Dringend gesucht: Selbstbewusste Frauen auf Rollschuhen

Schaffhauser Nachrichten | 
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Beim Rollerderby treten Frauen auf Rollschuhen mit Schminke und Kampfnamen gegeneinander an. Die Schaffhauserin Tanja Zingg will ein Team in der Region aufbauen.

Sie schubsen und sie drängeln, Stürze sind eher die Regel als die Ausnahme; Mundschutz, Helm und Schoner sind Pflicht. Ein paar Minuten Youtube-­Video, und es ist klar: Rollerderby, ein Vollkontaktsport, ist nichts für Weicheier. Eine Spielerin bringt es an der Welt­meisterschaft, die kürzlich im britischen ­Manchester stattfand, auf den Punkt: «Wenn du keine Muskeln hast, machen sie dich fertig.»

Ganz so schlimm sei es hoffentlich nicht, sagt Tanja Zingg. «Rollerderby sieht brutal aus, aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen.» Die Schaffhauserin will in der Region ein Team aufstellen und hat gemerkt: «Viele Frauen haben Respekt vor dieser Sportart.» Dabei brauche es keine Vorkenntnisse: «Man muss nicht mal Rollschuh fahren können.» Morgen Freitag ­organisiert Zingg mit dem Rad- und Roll­sportverein Gottmadingen ein Probetraining. Mitmachen kann jede.

70-seitiges Regelwerk

Die Grundregeln von Rollerderby sind rasch erklärt: Zwei Teams à jeweils fünf Personen spielen in einer Art Rennen auf einem Rundkurs gegeneinander, ein Spiel dauert zweimal 30 Minuten. Jedes Team hat einen Jammer, ausgesprochen Dschämmer, der versucht, durch das Umrunden des gegnerischen Teams Punkte zu sammeln. Das sollen die Blocker ver­hindern. Komplizierter wird’s, wenn man sich ernsthaft mit dem Spielverlauf beschäftigt: Das Regelwerk umfasst 70 Seiten. «Ich kann es nicht auswendig», sagt Zingg und lacht.

Die 35-Jährige ist Anfängerin. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes suchte sie eine Sportart, um wieder fit zu werden. Doch das Angebot in Schaffhausen war ihr zu langweilig. Dann sah sie «Roller Girl». In dem Film wird ein schüchternes Mauerblümchen zum Rollerderby-Star. «Danach war ich total angefressen.» Der Sport lebt von der Identifikation der Spielerinnen mit dem Team. Jedes hat ein Logo, viele Spielerinnen schminken oder verkleiden sich für die Turniere, jede Spielerin hat einen Kampfnamen: «Das finde ich toll.» Nach einem Probetraining in Zürich wuchs ihre Begeisterung. «Aber Zürich ist zu weit weg, um regelmässig zu trainieren.» Also wandte sie sich an den RRV Gottmadingen – und der ist sehr angetan von Zinggs Idee (siehe Box).

Rollerderby wird mehrheitlich von Frauen gespielt, Männerteams gibt es kaum. An der Weltmeisterschaft in Manchester hatten die Männer eine besondere Rolle: Sie traten als Cheerleader auf, eingezwängt in hautenge orangefarbene Kostüme.

Spezielle Cheerleader an der Rollerderby-Weltmeisterschaft in Manchester: 

Seinen Ursprung hat der Sport in den USA, wo die Fangemeinde gross ist. Die Turniere finden vor Tausenden von Zuschauern statt. Davon ist man in der Schweiz noch weit entfernt. Doch die Bekanntheit wächst. Mittlerweile gibt es in grösseren Städten Teams. Die Bernerinnen nennen sich Bonebreakers, die Luzernerinnen Hellveticats und die Zürcherinnen, vergleichsweise harmlos, Rollergirlz. 2009 gegründet, ist es der älteste Schweizer Rollerderby-Verein und hat zwei Teams.

Ein Best of des speziellen Sportes.

Auf der Homepage polieren die Zürcher Spielerinnen ihr Image von den wilden Frauen. Einhorny hat sich auf dem Porträtbild ein Horn auf der Stirn verpasst, Bloody Cherry ballt mit bösem Blick die Faust, und Yalla Pena beisst in ein Fläschchen Tabasco. «Rollerderby ist etwas für selbst­bewusste Frauen, aber auch ein gutes ­Anti-Schüchternheits-Training», sagt Anna Schmidhalter als Anabanana, die seit einigen Jahren Mitglied bei den Rollergirlz ist und an der Weltmeisterschaft teilnahm. «Rollerderby sieht brutal und unkontrolliert aus, aber das ist es nicht», sagt Schmidhalter. «Angst vor blauen Flecken muss man nicht haben.» Die Roller­girlz zählen rund 50 Mitglieder, das Interesse am Verein ist gross. Es komme aber immer wieder vor, dass Frauen nach dem Grundkurs nicht mehr weitermachten: «Wir ­haben keinen Verband hinter uns und organisieren alles selber. Nicht jeder ist bereit, so viel Zeit in ein Hobby zu inves­tieren.»

Der Name steht schon fest

In Schaffhausen steht Zingg noch ganz am Anfang. Noch gibt es kein Team, es braucht einen Trainer – und wenn die Spielerinnen an Turnieren teilnehmen wollen, müssen sie einen sogenannten Minimum-Skills-Test bestehen. Turniere stünden aber nicht im Vordergrund, sagt Zingg: «Es geht darum, Spass zu haben.» Vorerst sind wöchentliche Trainings geplant. Grosse finanzielle Investitionen müssten die Spielerinnen nicht machen. «Eine Grundausrüstung bekommt man ab etwa 250 Franken.» Dazu kommt der Beitrag für die Mitgliedschaft im RRV Gottmadingen. Nun hofft sie auf Mitstreiterinnen. ­Ihr Alter Ego darf sie erst verwenden, wenn sie den Grundkurs hinter sich hat. Der Japan-Fan hat aber schon eine Idee: Yokai Tai. «Ein Yokai ist ein japanischer Geist oder Dämon, und Tai ist mein Spitzname aus der Fan­tasy-Szene.»

Das Schnuppertraining findet morgen Freitag um 20 Uhr in der Eichendorff-Halle in Gottmadingen statt. Mehr Infos per E-Mail an tai.zingg@gmail.com

 

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