Integrative Schulung: Braucht es den Reset-Knopf?

Robin Blanck | 
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Wie steht es um die «integrative Schulung», bei der Kinder mit Einschränkungen in Regelklassen unterrichtet werden, in Schaffhausen? Bild: SN-Archiv

Als hehrer Ansatz zur Auflösung der Sonderklassen wurde die «integrative Schulungsform» einst geschaffen, doch im Praxistest kämpft das pädagogische Konzept mit vielen Problemen. Wie also weiter, will Kantonsrat Urs Capaul in einer Inter­­pellation wissen.

Seit der Lancierung der Idee der «integrativen Schulungsform» vor vielen Jahren besticht das Konzept durch einen sozialen Ansatz: Statt die Kinder in Sonderschulen und Regelklassen getrennt voneinander zu unterrichten und damit die Abstände zwischen den beiden Bereichen zu vergrössern, sollte mit der Integration möglichst vieler Sonderschülerinnen und -schüler in die herkömmlichen Schulstrukturen ein neue Realität entstehen, von der beide Seiten profitieren.

Die grosse Integration

Integration statt Separation, so der Grundgedanke, oder einfach ausgedrückt: Kinder mit Lernschwierig­keiten oder Verhaltensauffälligkeiten besuchen die selbe Klasse wie solche ohne diese Einschränkungen. Damit das gelingt, wird eine enge Begleitung durch pädagogische Fachexperten vorausgesetzt, sprich: Heilpädagoginnen sollen die integrierten Kinder begleiten, immer wieder unterstützend eingreifen und so die Klassenlehrkraft entlasten. Soweit die Theorie aus der Bildungswissenschaft, nur in der Praxis sieht das aber anders aus.

Im Kanton Zürich ist man in diesem Inte­grationsprozess weiter. Das Zürcher Stimmvolk hat die integrative Schulungsform 2005 an der Urne für den ganzen Kanton angenommen, das Konzept ist umgesetzt, gerät aber von verschiedenen Seiten unter Beschuss: Lehrpersonen klagen über zusätzliche Arbeit aufgrund der heterogeneren und grösseren Klassen. Erziehungsberechtigte haben Angst, dass das Niveau in der Klasse sinkt und so die Zukunftschancen der Kinder beeinträchtigt. Gleichzeitig wird auf weitere Integrationen gedrängt. Gemäss einer Umfrage im Auftrag der NZZ von Anfang Jahr würde sogar eine Mehrheit der Zürcher die integrative Förderung heute an der Urne ablehnen.

Im Kanton Schaffhausen finden solche Integrationen auf verschiedenen Schulstufen bereits statt, allerdings nicht flächendeckend und vor allem nicht überall in der grössten Schulgemeinde, der Stadt Schaffhausen.

Wie aber geht es mit dem pädagogischen Konzept im Kanton Schaffhausen weiter? Oder ist die integrative Schule gar «am Ende», wie Kantonsrat Urs Capaul (parteilos) in seiner Interpellation von der Regierung wissen will?

Haltung der Regierung gefragt

Er nimmt die medial zusammengetragenen Probleme im Kanton Zürich zum Themenkreis – von der Klassengrösse, dem mangelnden Fachpersonal zur Unterstützung über zusätzliche Nachteile für schwächere, aber auch besonders begabte Schülerinnen und Schüler bis hin zu negativen Auswirkungen auf das spätere Arbeitsleben der Betroffenen – zum Anlass, um dem Schaffhauser Regierungsrat auf den Zahn zu fühlen: Capaul fragt daher, ob die gleichen Probleme auch in den Schaffhauser Schulen auftreten.

Konkret will er wissen, wie die integrative Schule «langfristig zu sanieren» sei, «damit auf die offensichtlichen Bedenken der Lehrerschaft und der Bildungsforscher eingegangen werden könnte – oder ob bloss der Druck auf den Reset-Knopf als Ausweg bleibe.

Weiter will Capaul erfahren, ob der Regierungsrat den Ansatz, der im Kanton Basel von der Lehrerschaft als sinnvoll betrachtet wird, als zielführend einstuft: Statt einer ständigen ­Integration könnten «spezielle durchlässige und niederschwellige Förderklassen mit einer temporären Separation» arbeiten und so die entstandenen Probleme adressieren.

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