Genosse Schwein prügelt zur Revolution

Maria Gerhard | 
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Das Sommertheater bringt George Orwells «Farm der Tiere» zur Aufführung und verwandelt dazu die alte Sternwarte in einen Bauernhof. Eine gelungene Première eines Stoffs, der zum Nachdenken anregt.

Bauer Jones säuft den ganzen Tag, und wenn er gerade kein Bier kippt, dann schläft er auf dem Sofa im Bauernhaus seinen Rausch aus. An seine Tiere denkt er dabei herzlich wenig, die müssen die meiste Zeit Hunger leiden. Und während sich über Schaffhausen und der alten Sternwarte an der Steig – die mit ihrem Wellblechdach an einen Hof mitten in den US-Südstaaten erinnert – am Donnerstagabend langsam der Abend neigt, planen Kuh, Esel, Schafe, Hühner und Schweine die Revolution. «Der Grund für unser Elend, lässt sich in einem Wort zusammenfassen – Mensch», brüllt Old Major (Ion Karagounis), ein altes Schwein mit marxschen Pathos und roten Hosenträgern, über die versammelten Tiere hinweg. «Die Rebellion, das ist meine Botschaft, kämpft Kameradinnen und Kameraden!», stachelt er sie an. Das ist der Moment in dem sich in den Köpfen der Tiere eine Vision breit macht: Freiheit, ganz ohne Nasenring, ohne Geschirr, ohne Knute und Joch.

«Der Grund für unser Elend, lässt sich in einem Wort zusammenfassen – Mensch»

Old Major, Schwein auf dem Hof

Als Old Major wenig später stirbt, wird er schnell ersetzt durch Ober-Schwein Napoleon (Heinz Rether). Die Idee der Revolution bleibt jedoch zurück und sorgt für einen turbulenten, anregenden Abend.

Barfuss bei kalten Temperaturen

Es sind grosse politische Themen mit denen sich Georg Orwells Parabel «Farm der Tiere» (1945) auseinandersetzt und denen sich das Schaffhauser Sommertheater in seiner jüngsten Produktion angenommen hat. Als Erzähltheater in Mundart inszeniert, wird der traurige Verlauf einer Revolution beschrieben. Bald nachdem die Tiere Bauer Jones vom Hof vertrieben haben, übernehmen die Schweine die Herrschaft. Mittels Propaganda und Terror zerstören sie nach und nach alle Errungenschaften und stellen das alte System der Knechtschaft wieder her. Basierend auf der Regel des «Sauensonderkomitees»: «Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.»

Zwei Gürtel als Zuggeschirr

Das Bühnenbild und die Kostüme wurden bei der Inszenierung minimalistisch gehalten: Ein paar rote Socken deuten Hühnerbeine an, Luftpolsterfolie dient als Schafswolle und zwei Gürtel als Zuggeschirr. Mehr braucht es auch nicht, wenn die Schauspieler, wie hier der Fall, regelrecht in ihre Rollen eintauchen. Zur Assoziation reicht dann auch schon ein gelegentliches Zucken, ein Grunzen, ein Scharren mit dem Fuss. Eine tolle Leistung, und das, obwohl fast alle barfuss spielten, was bei den kalten Temperaturen – vor der Vorstellung hat es noch geregnet – bestimmt nicht ganz leicht war.

Dramaturgisch wunderbar eingesetzt wurde auch die Musik. So erhebt sich am Abend der Revolution – begleitet unter anderem von Querflöten, Kontrabass, Akkordeon und Tischharmonium – der Chor der Tiere, um das Lied auf die Freiheit zu singen: «Einmal kommt sie gliich die goldene Zeit...» Dabei wechselte ein Teil der Schauspieler immer wieder zwischen ihren Instrumenten und ihrer Darstellung auf der Bühne.

Einzig das Ende des Stücks, kommt etwas gar zu unklar daher. Die Tiere rotten sich auf dem Hof zusammen, Schwein Napoleon quiekt im Bett des Bauern ein paar Mal laut auf und das Licht geht aus. An dieser Stelle hätte man sich etwas mehr, sagen wir, «Zuspitzung» gewünscht. Und so kann man das Ende nur erahnen: Die Genossen Schweine werden gestürzt.

 

 

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