Über den Wunsch, jemand anderes zu sein

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Häufig verbringen Cosplayerinnen und Cosplayer viel Zeit damit, die Vorstellung im Kopf zur Realität werden zu lassen. So auch Sibylle Herrmann: 150 Stunden hat sie in das Kostüm der bösen Fee Maleficent aus der neuen Verfilmung des Märchens Dornröschen gesteckt.

von Niklas Rapold 

2016, an der Gamescom in Köln, einer Messe für Videospiele, kam Sibylle Herrmann das erste Mal in Kontakt mit dem Cosplay. Sie sei damals von den vielen verschiedenen Kostümen völlig fasziniert gewesen, erzählt sie. Mit zum Teil selbst gemachten, zum Teil gekauften Kostümen verkleiden sich die sogenannten Cosplayer als Charaktere aus Videospielen oder Filmen. «Es ist viel mehr als Fasnacht», sagt die 38-jährige Schlatterin: Häufig würden sich Cosplayer nicht nur verkleiden und schminken, sondern identifizierten sich auch bis zu einem gewissen Grad mit dem Charakter ihrer Wahl. Viele von ihnen sind ausserdem seit ihrer Kindheit aktive Gamer, so auch Herrmann. Noch immer spielt sie Videospiele aus ganz verschiedenen Genres – sei aus dem Fantasy-, dem Horror- oder dem Shooterbereich. «Wichtig ist mir vor allem eine gute Story», ergänzt sie, mit Sportspielen habe sie sich deshalb nie anfreunden können.

150 Stunden und 3000 Federn

Am Auffahrtswochenende, vom 26. bis 28. Mai, findet in Basel die «Fantasy Basel – The Swiss Comic Con» statt, nach Angaben des Veranstalters das schweizweit grösste Festival für Gaming und Cosplay. Neben einem Treffen mit Schauspielern aus «Harry Potter» oder «Game of Thrones» erwarten die 50'000 Besucher auch neue Video- und Brettspiele. Und natürlich sind auch etliche Cosplayer unterwegs, unter ihnen eben auch Sibylle Herrmann. Als Maleficent, die böse Fee aus der Neuverfilmung des Märchens «Dornröschen», ist sie in Basel zu sehen.

Herrmann gestaltete bereits zuvor einige kleinere Cosplays, aber Maleficent ist ihr erstes grösseres Projekt. «Mir gefällt die Charakterentwicklung im Film», antwortet sie auf die Frage, warum sie genau diese Figur ausgewählt hat; ausserdem spreche sie das Charakterdesign an. Die Herausgeber der Videospiele stellen den Cosplayern zum Teil PDF-Vorlagen der Charaktere zur Verfügung, Herrmann hingegen musste sich im Internet Vorlagen suchen; und natürlich schaute sie den Film. Danach habe sie bereits eine ziemlich genaue Vorstellung gehabt, wie das Kostüm am Schluss aussehen solle, erklärt Herrmann. Es habe sich dann «nur» noch die Frage nach dem wie gestellt. Volle zwei Jahre und rund 150 Stunden verbrachte Herrmann im «Cosplay-Zimmer», dem ehemaligen Gästezimmer, bis aus der ursprünglichen Idee tatsächlich eine böse Fee entstand – allerdings inklusive einer längeren Pause. «Manchmal vergeht einem für eine gewisse Zeit einfach die Lust.»

Gestartet hat sie mit den langen, gebogenen Hörnern, als zweites packte sie bereits den schwierigsten Part, die Flügel, an. Drei Versuche sowie die technische Unterstützung ihres Lebenspartners waren nötig, bis sie zufrieden mit dem Ergebnis war. An einem Gerüst aus Plastik befestigte Herrmann mit Heissleim insgesamt etwa 3000 einzelne Federn. Den oberen Teil der Flügel beklebte sie mit echten Federn, die sie auf Amazon bestellte. Im unteren Teil der hingegen schnitt sie die Federn, wie bereits die Hörner, aus braunem Eva-Foam – einem Schaumstoff ähnlich Moosgummi – aus und gab ihnen mit einer Airbrush-Pistole eine silbrige Färbung. Damit das Flügelpaar schlussendlich wie echt aussieht, bearbeitete sie die künstlichen Federn noch mit einem Cutter. Ausserdem musste die Verkleidung «conventiontauglich» sein – so sind die beiden Flügel jeweils einzeln abnehmbar, damit beispielsweise der Gang auf die Toilette machbar ist.

An einem der Cosplay-Wettbewerbe in Basel will Herrmann nicht teilnehmen. 30 Sekunden lang hat da jeder Teilnehmer die Möglichkeit, sich und seine Kreation zu präsentieren, bevor eine Jury ihr Urteil abgibt. Für Herrmann viel zu wenig: «Man investiert so viel Zeit und Emotionen in die Kostüme, 30 Sekunden können das nicht wirklich wertschätzen.» Vielmehr wolle sie die tolle Stimmung geniessen, ihr Kostüm zwar schon auch präsentieren, aber vor allem auch die Kostüme der anderen Cosplayer bestaunen.

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