In welchen Gemeinden die meisten Schüler büffeln

Die Anzahl Schüler schwankt von Gemeinde zu Gemeinde. Und vor 100 Jahren sahen die Zahlen rund um die Primarschule noch ganz anders aus.
Nachgefragt
«Mein Herz schlägt für die Schule»

Hemishofen hat im Schnitt die kleinste Klasse des SN-Lesergebiets. Wieso das so ist und welche Herausforderungen und Vorteile die tiefen Schülerzahlen bergen, erklärt Matthias Tanner, Präsident der Schulbehörde Hemishofen, im Gespräch.
Herr Tanner, eine Klasse in Hemishofen besteht im Schnitt aus elf Schülern. Weshalb sind es so wenige?
Matthias Tanner: Dies ist so nicht ganz korrekt. Bei uns wird nach dem System der Mehrklassigkeit unterrichtet. Das heisst, die erste bis dritte Klasse und die vierte bis sechste Klasse haben zusammen Unterricht. Es kann also sein, dass es in einer Stufe nur drei Kinder hat. Bei den 22 Schülern in diesem Schuljahr sind es aber tatsächlich 10, bzw. 12 Schüler pro Lehrperson. Die tiefe Schülerzahl hat damit zu tun, dass sich in der Schule die Entwicklung der Gesellschaft spiegelt. Einerseits beobachten wir eine Überalterung, andererseits gibt es den Trend, dass Familien weniger Kinder bekommen. Die Bevölkerung in Hemishofen ist in der Vergangenheit gewachsen. Trotzdem ging aber die Zahl der Kinder zurück.
Welches war die höchste Anzahl Schüler in Hemishofen?
Im Jahr 2007 waren circa 20 Prozent der Einwohner unter 18 Jahre alt. In dieser Zeit hatten wir auf der Kindergarten- und der Primarstufe zusammen rund 40 Kinder. Dies ging so weit, dass wir die fünfte Klasse separat unterrichteten.
Was sind Vor- oder Nachteile des Unterrichtens von kleinen Klassen?
Ein Vorteil ist, dass man durch das System der Mehrklassigkeit die Schule im Dorf erhalten kann. Für die Kinder kann es auch ein Vorteil sein. Die Lehrperson wendet sich im Schnitt 15 bis 20 Minuten einem Jahrgang zu. Man wird also nicht dauernd aktiv beschult und kann das Gelernte «verdauen». Natürlich gibt es auch Nachteile. Es kann vorkommen, dass in einem Jahrgang ein Mädchen oder ein Junge allein ist. Das Sozialleben in der Klasse und das «Gspänli»-Finden wird dadurch erschwert.
Was macht man in so einem Fall?
Es kam tatsächlich schon einmal vor, dass wir in einem Jahrgang nur eine Schülerin hatten. Darauf haben wir Kontakt mit der Gemeinde Stein am Rhein gesucht und zusammen eine Lösung gefunden.
Ist die Schulschliessung aufgrund von kleinen Klassen ein Thema?
Nein, einfach so ist das keine Option.
Lohnt sich der finanzielle Aufwand bei 22 Schülern?
Der finanzielle Aufwand für Bildung in Hemishofen ist beträchtlich, aber tragbar. Man braucht bei wenigen Schülern aber auch weniger Lehrmittel und hat kleinere Pensen zu finanzieren. In Hemishofen und auch in vielen anderen Gemeinden macht die Bildung im Gemeindebudget oft mehr als die Hälfte aus. Man investiert also viel in die Bildung. In meinen Augen ist dies auch absolut richtig – mein Herz schlägt für die Schule.
Der Bund prognostiziert eine Zunahme der Schülerzahlen. Rechnet man in Hemishofen in Zukunft auch mit mehr Schülern?
Der Bildungsbericht 2018 sagt für den Kanton Schaffhausen in der Tat steigende Schülerzahlen voraus. Hemishofen hat aber fast keine Möglichkeiten mehr, substanziell zu wachsen, da Bauland auf dem freien Markt fehlt. Auch haben wir keine grossen Sied- lungen oder Überbauungen, die Zuzüger anziehen. Ich persönlich rechne deshalb nicht damit, dass wir von diesem Boom profitieren können.
Interview: Enea Mascherin
von Enea Mascherin
Schon bald sind Sommerferien. Die Schüler können sich freuen: Fünf Wochen lang den Sommer geniessen und nicht an Hausaufgaben oder Prüfungen denken. Danach geht der Ernst des Lebens jedoch wieder los. Für die Kindergärtler bedeutet das: ab in die erste Klasse. Und die jetzigen Sechstklässler steigen in die Oberstufe auf.
Steigende Schülerzahlen
Voraussichtlich werden nach den Sommerferien mehr Schüler als gegenwärtig die Schulbank drücken, denn ihre Anzahl steigt. In diesem Jahr zählt der Kanton Schaffhausen rund 4400 Primarschüler. Fünf Jahre zuvor waren es 3900.
Die Schülerzahlen steigen, und dies nicht nur im SN-Lesergebiet.
Auch auf Bundesebene rechnet man mit steigenden Schülerzahlen: Der Bund prognostiziert bis 2025 schweizweit eine Zunahme von 13 Prozent. In einigen Kantonen wie Basel-Stadt, Zürich oder Thurgau wird sogar mit fast 20 Prozent gerechnet. Allein auf der Primarstufe werden es demnach landesweit künftig 87 000 Kinder mehr sein
Die steigenden Schülerzahlen sind ein neueres Phänomen. Im Jahr 2013 erreichten die Primarschülerzahlen mit 3754 im Kanton Schaffhausen den tiefsten Wert seit 100 Jahren. In Zürich verzeichnet die Primarstufe hingegen seit 2010 eine deutliche Zunahme, während die Zahlen im Thurgau seit 2013 steigen.
Deutsche Schüler in Dörflingen
Doch wie viele Schüler sind es gegenwärtig in den einzelnen Gemeinden? Die Anzahl Schüler pro hundert Einwohner unterscheidet sich von Gemeinde zu Gemeinde. An der Spitze liegt Büttenhardt mit fast zwölf Schülern pro 100 Einwohner. In dieser Zahl miteingerechnet sind jedoch auch die Schüler der ersten bis dritten Klasse aus der Gemeinde Lohn. Die Schüler aus Lohn und Büttenhardt besuchen die ersten drei Jahre der Primarschule in Büttenhardt und gehen dann in Lohn zur Schule. Büttenhardt hat knapp 400 und Lohn rund 770 Einwohner.
Am wenigsten Schüler sind es in der deutschen Enklave Büsingen, nämlich knapp drei Schüler pro 100 Einwohner. Die Situation in Büsingen ist jedoch anders: Die Schule der Gemeinde Büsingen besuchen nämlich nur die Kinder der ersten bis vierten Klasse.
Ab der fünften Klasse können sie sich entscheiden, ob sie die Schulbank im deutschen Singen oder in Dörflingen drücken wollen. «Die Gemeinde bezahlt den Büsinger Kindern den Schulbesuch in Schaffhausen», sagt Manuela Amann, Schulleiterin der Grundschule Büsingen. Die Umstellung sei für die Schüler meist kein Problem. «Kinder, die in unserem Schulsystem gut klarkommen, haben auch in der Schweiz keine Schwierigkeiten», so Amann.
Im Jahr 1919 drückten im Kanton Schaffhausen 7138 Kinder die Schulbänke der Elementarschule.
Auch die durchschnittlichen Klassengrössen variieren stark. Mit 22 Schülern pro Klasse im Schnitt stehen Benken und Rheinau an der Spitze. Laut dem Schuldekret des Kantons Schaffhausen dürfen in einer Primarschulklasse in der Regel nicht mehr als 25 Schüler unterrichtet werden.
Das Schlusslicht ist Hemishofen mit halb so vielen Schülern, nämlich elf in einer durchschnittlichen Klasse.
Früher und heute: Die Primarschule im Kanton Schaffhausen
Doch nicht nur das Aussehen der Schulzimmer und die Regeln haben sich seit 1919 geändert. Auch bei den Schülerzahlen und den Klassengrössen hat sich viel getan.
45 Schüler in einer Klasse
Im Jahr 1919 drückten im Kanton Schaffhausen 7138 Kinder die Schulbänke der Elementarschule. Das sind 2750 Schüler mehr als heute. Bis ins Jahr 1947 sanken die Schülerzahlen auf 4938 Schüler im Kanton. Danach stiegen sie wieder an und erreichten im Jahr 1971 mit 7760 Schülerinnen und Schülern ihren höchsten Wert in 100 Jahren. 1919 lebten im Kanton rund 50 500 Personen. Gegenwärtig sind es knapp 31 000 Einwohner mehr. Wieso gab es vor einem Jahrhundert trotzdem fast 3000 Schüler mehr als heute?
Im ersten Band der Kantonsgeschichte wird erklärt, dass seit Mitte der 1870er-Jahre die Sterblichkeit kontinuierlich sank, während die Geburtenzahl noch bis ins zweite Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hoch blieb.
Auch die Klassengrössen haben sich über die Jahrzehnte verändert. Vor 100 Jahren gab es 160 Elementarschulklassen im Kanton Schaffhausen, heute sind es 241. Dementsprechend war eine durchschnittliche Klasse im Jahr 1919 mehr als doppelt so gross wie gegenwärtig. 45 Schüler sassen damals im Schnitt in einer Klasse. Aktuell sind es noch 18 Schüler. (ema)