Ein Anschlag in Schaffhausen: Ist die Bevölkerung darauf vorbereitet?

Ralph Denzel | 
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Schon kurz nach der Tat vom 24. Juli 2017 waren schwerbewaffnete Polizisten in der Stadt unterwegs. Bild: Selwyn Hoffmann

Der Kettensägen-Angriff 2017 war ein Ereignis, das sowohl Polizei wie auch Bevölkerung viel abverlangt hat. Die Polizei bereitet sich regelmässig auf sowas vor - Zivilisten auch?

Der 24. Juli 2017 ist ein Datum, das sich in das Schaffhauser Gedächtnis eingebrannt hat wie kaum ein anderes: An diesem Tag kam es zum Kettensägenangriff auf die CSS-Versicherung in der Schaffhauser Vorstadt. Mehre Personen wurden verletzt – in Schaffhausen herrschte Ausnahmezustand.

Am Anfang standen viele Fragen im Raum: Welchen Hintergrund hat diese Tat? War es ein Terroranschlag? Welche Gefahr besteht für die Bevölkerung? Nach dem Vorfall war der Polizei schnell klar, dass Franz W. noch bewaffnet war – allerdings dauerte es, bis man wusste, dass sich die Tat wohl nur gegen die CSS-Versicherung richtete. «Wir können keine Entwarnung geben. Ein Kontakt mit diesem Mann kann gefährlich sein. Deshalb raten wir auch, ihm auszuweichen und ihn nicht in die Enge zu treiben», sagte damals Ravi Landolt von der Sicherheitspolizei auf der Pressekonferenz, die am Nachmittag des 24. Juli stattfand.

Damals musste es sehr schnell gehen – auch, um die Bevölkerung zu schützen. Diese ist ebenso überrascht und schockiert von den Ereignissen in der Vorstadt wie die Polizei. «Plötzlich stand die Polizei da und erklärte uns – ohne viel Informationen – wir sollen die Türe verriegeln», sagte René Bättig, Inhaber von Rolf Meier Reisen damals gegenüber den SN. «Sie haben gebrüllt, es war wie im Spielfilm.» Sozial- und Sicherheitsreferent Simon Stocker war um 11 Uhr gerade auf dem Weg in sein Büro, in unmittelbarer Nähe der Vorstadt. «Ich habe die Absperrungen gesehen und mich dann beim Dienstleiter auf den neusten Stand bringen lassen. Es ist beunruhigend, dass so was hier in Schaffhausen passiert», sagte er damals.

Beunruhigend, beängstigend, wie im Film – das waren die Adjektive und Beschreibungen, mit denen damals die Bevölkerung die Situation in Schaffhausen bezeichnete. So etwas Unvorstellbares, worüber die Nachrichten normalerweise von weit weg berichten, geschah plötzlich vor der eigenen Haustür - mit all den gefährlichen und schwerwiegenden Konsequenzen für alle Beteiligten.

Auch wenn die Schaffhauser Polizei relativ bald einen Terroranschlag ausschliessen konnte: Die Verhaltensempfehlungen sind bei einem solchen Zwischenfall ähnlich. Bereits im vergangenen Jahr gab die Bundespolizei Tipps raus, wie sich die Bevölkerung im Falle eines solchen Ereignisses verhalten sollte. Im Zuge des Anschlags auf den Strassburger Weihnachtsmarkt wurden diese Regeln wieder brennend aktuell.

Das richtige Verhalten bei Terroranschlägen oder Gefahrensituationen

Das Verhalten der Bevölkerung am 24. Juli 2017 war aus Sicht der Schaffhauser Polizei vorbildlich, wie Katarina Carnevale von der Polizei erklärt. «Es kann gesagt werden, dass die Bevölkerung bei diesem Einsatz sehr besonnen reagiert und die Anweisungen der Einsatzkräfte befolgt hat.» Das erleichterte der Polizei die Arbeit massiv. Ob die Bevölkerung dabei auch intuitiv handelte, die Anweisungen der Polizei den Ausschlag gaben oder ob «sich das persönliche Verhalten in einer solchen Extremsituation durch die publizierten Verhaltensregeln markant änderte, können wir nicht beurteilen», so Carnevale.

Die Verhaltensregeln der Bundespolizei: Zuerst fliehen, dann verstecken, dann alarmieren. Eigenschutz geht immer vor.

Das richtige - oder auch falsche - Verhalten in einer solchen Situation ist dabei vor allem abhängig von den Umständen, wie die Sicherheitsexperten wissen. Bei einem solchen Grossereignis spielen viele Faktoren mit wie «die Örtlichkeit, die Anzahl Personen vor Ort oder wie schnell man überhaupt wahrnimmt, was gerade passiert.»

Vorallem bei mehreren Menschen kann dabei Ruhe helfen, damit keine Panik ausbricht. In einer akuten Gefahrensituation ruhig zu bleiben - das ist aber bestimmt nicht immer möglich.

Wie man selbst vorbeugen kann

Was man hierbei nicht vergessen darf: Auch Polizisten waren 2017 in einer Ausnahmesituation. Dies gilt auch für Grossschadensfälle wie Terroranschläge oder Gefahrenlagen. «Die betroffenen Einsatzkräfte sind  in derselben Ausnahmesituation und müssen die Lage vor Ort zuerst einschätzen», so Katarina Carnevale. Daher sei es wichtig, «dass die Bevölkerung den Anweisungen der Einsatzkräfte Folge leistet und Erkenntnisse an die Behörden weitergibt.»

Die vom Bundesamt für Polizei veröffentlichten Verhaltensweisen sollten aber auf jeden Fall die Grundlage für das persönliche Verhalten bieten. Die Polizei empfiehlt dringend, dass sich jeder über diese informiert und sie auch verinnerlicht. Katarina Carnevale rät zudem: «Der Bund bietet die App Alertswiss an, bei welcher die Bevölkerung über Grosslagen alarmiert und informiert wird. Es ist ratsam, dass jeder diese App auf sein Smartphone lädt.»

Beim Kettensägenangriff 2017 ging alles, den Umständen entsprechend, gut aus. Franz W. wurde gefasst und es gab «nur» eine schwerverletzte und mehrere leichtverletzte Opfer zu beklagen. Auch einsatztaktisch konnte die Polizei ein positives Fazit von dem Einsatz ziehen. Die Frage bleibt jedoch: Wie gut sind eigentlich Einsatzkräfte auf so eine Situation vorbereitet? Katarina Carnevale: «Die Schaffhauser Polizei trainiert in ihren Einsatztrainings die Thematik von ausserordentlichen Bedrohungslagen, damit jeder Polizist adäquat auf solche Situationen reagieren und die vereinheitlichten Vorgehensweisen im Ernstfall anwenden kann.»

Das bedeutet: Gleiche Verhaltensweisen und -regeln bei den verschiedenen Polizeikorps, damit auch die kantonsüberschreitende Zusammenarbeit funktioniert. Das war in Schaffhausen damals der Fall, denn im Sommer 2017 wurden auch Korps aus den Kantonen Thurgau und Zürich angefordert und leisteten den Schaffhauser Kollegen Amtshilfe. «Die Führungskräfte werden hierbei zusätzlich geschult, damit solch führungsintensive Grossereignisse, welche oftmals kantons- oder im Falle des Grenzkantons Schaffhausen länderübergreifend sind, bestmöglich abgearbeitet werden können.» Zudem sei die Schaffhauser Polizei präventiv tätig und unterstütze Organisatoren von grösseren Veranstaltungen bei der Ausarbeitung ihres Sicherheitskonzeptes.

Problem: Zivilisten

Der grosse, unbekannte Faktor bei allen Grossereignissen wie auch Gefahrensituationen wie Terroranschlägen ist dabei jedoch für die Einsatzkräfte oft die Zivilbevölkerung. Wie gut diese auf solche Ereignisse vorbereitet ist, muss wohl jeder für sich selbst beantworten. So gibt es keine verlässlichen Zahlen, wie oft etwa die App heruntergeladen wurde - und ebenso wenig darüber, wie viele Menschen das Sicherheitskonzept der Bundespolizei verinnerlicht haben.

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