Qualität und Wirtschaftlichkeit. Konsens ist dabei aber, dass das Kindeswohl an erster Stelle steht.» Er kritisierte, dass der zuständigen Stelle im Kanton Schaffhausen ganze Ordner abgegeben werden müssten, um eine Bewilligung zu erlangen. Der Aufwand für die Betreuungseinrichtungen steige stetig, die Kosten nähmen entsprechend zu. Das Erziehungsdepartement poche bei seinen Kontrollen auf formelle Nichtigkeiten und agiere teilweise sogar schikanös.

Der zuständige Regierungsrat, Patrick Strasser, versuchte mit seiner Stellungnahme Wohlwollen bei den Parlamentsmitgliedern zu erlangen. Mit dem Vorstoss würde Tektas offene Türen einrennen, man teile das Ziel. Er betonte aber, dass es qualitativ hochstehende Angebote brauche, weil die ersten Jahre eines Kindes entscheidend seien für dessen Entwicklung. Es sei die Pflicht der zuständigen Dienststelle, gesetzliche Vorgaben umzusetzen. Strasser räumte ein, dass die angesprochene Verordnung wohl noch vereinfacht werden könne. «Solche Vereinfachungen dürfen jedoch nicht mit einem Qualitätsverlust bei der Kinderbetreuung einhergehen.»

Durchaus Vorgaben gefordert

Diese Aussage löste bei Chiozza auf der ­Zuschauertribüne Stirnrunzeln aus. «Es sind nicht die Bundesvorgaben, welche die Kitas im Kanton belasten», sagt sie. Es sei vor allem die Art und Weise, wie die kantonale Verordnung umgesetzt werde. «Von uns werden Angaben verlangt, die den Staat nichts angehen, wir sind schliesslich eine private Organisation.»

Was Chiozza meint, führte Markus Müller (SVP) in seinem Votum aus. So müsse eine Kindertagesstätte sämtliche Unterlagen einer neuen Mitarbeiterin der Dienststelle vorlegen: Angaben zum Beschäftigungsgrad oder auch Gesundheitsdaten. Vorgeschrieben sei jedoch einzig der Strafregisterauszug, so Müller. «Das ist nicht tolerierbar.» Die SVP/EDU-Fraktion stehe deshalb hinter dem Postulat von Tektas.

Strasser verzog während Müllers Votum mehrmals das Gesicht und kritisierte im Anschluss, so etwas bringe niemanden vorwärts. Der Regierungsrat lobte derweil die Stellungnahme von Regula Salathé für die GLP/EVP-Fraktion. Salathé betonte, dass Angaben zu Gruppengrösse oder dem Personalschlüssel entscheidend seien für die Qualität der Kinderbetreuung. Sie forderte, dass nicht nur ­geprüft werde, wo entschlackt werden könne. «Es müssen für krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitenden pragmatische Lösungen ermöglicht werden», so Salathé. Diese seien aktuell nicht festgehalten.

«Die meisten Dinge betrifft die Kommu­nikation und nicht das ­Reglement.»

Linda De Ventura, SP-Kantonsrätin

Während sich die FDP-Fraktion ebenso positiv zum Vorstoss äusserte, sagte Linda De ­Ventura, dass die SP gespalten sei. Der Vorstoss fokussiere zu stark darauf, Vorgaben zu lockern. «Ich hatte noch nie den Eindruck, dass es in Kindertagesstätten zu viel Platz gibt», so De Ventura. Auch sie räumte ein, dass der Unmut der Verantwortlichen bei der SP angekommen sei. «Die meisten Dinge betrifft aber die Kommunikation und nicht das Reglement.» Die Überweisung des Postulats biete aber die Chance, dass auch dieser Punkt genauer betrachtet werde.

Eine klare Sache eigentlich

Schliesslich stimmten 39 Kantonsratsmitglieder für die Überweisung, nur eine Person dagegen. Elf Räte enthielten sich. Nun muss die Regierung dem Kantonsrat einen Vorschlag unterbreiten, wie der Auftrag erfüllt werden soll. Bis dahin dürfte alles beim Alten bleiben. Doch die Zeit drängt.

Nicole Chiozza verliert langsam aber sicher die Geduld, wie sie nach der Parlamentssitzung am Montag sagt. «Die administrativen Aufwände bringen private Institutionen teilweise an ihre Grenzen.» Wertvolle Arbeit am Kind gehe verloren vor lauter Bürokratie. Würde Chiozza deswegen aufgeben, hätten in Beringen 50 Kinder und ihre Eltern ein Problem. Doch das will Chiozza gar nicht.

Mehrmals wiederholt sie, dass den Vertretern der IG Kita Qualität und Kontrollen wichtig seien. Die Debatte im Parlament habe zwar noch keine Lösungen gebracht. «Aber ein grösserer Kreis kennt nun unser Problem.»

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