Er malt Kunstwerke an den Nachthimmel

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Sigi Vogel zündet erstmals auch an Silvester ein Feuerwerk am Rheinfall. Bild: Selwyn Hoffmann

Sigi Vogel feuert seit fast 50 Jahren Raketen vom Rheinfallbecken in den Himmel, in diesem Jahr erstmals auch an Silvester. Feuerwerk, das ist für ihn Ausdruck von Lebensfreude.

Als Sigi Vogel als 18-Jähriger erstmals beim Feuerwerk am Rheinfall mithalf, galt Zigarrenpflicht. Alle Feuerwerker hatten eine im Mundwinkel. Nicht etwa zur Feier des Anlasses, sondern aus rein praktischen Gründen: Mit den Zigarren wurden damals die Zündschnüre zum Brennen gebracht.

Ebenfalls notwendig waren Ende der 1960er Funkgeräte und Taschenlampen: Per Funk wurde den Feuerwerkern an den verschiedenen Standorten auf Zürcher und Schaffhauser Seite das Signal zum Abfeuern gegeben. Mit der Taschenlampe wurde jenen, die auf dem Rheinfallfelsen stationiert waren, das Abschusssignal gegeben. Vogel lacht, als er vom – aus heutiger Sicht – komplizierten Prozedere erzählt. Das Ergebnis sei dennoch immer schön gewesen. «Auch wenn der Ablauf damals natürlich nicht so harmonisch war wie heute, wo man zeitlich alles wunderbar abstimmen kann.» Heute wird Feuerwerk per Computer programmiert. So auch das Silvesterfeuerwerk, das in diesem Jahr erstmals am Rheinfall stattfindet und für das die Verantwortlichen der Gastronomiebetriebe Schlössli Wörth, Restaurant Park und Schloss Laufen Sigi Vogel engagiert haben. Vogel findet es gut, dass es nun auch ein Silvesterfeuerwerk gibt, auch wenn dieses eine Nummer kleiner ausfällt als jenes zum Bundesfeiertag. «Es ist trotzdem sicher interessanter als das, was die Leute zu Hause ablassen.» Gezündet wird dieses etwa um 00.15 Uhr.

Früher ging’s auch ohne Bewilligung

Das Feuerwerken hat sich Vogel nach dem Prinzip Learning by Doing angeeignet. Sigi Vogel arbeitete einst bei der SIG als Elektriker. Sein Chef Fritz Studer war für die Rheinfallbeleuchtung zuständig und fragte ihn an, ob er mithelfen wollte. «Irgendwann hat er dann gesagt: ‹Du machst das so gut, jetzt kannst du es allein.›» Finanziert wurde das Feuerwerk damals noch vom Verkehrs- und Verschönerungsverein Neuhausen am Rheinfall (VVN) über Eintrittsgelder. Vogel trat dem Verein bald bei, seit 2002 ist er dessen Präsident. Heute kommen die Kantone Schaffhausen und Zürich, die Gemeinnützige Stiftung SIG und die Gemeinde Neuhausen sowie diverse Sponsoren dafür auf. Vogel erinnert sich, dass in den Sommermonaten früher mehr als nur das Feuerwerk zum Bundesfeiertag gezündet wurde. Ende der 1970er etwa habe eine Möbelmesse mit über 1000 geladenen Gästen am Rheinfall stattgefunden – inklusive eines riesigen Feuerwerks. Auch anlässlich von Hochzeiten und Geburtstagen wurden Raketen am Rheinfall abgeschossen. Eine Bewilligung habe man seinerzeit nicht beantragen müssen. «Das waren damals sehr kurze Wege», so Vogel, «ich habe einfach den zuständigen Polizisten angerufen und gesagt: ‹Hör zu, dann und dann schiesse ich.› Und er antwortete: ‹Ist in Ordnung.›»

Mit 63 Prüfung zum Feuerwerker

«Inzwischen ist alles wesentlich strenger und regulierter geworden», sagt Vogel. Bewilligungen zu erhalten, sei praktisch unmöglich, mit Ausnahme des 31. Juli und des 1. August sowie zu Silvester. Und auch die Sicherheitsvorkehrungen beim Abschuss haben sich stetig verschärft. Ab 2016 etwa musste am Rheinfall von Gesetzes wegen der Sicherheitsabstand der Zuschauer zum Feuerwerk vergrössert werden. Dies hat zur Folge, dass die zigtausend Zuschauer am Rheinfallbecken näher zusammenrücken mussten. Seit einigen Jahren müssen professionelle Feuerwerker zudem eine Prüfung absolvieren. Auch Vogel hat diese 2013 erstmals abgelegt – dies, nachdem er schon über 40 Jahre Erfahrung gesammelt und Dutzende Feuerwerke durchgeführt hatte. Früher habe man sich bei den Lieferanten über die neusten Feuerwerkskörper und Gesetzesänderungen informiert, sagt Vogel. Der 68-Jährige hält ausreichende ­Sicherheitsvorkehrungen für wichtig, macht aber auch keinen Hehl daraus, dass die ­gesetzlichen Vorschriften ihm teilweise zu weit gehen.

«Alles war schon aufgebaut, als plötzlich ein Blitz einschlug und das Feuerwerk auslöste.»

«Ich habe generell auch weniger Angst um die professionell durchgeführten Feuerwerke, sondern eher um die privaten», sagt Vogel. Etwa wenn in Menschenmengen oder im Garten, nur wenige Meter vom Nachbarn entfernt, mit Feuerwerkskörpern hantiert wird. «Auch ein kleiner Vulkan, den man überall kaufen kann, ist bis zu 1400 Grad heiss.» Er selbst habe sich in all den Jahren keine Verbrennungen zugezogen oder nennenswerte Unfälle erlebt. Schiefgelaufen ist das Zünden einmal während eines starken Gewitters: In den 1980er-Jahren habe es beim Schloss Laufen noch einen Standort für den Abschuss des Feuerwerks gegeben. «Alles war schon aufgebaut, als ein Blitz einschlug und das Feuerwerk auslöste.» So wurde das Feuerwerk beim Schloss Laufen schon am Nachmittag verschossen. Beim Lieferanten in Neudorf LU musste rasch Ersatzfeuerwerk besorgt werden. «Als das Feuerwerk begann, waren die Leute noch am Aufbauen», lacht Vogel. «Aber mehr oder weniger hat es geklappt.»

Anders als beim privaten Feuerwerk zu Hause zündet Vogel nicht eine Rakete oder einen Vulkan nach dem anderen, sondern kombiniert mehrere Feuerwerkskörper zu sogenannten Bildern. Dabei orientiert er sich an Bildern, die im Vorjahr gut beim Publikum ankamen – Indikator ist der Beifall. «Zudem schaue ich mir auch immer wieder Feuerwerk an, ich werde auch oft eingeladen.» Jedes Feuerwerk habe seinen Reiz, aber zwei der schönsten sind für Vogel das Sonnenwendfeuer in Oensingen, das nur alle drei Jahre stattfindet, und die eigene Rheinfallbeleuchtung. Dies auch aufgrund der Kulissen. «Wenn man eine Kulisse hat, kann man mit der Höhe spielen», sagt Vogel. Im Grunde sei es beim Feuerwerk wie bei einer Symphonie, die ebenfalls von Wechseln lebe – beim Tempo und bei der Intensität.

Zuschauer rufen an und gratulieren

Gewisse Bilder erwarten die Zuschauer auch beim Rheinfallfeuerwerk. Als Vogel nach dem Auftaktknall plötzlich ein Herz statt eines Smileys schoss, wunderten sich manche regelmässigen Zuschauer. Es komme schon vor, dass er E-Mails oder Anrufe nach dem Feuerwerk erhalte, sagt Vogel. In den meisten Fällen seien die Rückmeldungen positiv. Vogel weiss sogar von Besuchern, die ihre Ferien nach dem Feuerwerk richten.

«Ich habe generell weniger Angst um die professionell durchgeführten Feuerwerke, sondern eher um die privaten.»

Kritik an Feuerwerk allgemein – etwa dass dieses teuer sei oder Tiere störe – hört Vogel nicht gerne. «Rebbauern im Klettgau knallen den ganzen Herbst in die Luft, um Vögel von den Reben fernzuhalten.» Da sorge sich keiner um den Tierschutz.

Feuerwerk, das ist für Sigi Vogel mehr als nur ein paar Knaller und Lichter am Himmel. «Es ist ein Ausdruck von Lebensfreude.» Für ihn ist das Rheinfallfeuerwerk auch eine der wenigen Konstanten im Leben. Vogel, der einst ein eigenes Kommunikationsunternehmen gründete, ist ein spontaner Mensch, der in den Tag hinein lebt. Er fährt Motorrad, ist mit dem Boot auf dem Rhein unterwegs ist, taucht, spielt neuerdings Golf. Urlaub bedeutet für ihn auch Abenteuer: Einmal fuhr er zwei Monate mit dem Velo durch die Negev-Wüste und den Sinai. Diesen Sommer verbrachte er mehrere Wochen auf Malta, wo es ihm so sehr gefiel, dass er spontan einen Sprachkurs belegte. «Mir ist keine Minute langweilig.»

Bis zu seinem Jubiläum – 50 Jahre Feuerwerken – im Jahr 2020 will Vogel mindestens noch als Chef-Feuerwerker vom Rheinfall weitermachen. Danach müsse man weitersehen, auch wie es ihm gesundheitlich gehe. Denn: «Mit Rollator mach ich es nicht mehr.»

 

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