Leistungssportlerin: Zwischen WM-Traum und Doktorarbeit

Alexander Hongler | 
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Romina Ledergerber, Kunstradfahrerin und doktorierende Sportwissenschaftlerin: «Wir müssen 365 Tage pro Jahr für uns einstehen.» Bild: Michael Kessler

Romina Ledergerber setzt zu einer Kunst­figur auf ihrem Rad an. Sie steht auf dem Sattel und dreht Runden im Kreis. Mit den Armen macht sie eine elegante Pose. Manch anderer wäre wohl schon beim Versuch freihändig Rad zu fahren überfordert. Ledergerber hingegen lässt ihre Figuren aussehen, als sei es das Einfachste der Welt. Es wirkt wie eine Mischung zwischen Sport und Akrobatik. Die 24-Jährige ist die drittbeste Kunstradfahrerin der Schweiz. Damit nicht genug: Sie doktoriert auch noch in Sportwissenschaften; der Inbegriff einer «Powerfrau» also. Seit Jahren bringt sie dank ihres Durchhaltevermögens Leistungssport und Wissenschaft unter einen Hut. «Es geht darum, Prioritäten zu setzen und effizient zu planen», so Ledergerber.

Von Beginn an auf der Überholspur

Die in Rafz aufgewachsene Kunstradfahrerin entdeckte ihre Leidenschaft erst im Alter von zwölf Jahren. Normalerweise beginne man mit sechs oder sieben Jahren. Ihre damalige Primarlehrerin und jetzige Trainerin, Gabi Tessaro, bot einen Kurs an. Ledergerber besuchte diesen und merkte schnell, dass ein Feuer in ihr entfacht wurde. «Es machte mir viel Spass, da ich sehr schnell lernte und mir vieles gelang.» Sofort trat sie einem Verein in Lottstetten bei. Diesen verliess sie bereits nach zwei Jahren in Richtung Schaffhausen, wo sie bis heute trainiert und wohnt.

Am 8. März ist Weltfrauentag

Seit mehr als 100 Jahren wird der Weltfrauentag begangen. Im Februar 1909 wurde der Grundstein dafür gelegt als eine Reaktion auf einen gross angelegten Streik der Kleidermacherinnen in New York City.  Am Internationalen ­Frauentag demonstrieren Frauen weltweit für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung von Frauen. Der erste internationale Tag wurde 1911 gefeiert, der 8. März als ein fixes Datum wurde erst während des Ersten Weltkriegs festgelegt.

Weitere Artikel zum Thema Weltfrauentag finden Sie in unserem Dossier.

Das damals vierzehnjährige, junge Mädchen sei ohne Selbstvertrauen nach Schaffhausen gekommen. «Ich hatte das Gefühl, ich sei schlecht», so Ledergerber. Beim Radfahrverein Lottstetten habe sie nur in Doppelwettkämpfen Erfolge gefeiert. Im Einzel habe sie ihr Potenzial noch nicht ausschöpfen können. Unter den Fittichen ihrer ehemaligen Primarlehrerin Gabi ­Tessaro änderte sich dies. «Sie sprach mir Mut zu und weckte in mir den Glauben, ich könne mehr erreichen.» Die Worte und die harte Arbeit zeigten Wirkung. Dank einer persönlichen Bestleistung an den Schweizermeisterschaften schaffte Ledergerber den Sprung ins nationale Kader. In diesem ist sie bis heute.

Verzicht für WM-Traum

Letztes Jahr durfte sie die Schweiz an den Europameisterschaften in Nyíregyháza in Ungarn vertreten. «Meine EM-Kür konnte ich in vollen Zügen geniessen. Ich spürte, dass ich hierher gehöre. Das war ein wunderbares Gefühl.» Um erfolgreich Kunstrad zu fahren, bedarf es nebst einem guten Gleichgewicht auch Kraft, Ausdauer und vor allem mentale Stärke. «Diese Vielseitigkeit fasziniert mich bis heute», sagt Ledergerber.

Die SN haben anlässlich des Weltfrauentags mit verschiedenen Frauen gesprochen.

Diese Fähigkeiten müssen natürlich auch trainiert werden. Inklusive Kraft- und Ausdauertraining kommt die Rafzerin auf bis zu sieben Trainingseinheiten pro Woche. Da bleibt neben dem Studium nicht mehr viel Zeit zur freien Verfügung. «Der Verzicht auf andere Dinge ist es mir wert», so Ledergerber. «Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, ziehe ich es durch.» Um ihr grosses Ziel zu erreichen, sei diese Einstellung unabdingbar. «Mein grosser Traum ist es, an die Weltmeisterschaft zu gehen.» Um diesen Traum zu verwirklichen, muss Ledergerber in der nationalen Wertung nur noch an einer Konkurrentin vorbeiziehen. Die zwei besten Fahrerinnen der Schweiz qualifizieren sich jeweils. Das Ziel sei in greifbarer Nähe, so Ledergerber. «Ich muss konzentriert weiterarbeiten und mich auf mich selbst fokussieren.» Es bringe nichts, zu schauen, was die Konkurrenz mache. Sie könne nur ihre eigene Leistung beeinflussen und müsse Geduld haben.

Taten statt Worte

Romina Ledergerber ist eine Karrierefrau. Neben der Verwirklichung ihres Sportlerinnentraums hat sie sich auch in der männlich dominierten Wissenschaftswelt ihren Platz geschaffen. Mit ihrer Geschichte möchte sie ein Vorbild für andere Frauen sein. «Wir müssen uns mit Taten unsere Rechte und unseren Raum erkämpfen.» Der Weltfrauentag sei schon wichtig. Dabei dürfe es aber nicht bleiben.

«Wir müssen 365 Tage pro Jahr für uns einstehen.» Bis zur Gleichstellung gebe es noch viel zu tun. Ein wichtiger Aspekt für Ledergerber ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Vor allem in der Wissenschaft müsse da noch viel getan werden. «In wissenschaftlichen Berufsfeldern gibt es so gut wie keine Teilzeitmöglichkeiten. Dies muss sich ändern. Sonst heisst es dann plötzlich Karriere oder Familie.» Romina Ledergerber möchte in Zukunft auf keines von beidem verzichten.

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