«Winzeremos!» mit 2017er-Weinen

Ulrich Schweizer | 
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Markus Hallauer, der Betriebsleiter von Aagne-Familie Gysel in Hallau, freut sich am Tag der offenen Kellertüren im Sandwich zwischen seiner Schwester Irène Weber-Hallauer (links) und seiner Ehefrau Nadja über die zahlreichen Besucher. Bild: US

Zum 20. Mal öffneten am 1. Mai in der Deutschschweiz Winzer und Kellereien Tür und Tor. Über 220 Betriebe präsentierten ihre Weine aus dem Frostjahr 2017. Ein sehr rarer Jahrgang.

Seit gestern ziert eine grosse, schwere Edelstahltraube die Hof­einfahrt von Elsbeth und Erwin Leibacher in Hemishofen. Gefertigt hat sie der Zimmermann und Kunsthandwerker Daniel Brütsch aus Ramsen, der im letzten Herbst auch drei schöne, massive Eichenholztische für Lei­bachers Probierstube gemacht hat. Freude haben die Leibachers an ihrer pilzwiderstandsfähigen Sorte Muscaris, einer Kreuzung von Solaris und Gelbem Muskateller: «Nach dem mörderischen Frost vom April 2017 konnte sie mit ihren Nebenaugen so viel kompensieren, dass wir immerhin auf den halben Ertrag einer Normalernte kamen», erzählt Elsbeth Leibacher und schenkt zum Auftakt des Tages der offenen Weinkeller einen Probierschluck ihres blumigen Muscaris-Perlweins ein, der von WeinStamm in Thayngen vinifiziert wird. Leicht ist er mit seinen sieben Volumenprozent, Süsse und Säure sind gut ausgewogen. «Die Reben stehen direkt neben Einfamilienhäusern, da bin ich froh, dass ich sie nicht spritzen muss gegen Echten und Falschen Mehltau», sagt Erwin Leibacher. Unterdessen, es ist noch nicht einmal 11 Uhr, ist das erste Dutzend Gäste eingetroffen. Stolz sind die ­Leibachers auf ihren trinkreifen Blauburgunder 2013 aus der Lage Eselsbrünneli, der von Vinum mit 17 von 20 Punkten bewertet wurde und nach Schwarzen Johannisbeeren, ­Zedernholz und Trockenfleisch duftet.

Kellers Weine auf der Spargelfarm

Marlies Keller und ihr Partner Beat Schindler haben ihr WeinKeller-Degustierzelt auf dem Spargelhof von Beat Sätteli in Wilen bei Ramsen aufgeschlagen. «Die Temperatur ist besser als letztes Jahr», konstatiert Marlies Keller im Hinblick auf den mörderischen Frost vom 30. April 2017 und schenkt die neuen Weissweine ein. Der Heerenberger ­Pinot blanc 2017 duftet nach weissem Pfirsich, ist elegant, voll und lang und ergab immerhin 85 Prozent des Normalertrags. Der goldgelbe Heerenberger Pinot gris 2017 strotzt vor Fülle, Saft und Kraft. Der Müller-Thurgau Diessenhofer Bürgerwy 2017 brachte bloss den halben Ertrag, duftet nach weissen Blüten, schmeckt nach Gletscherzelti und wurde mit voller physiologischer Reife geerntet. Der rote Stadtwy Diessenhofen 2015 von 40-jährigen Blauburgunderreben wurde im Stahltank vinifiziert: granatrot, rotbeerig, sehr elegant, saftig, Fülle und Frucht, feine Tannine. Alle Weine werden von Paul Gasser in Ellikon gekeltert, aber der Sohn von Marlies und Fritz Keller ist im zweiten Jahr der Ausbildung in Changins – da wird sich wohl mit der Zeit etwas ändern.

Hallau: Vom Aagne zur Kellerei Rahm

Der Parkplatz vis-à-vis von Aagne-Familie Gysel ist am Nachmittag so voll, als ob in der benachbarten Chrischona-Kirche ein Gottesdienst stattfände. Und im Degustierraum herrscht ein derart munteres Gedränge, dass Irma Gysel kaum Platz hat für einen Begrüssungskuss. Die neuen Weissen sind überzeugend: Der Riesling-Silvaner 2017 duftet nach weissen Blüten, hat keinen biologischen Säure­abbau gemacht und ist darum so frisch und elegant. Der Sauvignon blanc 2017 ist in der Nase hellgrün wie frisch geschnittenes Gras, am Gaumen rassig und frisch, ganz im Loire-Stil. Hier muss man sich beeilen, denn die Ernte fiel sehr klein aus. Der Chardonnay 2017 ist ebenfalls sehr sorten­typisch – Zitrusduft, am Gaumen ein zarter Bitterton. «Wir bauen ihn bewusst nur im Stahltank aus, hölzige Chardonnays gibt es ja genug», bemerkt Betriebsleiter Markus Hallauer dazu.

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Weine in fünf Kellern wurden am 1. Mai, dem Tag der offenen Kellertüren in der Deutschschweiz und der Region ­Bodensee, von ­unserem ­Redaktor degustiert.

Vor der Kellerei Rahm begrüsst Peter Rahm, der eigens für den 1. Mai aus dem Bieler Exil in die Heimat zurückgekommen ist. Andrea Davaz, der die Weinkellerei Rahm Ende 2017 übernommen hat, ist gerade zum Lindenhof in Osterfingen aufgebrochen. Philipp Rüttimann, der neue Leiter Önologie, nimmt das Stichwort der offenen Weinkeller ganz wörtlich und leitet eine Führung durch die ganze Rimuss- und Weinkellerei Rahm. Anschaulich erklärt er, wie Wein gekeltert wird und worauf man bei der Produktion von alkoholfreiem Rimuss besonders achten muss. Der Troisblanc 2017, Peter Rahms Cuvée aus 60 Prozent Riesling-Silvaner, 30 Prozent weiss gekeltertem Blauburgunder und 10 Prozent Gewürztraminer, schmeckt sehr angenehm. Der Hallauer Pinot noir Magistral 2015 ist samtig und ­seidig, schmeckt aber etwas gar süss.

Weine aus Nack bei Lottstetten

Aus der Weinregion Bodensee machten insgesamt vier Betriebe beim Tag der offenen Kellertür mit. Zwei liegen im Fürstentum Liechtenstein und damit von Schaffhausen ausserhalb der Reichweite. Anders das Weingut von Berthold und Susanne Clauss in Nack. Der Nacker Blanc de noir 2017 hat helle Zwiebelschalenfarbe mit feurigen Reflexen, duftet nach Himbeeren, ist kräftig am Gaumen und wird Apérogebäck ebenso souverän begleiten wie ein Gulasch. «Das ist Cathrins Wein», bemerkt der Vater stolz. Nach ihrem Lehrjahr bei Stefan Gysel und Nadine Saxer in Neftenbach studiert die Tochter nun Weinbau und Öno­logie an der Hochschule in Geisenheim.

 

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