Ein Geben und Nehmen auf beiden Seiten

Maria Gerhard | 
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Der 17-jährige Din Mohammad Wafadar hat seine Leidenschaft fürs Malen entdeckt. Bild: Selwyn Hoffmann

Sie lernen schneller die Sprache, und auch von der Kultur bekommen sie mehr mit: Es hat zahlreiche Vorteile, wenn junge Flüchtlinge, die fast erwachsen sind, bei Privatpersonen leben. Die Integrationsfachstelle der Region Schaffhausen sucht nach Gastfamilien.

Wenn man so jung ist wie Din Mohammad Wafadar, können sich Berufswünsche schnell einmal ändern: Früher wollte der 17-Jährige unbedingt Mechaniker werden, heute ist er ganz angetan vom Wändestreichen. Seit er in den Sommerferien mit seinen Mitbewohnern in der Unterkunft für unbegleitete minderjährige Asylbewerber (Uma) an der Krebsbachstrasse in Schaffhausen die Wände übertüncht hat, will er eine Ausbildung zum Maler machen. Und Wafadar ist kreativ: Während die anderen alle die Umrisse ihres jeweiligen Heimatlands auf die frische Farbe gepinselt haben, hat er einen Baum mit kräftigen Wurzeln und eine Blume mit feuerroten Blütenblättern gemalt. Doch bevor er mit einer entsprechenden Lehre beginnen kann, muss er noch ein wenig lernen. Derzeit besucht der junge Mann die Schule des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks und lernt vor allem Deutsch. Um öfters sprechen zu können und sich mit der hiesigen Lebensweise auseinanderzusetzen, würde er gerne bei einer Gastfamilie leben. «Mit Kindern, das wäre schön», sagt Wafadar leise. Er wirkt noch etwas schüchtern, doch seine braunen Augen strahlen Wärme aus. Vor eineinhalb Jahren ist er in die Schweiz gekommen. Er ist aus Afghanistan geflohen.

Bereitschaft und Offenheit

Wie Wafadar suchen derzeit vier weitere junge Flüchtlinge nach Privatpersonen, die sie für mindestens sechs Monate aufnehmen, das gehört zu den Rahmenbedingungen des Programms. «Wenn die unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber erwachsen werden, müssen sie mit der Zeit aus den Uma-Unterkünften ausziehen und Platz machen. Ein Platz in einer Gastfamilie wäre ideal», sagt Fabienne Erne vom Kantonalen Sozialamt. Sie ist für die Koordination der Gastfamilien und der Freiwilligen zuständig. Wer sich dafür entscheidet, jemanden aufzunehmen, muss neben passendem Wohnraum auch die Bereitschaft und Offenheit mitbringen, sich mit seinen Gästen auseinanderzusetzen und sie falls nötig zu begleiten. Die Gastfamilien bekommen zudem einen Mietkostenanteil von 250 Franken bei Einzelpersonen und für ein Paar 400 Franken. Tatsächlich läuft es bisher gut: Für ein Feed­back wurde vor Kurzem ein Frage­bogen an alle Gastfamilien verschickt. «Die Resümees fielen grundsätzlich positiv aus», sagt Erne. Sie hofft, dass sich im Laufe der Zeit noch mehr Familien melden.

Nicht bereut hat ihre Entscheidung Karin Voss aus Stetten. Die 57-Jährige lebt allein in ihrem Haus, die beiden Töchter sind zum Studieren ausgezogen. Ihre Kinderzimmer standen leer, und so hat sich Voss dafür entschieden, eine junge Eritreerin mit ihrem Baby aufzunehmen. «Es ist sehr bereichernd», sagt sie, «man lernt viel, auch über die Kultur der Menschen.» Seit vier Monaten beherbergt nun die Schulleiterin die junge Frau. Noch sind die drei in der Phase des Kennenlernens. Voss ist zuversichtlich: «Das wird schon.»

«Man muss lernen, etwas Distanz zu halten. Sie sind nicht meine Kinder.»

Karin Voss, hat junge Flüchtlinge , bei sich aufgenommen.

In ihrem Wohnzimmer steht ein Laufgitter. Das hat sie für daFs Baby besorgt. Und auch um Spielsachen hat sie sich bemüht. Ansonsten sei die junge Eritreerin sehr eigenständig. «Sie geht einkaufen und kocht oder macht die Wäsche für sich und ihr Kind», sagt Voss. Es sei ein wenig wie in einer WG. Jeder habe seinen eigenen Bereich und seine Freiheit. «Klar, kocht man mal zusammen oder macht Ausflüge», sagt sie. Oder man arbeitet gemeinsam im Garten. Aber generell sei es wichtig, dass man den jungen Menschen ihren Raum liesse. «Man muss lernen, etwas Distanz zu halten», sagt sie, «das sind schliesslich nicht meine Kinder.» Und natürlich brauche man auch selber Privatsphäre.

Der Kontakt bleibt bestehen

Voss hat schon Erfahrung. Vor der Frau mit ihrem Baby hat sie acht Monate lang ein junges Paar bei sich wohnen lassen, das aus Afghanistan kam. Anfangs konnten sie kaum Deutsch sprechen. Nach acht Monaten war eine Unterhaltung möglich. «In der Zeit, in der sie bei mir waren, hat die Frau ein Baby zur Welt gebracht.» Dabei konnte Voss ihr mit Rat und Tat beiseitestehen. Sie war sogar bei der Geburt dabei. Das sei ein schönes Erlebnis gewesen. Weniger angenehm war dafür das Ringen um eine Aufenthaltsbewilligung für die Frau und ihren Mann. Wegen des Dublin-Verfahrens wurde die Familie schliesslich zurück nach Deutschland überwiesen. Das junge Paar lebt jetzt in einer Asylunterkunft in Aschaffenburg in Deutschland. Doch sie halten regelmässig Kontakt.

All das gemeinsam Erlebte schweisst zusammen. Wenn Voss nicht mit ihnen skypt, besucht sie einfach die kleine Familie in Deutschland, wie auch an diesem Wochenende.

 

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