Die Schildkröten tauchen wieder auf

Saskia Baumgartner | 
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Ausgesetzte Rotwangen-Schmuckschildkröten sind im Rhein keine Seltenheit mehr. Bild: Bafu

Unterhalb des Rheinfalls leben mehrere Rotwangen-Schmuckschildkröten.Vermutlich wurden die Tiere, die ursprünglich aus Nordamerika stammen, von ihren Besitzern ausgesetzt.

Nun werden sie nach der Winterruhe wieder aktiv: Die Schildkröten, die unterhalb des Rheinfalls leben und sich gerne am Ufer auf Baumstämmen, die im Wasser liegen, sonnen. Es handelt sich dabei um sogenannte Rotwangen-Schmuckschildkröten, die einen auffälligen orangen bis roten Strich hinter den Augen haben. Eine Art, die eigentlich aus dem Mississippi-Gebiet stammt. In den Hochrhein gelangt sind die Tiere vermutlich durch überforderte Besitzer.

Die Mär von der Mini-Schildkröte

Tierarzt Piero Godenzi erzählt: «Ich kann mich erinnern, dass man die Tiere zum Beispiel auf italienischen Märkten ab Ende der 1970er zu Hunderten, wenn nicht zu Tausenden kaufen konnte.» Auch in den heimischen Tierhandlungen gab es die Reptilien lange Zeit. Die Tiere waren beim Verkauf nur wenige Zentimeter gross, sahen mit ihren kleinen Glubschaugen herzig aus. «Der Verkäufer hat dann darauf hingewiesen, dass sie so klein bleiben und dass man nur ein kleines Becken und wenig Futter benötige.»

Wer sich ein solches Tier zulegte, staunte nach einiger Zeit nicht schlecht, als dieses rasch wuchs. Die Schildkröten werden rund 30 Zentimeter lang und mehrere Kilo schwer. Ein grosses Aquarium reiche da nicht aus, sagt Godenzi.

Für die Haltung sei im Sommer ein eingezäunter Aussenbereich samt Teich nötig. Für manche der Tierbesitzer war das wohl zu viel, sie setzten die Wasserschildkröten einfach aus. Godenzi sagt, dass manche der heute «wilden» Rotwangen-Schmuckschildkröten aber auch ausgebüchst sein könnten. «Sie sind ohne Weiteres fähig, über einen 1 Meter hohen Zaun zu klettern.»

Konkurrenz für einheimische Art

Grundsätzlich ist die Haltung dieser Schildkrötenart in der Schweiz seit über einem Jahrzehnt untersagt. Menschen, die bereits eine solche Schildkröte besitzen, müssen sie nicht abgeben, diese jedoch registrieren. «Die Rotwangen-Schmuckschildkröte kann als Neozoen, also als tierischer Einwanderer, Probleme machen», sagt Godenzi. Dies, weil sie die Sonnenplätze der einheimischen Schildkrötenart, der europäischen Sumpfschildkröte, in Anspruch nimmt und Laich von einheimischen Amphibien und Insektenlarven frisst. Die heimische Sumpfschildkröte ist in der freien Natur in der Schweiz übrigens kaum noch anzu­treffen. In einzelnen Kantonen gibt es Wiederansiedlungsprojekte.

Auch bei den Rotwangen-Schmuckschildkröten im Rhein handelt es sich um wenige Exemplare, die sich nicht vermehren können. In der Schweiz müsste es länger warm sein, damit die Schildkrötenart Eier ausbrüten könnte, sagt der Tierarzt. Daher werden wohl auch keine radikalen Massnahmen gegen die Tiere ergriffen. In Südeuropa hingegen, so ­Godenzi, sei es warm genug, damit sich die Tiere fortpflanzen können. In einigen Ländern seien die Tiere dort zum Abschuss frei­gegeben.

Auffangstation für ausgesetzte Tiere

Werden in der Schweiz Wasserschildkröten gefangen, gelangen sie in eine Auffangstation. In Chavornay etwa besteht schon seit Anfang der 1990er-Jahre eine solche Station, in der jährlich rund 350 Schildkröten unterschiedlicher Arten abgegeben werden. Kürzlich wurde die Anlage erweitert, um bis zu 5000 Schildkröten Platz zu bieten.

Auch im Schaffhauser Tierheim werden ­regelmässig Schildkröten abgegeben. Meist handelt es sich dabei um Landschildkröten. Manche davon sind ausgebrochen und werden von ihren Besitzern bereits gesucht. Es werden aber auch Wasserschildkröte abgegeben. Bei Platzmangel werden die Tiere ebenfalls in spezielle Auffangstationen überführt.

Einer, der die Rotwangen-Schmuckschildkröten im Rhein schon seit 20 Jahren beobachtet, ist Richard Schaub. Der Beringer ist wie Piero Godenzi Mitglied der Schildkrötenfreunde Schaffhausen-Winterthur. Schaub ist Schiffsführer bei der Ernst Mändli AG. Er sagt: «Man sieht die Schildkröten eigentlich nur, wenn sie sich sonnen.» Er und die anderen Schiffsführer geben sich untereinander Bescheid, wenn sie eines der Tiere sehen. Die Informationen geben sie dann den Bootstouristen weiter. «Die Touristen haben immer eine Freude.» Schaub kann die einzelnen Tiere gut auseinanderhalten, auch weil sie unterschiedlich gross sind und ihre «Stammplätze» haben. Er schätzt, dass im Rheinabschnitt zwischen Rheinfall und Eglisau rund 15 bis 20 Rotwangen-Schildkröten leben.

Am Osterwochenende hat Schaub bereits ein erstes Exemplar gesehen, noch ganz schmutzig. Frisch aus der Winterruhe. Bleibt es so warm, dauert es nicht mehr lange, bis weitere auftauchen.

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