«Ich bin berühmt- berüchtigt»

Fabienne Jacomet | 
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Ursina Gabriela Roesch Künstlerin: «Für mich ist das ganze Jahr 8. März.» Bild: Fabienne Jacomet

Verschiedene Altersgruppen, verschiedene Frauen, aber die gleiche Erfahrung: Sie alle behaupten sich einer männerdominierten Welt. Eine von ihnen ist Künstlerin Ursina Gabriela Roesch. Ihr Motto lautet: «Frauen, werdet mutiger!» Der Weltfrauentag sei nur eine Möglichkeit von vielen, um diese Überzeugung kundzutun.

«Ich habe Frauen in der Kunst vermisst. Immer», sagt Ursina Gabriela Roesch. In Zürich in ein Künstler-Umfeld geboren, war für sie bald klar, dass auch sie diesen Weg einschlagen wird. Aber: «Ich merkte, das ist ein Männerbetrieb, da musst du deinen Platz selbst finden.»

Mit 18 zog Roesch für fünf Jahre nach Paris und besuchte dort eine Modefachschule. In der Branche blieb sie vier Jahre, und das erfolgreich: Sie gewann einen Preis in Italien, ehe sie sich der Kunst zuwandte. «Es ist sehr interessant. In Paris ist es nie Thema, ob ich jetzt eine Frau, ein Mann oder sonst etwas bin. Ich bin einfach Künstlerin, Créatrice. Punkt.» So habe sie wachsen können, ihre Arbeit entwickelte sich weiter. Deshalb reist sie auch heute noch oft nach Paris.

Am 8. März ist Weltfrauentag

Seit mehr als 100 Jahren wird der Weltfrauentag begangen. Im Februar 1909 wurde der Grundstein dafür gelegt als eine Reaktion auf einen gross angelegten Streik der Kleidermacherinnen in New York City.  Am Internationalen ­Frauentag demonstrieren Frauen weltweit für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung von Frauen. Der erste internationale Tag wurde 1911 gefeiert, der 8. März als ein fixes Datum wurde erst während des Ersten Weltkriegs festgelegt.

Weitere Artikel zum Thema Weltfrauentag finden Sie in unserem Dossier.

In der Schweiz weise man sie immer wieder darauf hin, dass sie eine Frau ist, sagt Roesch. «Wie oft ich mir schon anhören musste: ‹Du machst eine super Arbeit aber du bist leider kein Mann›.» Sie habe immer gedacht, in der Kunstwelt sei man progressiver unterwegs, aber das stimme leider nicht. Irgendwann entschied sie, nicht mehr bei Ausstellungen mitzumachen, wenn nicht die Hälfte der Ausstellenden Frauen sind. Sie sei zur Rebellin, zur Kämpferin geworden. «Ich bin berühmt-berüchtigt als Künstlerin», sagt sie und lacht. «Weil ich eben den Fuss zwischen Tür und Angel stelle und sage: ‹Hallo, es gibt uns auch noch›. Das muss man sagen, weil es immer noch Leute gibt, die das gerne ignorieren.»

«FATart»: gemeinsam weiterkommen

Sie habe aber festgestellt, dass sie im Kollektiv weiterkomme als allein. So kam 2016 der «Femme Artist Table, FAT – Women* in arts» in Zürich zustande. 2018 fand dann zum ersten Mal die daraus entstandene Kunstmesse «FATart Fair» in der Kammgarn West statt. Die Idee hatte Roesch, als sie eine Kunstmesse in München besuchte und deren Organisator traf. «Ich dachte mir, was der ‹Typ› kann, kann ich auch. Ich will das in der Schweiz probieren – und zwar nur für Frauen.» Das kam gut an, Künstlerinnen aus der ganzen Welt stellen an der Art Fair aus, die auch dieses Jahr stattfinden wird. Inzwischen fühlt sich die Zürcherin in Schaffhausen fast zuhause. «Ich finde es so cool, dass wir der Kammgarn ausstellen können und das Projekt überhaupt entwickeln konnten.»

Die SN haben anlässlich des Weltfrauentags mit verschiedenen Frauen gesprochen.

Auch die Geschichte der Halle passe zum Projekt. Früher hiess der Ort Hallen für Neue Kunst. 25 Jahre lang hätten hier praktisch nur Männer ausgestellt. Deshalb nenne sie den Ort nun neue Hallen für Kunst für Frauen. Wie es mit dem Standort weitergehen wird, stehe noch in den Sternen, «ich sage aber jetzt einfach mal, wir bleiben hier. Schaffhausen braucht uns doch».

«Hoffnungslose Optimistin»

Heute am Weltfrauentag stellt Roesch an einem Event am Zürcher Hauptbahnhof aus. Ihr hätten viele gesagt, sie freuen sich auf heute. «Ich hab geantwortet: ‹Ab dem 8. März haben wir endlich Gleichberechtigung›. So etwas musst du einfach in die Welt setzen.» Lohnungleichheit und der Druck, Kinder zu haben. Tatsächlich ist es bis zur vollen Gleichberechtigung noch ein weiter Weg. «Die Zahlen sagen, es geht noch 150 Jahre. Das ist viel zu lang.» Es gebe noch viel zu tun.

Der Weltfrauentag sei ein wichtiger Tag, um über Gleichstellung nachzudenken. Aber: «Für mich ist das ganze Jahr 8. März.» Sie habe das Medium Kunst, mit dem sie auf das Thema aufmerksam machen und die Leute bewegen kann, darüber nachzudenken, Bewusstsein zu schaffen. Sie glaube, es gebe schon viele Menschen, die begriffen hätten, dass sich etwas ändern müsse. «Ich meine, wir stehen alle auf derselben Welt, derselben Kugel.» Roesch ist zuversichtlich, dass es nicht mehr 150 Jahre dauern wird, bis sich etwas ändert. «Ich bin eine hoffnungslose Opti­mistin.»

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