Schweizer Splitter aus Kaliningrad

Schaffhauser Nachrichten | 
Noch keine Kommentare

Kaliningrad war am Freitag zum Spiel der Schweizer Nationalmannschaft fest in Schweizer Hand.

Gestern wurde Kaliningrad zu einer eigentlichen helvetischen Exklave. Die Schweizer Nationalfarben waren schon während des ganzen Tages in der ganzen Stadt nicht zu übersehen, wie das Keystone-Bild oben vor einer Kirche im Stadtzentrum Kaliningrads zeigt. Nebst den Schweizer Fahnen waren die Fans sogar in Tracht – wenn auch aufgrund der Temperatur auf die Vollmontur verzichtet wurde.

Wir hatten ihn selbst einst geplant, aber verworfen und nun gefunden, den echten Roadtrip mit dem Auto zur WM: Der 33-jährige Stefan Baldegger aus Uzwil SG wusste nach der EM 2016 in Frankreich: «Ich muss nach Russland. Stets wird bei uns negativ darüber berichtet. Doch das machte mich nur neugieriger.» Und mit dem Auto, war er überzeugt, erlebt man am meisten. «Man bekommt mehr vom Leben der Einheimischen mit.» Über Wien zum Eisernen Tor an der Donau (Serbien/Rumänien) ging die Reise zum Teil zu zweit, aber oft allein, über die Türkei, den Kaukasus und auf holprigen Strassen nach Georgien zum ersten Schweizer WM-Spiel nach Rostow. An der georgisch-russischen Grenze wartete er am längsten: fünf Stunden, obwohl es keine Autos hatte. «Und in Russland waren die Registrierung des Wagens und die Papierarbeit etwas komplizierter als an den übrigen Grenzen.» Der TCS habe ihm daher davon abgeraten. «Sie fragten mich alles Mögliche, sogar mein Handy musste ich entsperren.» Sein Fazit: Die Russen sind begeistert von den Fans, Doch nach 8000 Kilometern hat er genug – trotz gutem Fussball und vielen ­Bekanntschaften.

Mascha  und Natascha aus Moskau sind aus Moskau gekommen, um die Schweiz zu unterstützen. Die beiden haben einen Fussballblog über – ratet mal – Schweizer Fussball! Mascha nahm Natascha vor einigen Jahren mit zu einem FC-Basel-Spiel. «Aber irgendetwas lief fürchterlich schief – denn ich wurde Grasshoppers-Fan», sagt Natascha inmitten der Schweizer Fangruppen. Und wie kam Mascha zum Schweizer Fussball? «Mein Lieblingsspieler war bei Basel und in der Nati immer Alex Frei». Eine Niederlage wäre bitter, doch sie sind zuversichtlich, dass sich die Schweiz für die Achtelfinals qualifiziert.

Die Samichläuse um Lukas Reusti  aus Luzern waren nur zwei Stunden in Kalingrad und wurden sofort zu Selfie-Lieblingen bei russischen Fans. «Wir dachten: Die WM ist wie Weihnachten, so haben wir das Sujet gewählt», sagt Reimann. Michi, ein weiterer Samichlaus, meinte eine Stunde vor dem Spiel: «Ich verstehe jetzt, wie Stars sich fühlen. Lang-­ sam wird es mühsam.» Immerhin schafften sie es, einen von zwei Schnupftabakdosen durch die Fanzone zu schmuggeln. Und der Sieg der Schweizer lancierte eine lange Feiernacht für die Schweizer «Dedi Morosi» (Weihnachtsmänner).

Der Fans aus der Heimat konnten sich die Spieler der Schweizer Nationalmannschaft sicher sein. Gestern konnten sie aber auch auf die Unterstützung von Schottland zählen. Gleich neben den Schaffhauser Velotouristen haben sich zwei Schotten das Spiel gegen Serbien angeschaut. Nein, nicht nur angeschaut, sondern das Schweizer Team lautstark unterstützt und sogar in die Schweizer Fangesänge eingestimmt – zumindest so gut sie konnten. «Wir wollten einfach an die WM fahren», erklärte Hector, «auch wenn sich unser Team aus Schottland nicht qualifiziert hat.» Mit dabei sei überall die übergrosse schottische Flagge. Schon 2008 habe er das Schweizer Team an der EM in Basel spielen gesehen, «da hab ich mir gesagt, die möchte ich mal wieder live im Stadion sehen, die Schweizer haben mein Herz erobert.» Zusammen mit Frazier verbringt Hector nun fünf Tage in Kaliningrad. Dabei spiele der Fussball natürlich eine grosse Rolle – aber die Party sei auch nicht zu unterschätzen. (Mark Gasser, Kaliningrad)

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren