Scheibe einschlagen? Schon 15 Grad können für Tiere in Autos gefährlich sein

Ralph Denzel | 
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Teilweise kann es nur wenige Minuten gehen, ehe es für einen Hund in einem geschlossenen Auto lebensgefährlich wird. Bild: Pixabay

Die Schaffhauser Polizei warnt: Wer sein Tier im Auto lässt, setzt es selbst bei niedrigen Temperaturen einer hohen Gefahr aus. Helfen darf aber trotzdem nicht jeder.

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem geschlossenen Raum. Die Temperatur steigt und steigt, aber sie haben keine Möglichkeit dort rauszukommen. Irgendwann wird Ihnen schwindlig, sie beginnen zu schwitzen, bekommen einen unstillbaren Durst – aber die Tür zu diesem Raum bleibt einfach zu. Klingt nach einer Horrorvorstellung, ist aber im Sommer immer wieder Realität.

Denn so ergeht es Tieren, die in einem geschlossenen Auto zurückgelassen werden. Was viele dabei jedoch nicht wissen: Dafür braucht es keine 30 Grad. Es reichen schon gerade mal 15 Grad Aussentemperatur, damit es für die Tiere lebensgefährlich werden kann.

Was tun, wenn ein Tier in Not ist?

Laut Ricky Meyer vom Verein «Animal Rescue Schaffhausen-Thurgau» kommt es immer noch viel zu häufig vor, dass Menschen ihre Tiere in Autos zurücklassen, ohne sich über die möglichen Konsequenzen bewusst zu sein. «Vor allem beim Herblinger Markt müssen wir immer wieder Tiere befreien», so der Tierschützer. Auch ein kurzer  Einkauf kann schon gefährlich werden, wie auch Kantonstierarzt Peter Uehlinger weiss: «Ein Auto ist ein geschlossener Raum. Wenn jetzt ein Tier dort drinnen ist und permanent atmet, dann entwickelt sich dort drinnen sehr schnell eine feuchte Hitze.» Dabei müsse es noch nichtmal warm sein, wie der Tierarzt sagt: «Es muss nur die Sonne drauf scheinen und schon kann sich ein Auto enorm aufheizen, egal, wie hoch die Aussentemperaturen sind.»

Wenn ein Tier dann überhitzt ist, muss es schnell gehen, sagt Ricky Meyer. Da wäre nur ein Problem: Wer eine Scheibe einschlägt, um das Tier zu retten, macht sich wegen Sachbeschädigung strafbar.

Öffnen darf, rein rechtlich gesehen, nur die Polizei ein Auto. Der Mediensprecher der Schaffhauser Polizei, Patrick Caprez, sagt dazu: «Wenn man sieht, dass ein Tier in Gefahr ist und man die fahrzeughaltende Person nicht kontaktieren kann, sollte die Polizei alarmiert werden.» Diese hat mehr Möglichkeiten, um den Halter zu ermitteln und auch das Recht, ein Auto gewaltsam zu öffnen.

Ricky Meyer von «AnimalRescue» hält jedoch dagegen: Manchmal dauere es zu lange, bis die Polizei eintreffe oder dem Tier gehe es bereits so schlecht, dass man direkt reagieren müsse. Solche Fälle seien in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, so der Tierretter. «Wenn das passiert, dann rufen wir bei der Polizei an und melden, dass wir jetzt die Scheibe einschlagen müssen.»  In diesem Fall liegt laut Ricky Meyer eine Straftat vor – und zwar vom Halter. «Wenn ein Tier leidet oder in Lebensgefahr ist, weil jemand es in ein Auto eingesperrt hat, dann ist das ein Fall von Tierquälerei.»

Laut Tierschutzgesetz spricht man von Tierquälerei, wenn jemand ein Tier misshandelt, vernachlässigt, unnötig überanstrengt oder dessen Würde in anderer Weise missachtet. Dies kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Bei Fahrlässigkeit kann sogar eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen fällig werden. Tierquälerei gilt als sogenanntes Offizialdelikt, das bedeutet: Es wird als schwere Straftat gesehen, bei der die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt, auch wenn keine Anzeige eingegangen ist.

Dieses Thema wird sehr ernst genommen, auch von Gerichten: So sorgte Ende 2017 ein Fall in Schaffhausen für Aufsehen, bei dem ein 78-Jähriger Mann seinen Hund in einem heissen Auto am Bahnhof zurückliess. Die Staatsanwaltschaft stellte einen Strafbefehl gegen den Hundebesitzer aus. Darin beschuldigte sie den Halter des Hundes der Tierquälerei und forderte eine Geldstrafe sowie eine Busse. Vom Kantonsgericht wurde er freigesprochen, da aufgrund der Aktenlage Zweifel an der Tat bestanden.

Rechtfertig also das Wohl eines Tieres Sachbeschädigung? Für Ricky Meyer absolut: «Ich rate aber jeder Privatperson, dies nicht zu tun», sagt er. Er und seine Kollegen von «Animal Rescue» seien Experten und könnten sehr gut einschätzen, wie schlecht es einem Tier gehe und ob es überhaupt notwendig sei, eine Scheibe einzuschlagen.

Zudem gibt er an, dass er in so einem Falle immer auch Rücksprache mit der Polizei halten würde und sich erstmal das Okay der Uniformierten holen würde. «Wir arbeiten sehr gut mit der Schaffhauser Polizei zusammen, was das angeht.» In den Fällen, in denen es bisher nötig gewesen sei, eine Scheibe einzuschlagen, sei dies bisher immer mit dem Segen der Schaffhauser Polizei geschehen.

Was, wenn das Tier gerettet ist?

Wenn das Auto offen und der Insasse gerettet ist, kommt es ganz auf den Allgemeinzustand an, wie es weiter geht. Peter Uehlinger sagt dazu: «Steigt ein Tier ganz normal aus dem Auto, geht es ihm meistens gut.» Unbedingt sollte man Wasser anbieten, denn je nach Aufenthaltsdauer im heissen Auto ist das Tier dehydriert. «Im schlimmsten Fall muss es dann zu einem Tierarzt und dort Infusionen bekommen», so Uehlinger.

Die beste Vorsorge sei aber: Einfach den gesunden Menschenverstand walten lassen und sein Tier nur so kurz wie möglich im Auto zu lassen. Denn auch niedrige Temperaturen können gefährlich werden.

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