Jahrgang 2017 – eine feine, kleine Ernte



Die probierten Weine aus Stein am Rhein und Thayngen schmeckten ausgezeichnet. Sie haben nur einen Fehler: Es gibt viel zu wenig.
Rebjahr 2017 Wenig Wein wegen Frost im April und Sommerhagel
Die beiden Hauptfrostnächte vom 20. auf den 21. April und vom 28. auf den 29. April liessen in der ganzen Ostschweiz einen Grossteil der Hauptknospen erfrieren. Reben, die in der Nähe des Bodensees oder des Rheins stehen, konnten von der temperaturausgleichenden Wirkung einer grossen Wasserfläche profitieren und erlitten weniger grosse Schäden.
Nach diesen aussergewöhnlichen Frostnächten kam das Wachstum der Reben praktisch zum Stillstand, die meisten Rebberge sahen erbärmlich aus. Ab Mitte Mai sorgten dann sommerliche Temperaturen für ideale Wachstumsbedingungen, die Nebenaugen fingen zu treiben an. Die Traubenblüte setzte ab Mitte Juni gestaffelt ein. Die Witterungsbedingungen waren so gut, dass auch die Knospen der Nachfrostgeneration zur Blüte kamen. Ob diese Trauben bis zur Ernte auch ausreifen würden, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen – doch als Hoffnungsträger waren die Trauben aus den Nebenaugen für die Moral der Winzer wichtig.
Recht früh und rasch erfolgte der Farbumschlag von grünen zu blauen, beziehungsweise gelben Trauben, und bis zum Beginn der Lese reiften auch die meisten Trauben der zweiten Generation aus. Mehrere zum Teil sehr heftige Sommergewitter im Juli und August vernichteten aber in manchen Regionen wieder alles, was die Reben seit dem Frost im April aus den Nebenaugen kompensiert hatten. Die Weinlesekontrolle zeigte für Schaffhausen mit 75 bis 80 Prozent eines normalen Jahresertrags eine der kleinsten Ernten der letzten Jahre.
«Ich hatte mich erkundigt und Mitte April Frostkerzen bestellt», erzählt Andreas Florin. Er steht zwischen seinen Barriques, die er nicht im Keller, sondern auf dem ungeheizten Dachboden lagert, damit seine Weine langsam reifen. «Am Karfreitag wurde klar, dass der Frost kommen wird – doch die Kerzen, die ich bestellt hatte, waren unterdessen schon weg.» Zum Glück hatte die Landi noch eine zweite Lastwagenladung geordert, und so kam Florin doch noch zu seinem Palett mit 180 Kerzen. «Am Mittwoch Abend wurden sie geliefert, wir brachten die Hälfte sofort in die Reben zum Chardonnay, zum Pinot gris und zum Rheinriesling und zündeten sie mit dem Gasbrenner an, als sich am Boden Reif bildete. Am Donnerstag Morgen um sechs Uhr zeigte das Thermometer minus drei Grad an.» Dank der Kerzen hatten die beheizten Reben einen Vegetationsvorsprung, und wäre nicht der Hagelsturm in der Nacht vom 1. auf den 2. August gekommen, hätte es bei diesen Spezialitäten gar keinen Ertragsverlust gegeben.
Saubere Fass- und Tankproben
Von Florins klassischem, barriquevergorenem Chardonnay wird es also auch dieses Jahr rund 1200 Flaschen geben, der Jungwein aus den ersten drei Barriques duftet nach Zitrone und Hefebrötchen, schmeckt sehr sauber und schliesst mit der sortentypischen zarten Bitternote. In der vierten Barrique reift der Wein aus den vom Hagel getroffenen Trauben, die früher gelesen werden mussten; er wird der Gesamtkomposition eine weichere Note geben. Auch der Pinot gris ist reintönig, man ahnt nicht, wie viel Mühe das Aussöndern der kompakten Trauben bei der Lese bereitete. Florins Rheinriesling schmeckt frisch, ist schon fast glanzklar, hat eine kräftige Säure, die von einer feinen Restsüsse ausgeglichen wird. «Dieser Wein blieb in der Gärung spontan stehen», kommentiert Florin. Von seinem zitrusduftigen, sauberem Riesling-Silvaner gibt es nur die Hälfte einer Normalernte – hier hat der Hagel zugeschlagen. Florins hellrosa Schiller aus gleichzeitig gelesenen Riesling-Silvaner- und Blauburgundertrauben riecht noch leicht nach Gäraromen und schmeckt saftig. Florins Blauburgunder duftet nach Pflaume, Zimt und neuem Leder, sein «Blaurock» aus angetrockneten Blauburgundertrauben im Amarone-Stil leuchtet intensiv purpurrot, duftet nach frischen Tannennadeln und Waldboden und hat eine lebendige Säure.
Drei Weisse, drei Rote von Stamm
«Unsere Frostversicherung sind die Frostruten, die wir stehen lassen, seitdem wir 1995 in Thayngen eine Frostnacht hatten», bemerkt Thomas Stamm zum Thema Frost. Gehagelt habe es hier schon am 8. Juli, und über alle Sorten habe man einen Verlust von 40 Prozent zu tragen. «Das gute Wetter nach dem Frost, aber auch nach den Hagelschäden hat zu einer kleinen, aber erfreulichen Ernte geführt», ergänzt sein Sohn Markus, seit dem Herbst 2015 Kellermeister bei WeinStamm. Er hat aus dem Jahr 2017 drei weisse und drei rote Proben ausgewählt. Gekeltert wurden alle Weine noch an der Aeckerlistrasse, nicht in der neuen Kellerei: «Der Herbst kam ja sehr früh, und hier oben waren wir noch mit allem eingerichtet», kommentiert Markus Stamm. «Alles, was in Flaschen gefüllt ist, zügeln wir sukzessive in die neue Kellerei.» Der sehr helle, pepitafarbene Federweisse überrascht mit einem intensiven Limettenaroma und schmeckt knackig frisch. «Ich will ihn praktisch ganz weiss, damit er auch von Anfang an als Weisswein angesehen wird, nicht als Rosé», erklärt Markus Stamm. Der Thaynger Riesling-Silvaner ist schon beinahe ganz klar, zeigt Aromen von Bergamotte, Bonbon anglais und kandierter Orange sowie eine schöne Säure. Der Sauvignon blanc ist schlank und trocken im Stil, mit Aromen von weissem Pfeffer, Brennnesselblättern und saftiger Säure.
Der Thaynger Blauburgunder, eine Spätlese vom 12. Oktober aus der Lage Giger von Klonen der Rebschule Auer, ist rubinrot, fast klar, mit Hefe- und Nussaromen, saftig und sehr sauber, mit feiner Struktur. Der Siblinger Blauburgunder vom Wädenswiler Klon 2/45 aus der Eisenhalde blieb vom Hagel verschont. Er wurde am 4. Oktober geerntet, zeigt ein helleres Rubinrot, ist fruchtig und füllig. Der purpurfarbene Thaynger Merlot von jungen Reben – in der Nase frische Apfelschale, am Gaumen markante Säure – wird als Cuvée kommen, aber erst im Herbst 2019. Denn Stamm setzt auf Flaschenreife.