Gnade und ein Zeichen vom Himmel

Der allerletzte Abend zeigte, dass sich Schweizer Bands im internationalen Vergleich nicht verstecken müssen und der Nachwuchs nicht schläft.
Rekordpublikum mit nur wenig Durst
Zur Bilanz des diesjährigen Musikfestivals «Stars in Town», das am Samstag zu Ende ging, befragten wir Mediensprecher Urs Peter Naef. Er windet dem Publikum, den Bands und den Helferinnen und Helfern ein Kränzchen.
Herr Naef, was ziehen Sie für eine Bilanz des «Stars in Town» 2017?
Urs Peter Naef: Es ergibt sich eine zwiespältige Bilanz: einerseits ein tolles Festival mit Rekordpublikum, anderseits bleiben wir beim Essen und Trinken hinter dem Budget zurück.
Rekordpublikum?
Zum ersten Mal haben wir die 30 000er-Grenze auf dem Herrenacker geknackt. Bei dieser Zahl ist der Fronwagplatz nicht dabei. Dort waren wohl noch einmal rund 10 000 Besucher. Aber wegen des nasskalten Wetters haben die Leute weniger konsumiert, sodass wir im Food-and-Beverage-Bereich ein Defizit im sechsstelligen Bereich eingefahren haben. Das ist unangenehm. Denn aus diesem Bereich konnten wir in den letzten Jahren Reserven und Rückstellungen bilden, um unsere Risiken zu decken. Das wird dieses Jahr kaum möglich sein. Die Gäste wissen, dass man am «Stars in Town» den Vorverkauf benutzen muss, wenn man ein Ticket auf sicher haben will, und so hatten wir drei ausgebuchte Abende, nämlich den Dienstag, den Mittwoch und den Freitag. An der Abendkasse allerdings lief wegen des nasskalten Wetters nichts.
Kam es zu Unfällen oder anderen ernsten Vorkommnissen?
Nein. Dank der kühlen Witterung gab es keine dehydrierten Personen, und es wurde auch nicht übermässig viel Alkohol konsumiert.
Was ist Ihr persönlicher Höhepunkt?
Das ist die Begeisterung der Leute, die Begeisterung der 500 Helferinnen und Helfer, die mit Freude, Liebe und Gastfreundschaft bei der Sache sind. Und dann natürlich Bryan Adams. Wie der bei strömendem Regen den Platz gerockt hat, das ist unvergesslich.
Es gab Kritik an der Verständlichkeit der Texte von Züri West und Silbermond. Was sagen Sie dazu?
Der Herrenacker ist, weil er auf drei Seiten geschlossen ist, extrem schwer zu beschallen. Man hört oft auch, die Musik sei zu basslastig oder zu laut. Das kommt immer auch auf den Ort an, wo man gerade steht.
Was wird im nächsten Jahr anders, und wer kommt nach Schaffhausen?
Stillstand ist Rückschritt. Wir werden analysieren, was zu verbessern ist. Die Acts für den Eröffnungs- und den Schlussabend nächstes Jahren haben wir bereits gebucht. Das Festival wird vom 7. bis zum 11. August 2018 stattfinden, und der Vorverkauf beginnt am kommenden Mittwoch.
von Lia Pescatore
- Petrus liess an diesem Abend Gnade walten. Regenjacken konnten getrost zu Hause gelassen werden. Schon fast übermütig schleckten einige Leute bei immer noch frostigen 19 Grad an ihrer Glace, die wagemutigsten sogar noch im kurzärmeligen T-Shirt.
- Den Start machten die Gewinner des «Kammgarnstars»-Wettbewerbs, The Rising Lights. In der Traube aus treuen Fans, die sich nahe an der Bühne versammelt hatten, konnte man achtmal das Bandlogo, gedruckt auf T-Shirts und Jacken, entdecken. Bei den anderen Konzerten suchte man eine solche Konzentration an Fanshirts vergeblich.
- Einen Gänsehautmoment gab es bei der Nummer City of Gold von Seven. Im Song verarbeitet er den Verlust eines Freundes durch Suizid. Kaum stimmte Seven den Refrain an, sickerten erste Sonnenstrahlen über die vis-à-vis der Bühne gelegenen Hauszinnen herab, als wär’s ein Zeichen vom Himmel.
- Die Animation des Publikums ist eine Kunst für sich. Seven forderte zum Beispiel das Publikum auf, in die Knie zu gehen. Ein cleverer Schachzug, wenn man möglichst viele Menschen zum Mitmachen bewegen will. Denn wenn die ganze Schar am Boden kauert, ist nicht der ausgestellt, der mitmacht, sondern der, der sich ziert – so zwingt man auch den letzten Verweigerer wortwörtlich in die Knie.
- Für Pegasus war das Konzert ein Heimspiel. Oder wie es der Moderator Alex Blunschi ausdrückt: «Pegasus sind keine Bieler, die sind eigentlich Schaffhauser.» Die Leute stimmten schon von selbst ab dem ersten Song mit ein. Die Band scheute den direkten Kontakt mit dem Publikum nicht und wagte einen Abstecher durch die Menge auf die kleine Bühne in der Mitte des Geländes. Dies sorgte vor allem beim jüngeren, weiblichen Publikum für einige aufgeregte Kreischer.
- Der Bühnenwechsel war für die Technik eine Herausforderung. So brauchte der Ton ein wenig länger als der Sänger Noah Veraguth selber, um zurück auf die Hauptbühne zu gelangen – die ersten Gitarrenakkorde konnte man nur an der Handbewegung erahnen.
- In Sachen Outfits war Emeli Sandé klar die Mutigste. Während sich andere Musiker in Schwarz-Weiss oder gedeckte Farben gekleidet hatten, trug sie einen bunten Pulli mit dem Aufdruck eines felligen Wesens, das man auch bei genauem Hinsehen nicht eindeutig einordnen konnte. Ihre Songs präsentierte sie mit starker Stimme und viel Gestik, allerdings erinnerte der Auftritt manchmal an eine Predigt.
- Die auf die Bildschirme übertragenen Kameraaufnahmen zeigten die Künstler hautnah. So kam es, dass Emeli Sandé in «Clown» sang: «I put make-up on my face, but there’s no way you can feel it from so far away», während die Zuschauer beste Sicht auf ihren verschmierten Lippenstift hatten.
- Auf den allerletzten Song des Abends, «Next to me», folgte ein fulminantes Feuerwerk, das kurz vor Mitternacht den Schlusspunkt des Festivals besiegelte.