Samja Hedinger: Mannweib mit Benzin im Blut

Damiana Mariani | 
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Samja Hedinger Gelernte Automechanikerin: «Ich musste mich beweisen, um ernst genommen zu werden.» Bild: Melanie Duchene

Verschiedene Altersgruppen, verschiedene Frauen, aber die gleiche Erfahrung: Sie alle behaupten sich einer männerdominierten Welt. Eine von ihnen ist Automechanikerin Samja Hedinger.

Samja Hedinger fährt in ihrem schwarzen Fiat 500 vor, bremst abrupt. Ein Kleber mit der Aufschrift «Bergrennen Oberhallau» ziert die Heckscheibe. Das Bergrennen hat in Hedingers Familie Tradition. Ihr Vater, Patrick Hedinger, nimmt seit Jahrzehnten daran teil. Samja Hedinger fiebert jeweils am Start mit.

Am 8. März ist Weltfrauentag

Seit mehr als 100 Jahren wird der Weltfrauentag begangen. Im Februar 1909 wurde der Grundstein dafür gelegt als eine Reaktion auf einen gross angelegten Streik der Kleidermacherinnen in New York City.  Am Internationalen ­Frauentag demonstrieren Frauen weltweit für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung von Frauen. Der erste internationale Tag wurde 1911 gefeiert, der 8. März als ein fixes Datum wurde erst während des Ersten Weltkriegs festgelegt. 

Weitere Artikel zum Thema Weltfrauentag finden Sie in unserem Dossier.

Die 20-Jährige möchte selbst Rennen fahren, sich kommenden Oktober die Lizenz dafür holen. «Dann gibt es kein Halten mehr», sagt Hedinger nun im Automaxx-Showroom in Schaffhausen. Hier absolviert Hedinger, die gelernte Automechanikerin ist, derzeit eine Weiterbildung zur Autoverkäuferin. Ihr Fahrplan ist fix: Sie möchte dereinst zu Porsche wechseln, dort Autos verkaufen und irgendwann die Modelle auch auf der Rennstrecke testfahren. Sie habe noch einen steilen Weg vor sich, sagt sie dann: «Aber ich bin fest entschlossen und weiss genau, was ich will.»

Der Opa als Vorbild

Hedinger wurde schon als kleines Kind mit dem Porsche-Virus infiziert, damals als ihr Grossvater sie jeweils mit seinem Porsche 911 vom Kindergarten in Wilchingen abgeholt und mit ihr ein paar Runden durch die Gemeinde gedreht hat. Sie habe von ihrem Grossvater viel über Autos gelernt. Dieser hat bis 1998 ein eigenes Autogeschäft in Schleitheim geführt, in welchem er mitunter Porsches verkaufte. Und schon damals habe sie sich die Modelle ganz genau angeschaut. «Wenn keiner da war, durfte ich mich hinters Steuer setzen.» Mittlerweile ist der Grossvater ins Tessin gezogen und fährt auch keinen Porsche mehr, sondern einen Abarth. Über Autos werde aber weiterhin bei jeder Gelegenheit gesprochen. «Nonno ist mein allergrösstes Vorbild», sagt Hedinger.

Der Geruch von Benzin

Dass sie Automechanikerin werden wollte, wusste Hedinger, als sie mit 14 das erste Mal einen Schlagschrauber in der Hand hatte, um den Reifenwechsel am Rennwagen ihres Vaters vorzunehmen, einem Peugeot 205 GTI. Noch heute macht sie das bei jedem seiner Rennen.

Die SN haben anlässlich des Weltfrauentags mit verschiedenen Frauen gesprochen.

Ein Auto, für Hedinger ist es zu vergleichen mit dem menschlichen Körper, der Motor ist das Herz, das Steuergerät das Hirn. Alles daran interessiere, alles daran liebe sie: «den Geruch von Benzin, von Abgas, die schwarzen Hände nach einem Ölwechsel», sagt sie, die Nägel rot lackiert. Auch wenn sie sehr weiblich aussehe, fühle sie sich doch eher als Mannweib. «Ich bin laut und kann mich durchsetzen. Meine Mutter mahnt mich immer, nicht wie ein Mann zu sprechen.»

Ein undankbarer Job

In einer Männerdomäne tätig zu sein, habe sie deshalb nie gestört, im Gegenteil könne sie mit dem starken Geschlecht oftmals mehr anfangen als mit dem weiblichen. Und dennoch war der Anfang in der Werkstatt – wie aller Anfang – schwer. Von ihren männlichen Kollegen wurde Hedinger belächelt. Sie habe sich beweisen müssen, um ernst genommen zu werden. Und sie habe bisweilen Mühe gehabt, weil: zu wenig Kraft. «Heute trage ich zwei Autoreifen, einen unter jedem Arm», sagt sie dann stolz. «Ich brauche in der Werkstatt keine Hilfe mehr.»

Dass sie in den Showroom gewechselt hat, begründet sie mit ihrem Vorhaben, einst bei einem Porsche-Händler zu arbeiten. Und dann sei der Job als Automechanikerin zwar toll, aber auch undankbar: schlecht bezahlt und wenig geschätzt. «Da schraube ich lieber in meiner Freizeit an Autos rum.»

Vor zwei Wochen hat die Wilchingerin den Service an ihrem Fiat durchgeführt, den fahre sie gezwungenermassen, weil das Gehalt für einen Porsche noch nicht reiche. Irgendwann aber würde sie gerne einen Porsche 964 fahren oder einen Porsche 911 GT2 RS.

Ihren Fahrstil beschreibt Hedinger als rasant, sie gehe gerne schnell in die Kurven, habe nun aber gelernt, sich zu mässigen. «Ich kann es mir schliesslich nicht erlauben, meinen Führerausweis zu verlieren.» Das wäre mit ihrem fixen Fahrplan nicht zu vereinen.

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