Sie ist keine, die Trübsal bläst …

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«Ich bin keine Kreation, sondern einfach ich», meint Marla Glen. Bild: zvg

Durch ihren Song «Believer» und einen C&A-Werbespot wurde Marla Glen über Nacht zum Superstar, vertraute den falschen Leuten und wurde ausgenutzt. Doch die Frau in den Herrenkleidern hat sich zurückgekämpft.

von Luca Miozzari

Ob sie sich denn nun als Frau oder als Mann fühle – eine Frage, die Marla Glen ständig ­gestellt wird. Eigentlich viel zu oft. Sie sei ein «Glen», pflegt die 58-Jährige dann jeweils zu antworten, oder eine «Glen», je nachdem, wie man ihre Antwort übersetzt. Die englische Sprache kennt bekanntlich keine geschlechtsspezifischen Artikel. Vielleicht mit ein Grund, wieso Marla Glen, obwohl sie seit 1998 in Deutschland lebt, immer noch konsequent Englisch spricht. Viel wahrscheinlicher ist, dass es einfach Teil ihrer Rolle als Sängerin ist. Genauso wie das Sprengen von alt­- her­gebrachten Geschlechterklischees. Auf der Bühne steht sie fast immer in Herrenanzug, Krawatte und Hut, manchmal sogar mit Zigarre. Dazu kommt ihre tiefe, raue Stimme, die die Illusion perfekt macht. Gleichzeitig wurde sie dadurch bereits zum Ziel sensa­tionshungriger Boulevardjournalisten, die behaupteten, sie sei in Wirklichkeit ein Mann. «Ich fühlte mich gedemütigt», sagte sie später gegenüber der NZZ und: «Warum kann ich nicht einfach eine Person sein, die gute Musik macht?» Recht hat sie. Ihre Anzüge seien eigentlich auch gar keine Männeranzüge, sondern «Marla-Glen-Anzüge».

Bauarbeiterin und Bodyguard

«Ich bin der Meinung, dass die Person oder das, was ich bin, keine Kreation ist, sondern einfach ich», sagte Glen und fügte an: «Das ist einfach das, was ich immer war.» Aufgewachsen ist Glen in Chicago, in derselben Strasse, in der auch der Bluesgitarrist B. B. King gewohnt hat. Muddy Waters, eine weitere Blueslegende, war zudem mit ihrer Mutter befreundet. Grosse Namen der Musikgeschichte prägten sie von klein auf, sie wurde quasi in die Welt der Musik hineingeboren. Die Grossmutter sang Gospelsongs in der Kirche, der Vater, Bauführer, spielte Gitarre. Marlas erste Instrumente waren eine Mundharmonika und eine Klarinette. Besonders an der Mundharmonika zeigte die junge Afroamerikanerin erstaunliches Talent. Mit 15 Jahren gab sie ihr Debütkonzert – im berühmten Chicagoer Jazzclub Kingston Mines. Die Musik blieb aber für sie lange etwas, das sie vornehmlich nebenher, für sich allein praktizierte. Auf ihren Schulabschluss soll sie sich von ihren Eltern eine Gitarre und ein Auto gewünscht haben. Danach zog sie durchs Land, machte da und dort Gelegenheitsjobs auf der Baustelle oder als Bodyguard für eine Sicherheitsfirma. Sie lebte einige Zeit als Haushaltshilfe bei Nina Simone, die damals als Queen of Soul galt. Von ihr lernte sie die Tricks und Kniffs der Bühnenperformance, die später massgeblich zu ihrem Erfolg beitrugen. «Sie war meine geistige Mutter», sagte Glen später. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, sie sei auch für Nina Simone als Bodyguard tätig gewesen. Glen bestreitet dies vehement. «Ich habe in einer Sicherheitsfirma gearbeitet, aber für Miss Simone habe ich nur Kleinigkeiten erledigt, wie ich sie für meine Grossmutter erledigen würde. Es war keine grosse Sache», sagte sie in einem Interview. Der musikalische Durchbruch gelang ihr, als sie 1993 nach Europa gezogen war, mit ihrem Hit «Believer», der bis heute vielen ein Begriff ist. Nicht zuletzt durch einen Werbespot der Modekette C&A, in dem das Lied verwendet wurde, erlangte sie praktisch über Nacht Superstarstatus. Ihr erstes professionell produziertes Album «This is Marla Glen» verkaufte sich allein in Deutschland über eine halbe Million Mal. Es folgten weitere Tonträger mit grossem kommerziellem Erfolg. Marla Glen war allerdings schon immer Musikerin und keine besonders geschickte Geschäftsfrau. So kam es, dass sie bereits ein paar Jahre später finanziell und moralisch am Boden war. Manager und Plattenlabels hätten sie übers Ohr gehauen, erzählte sie in Interviews, Rechte an Songs seien ihr geklaut worden. Sie wurde zum gutgläubigen Opfer der gierigen Musikindustrie.

Neue Freundschaften

Marla Glen ist aber offensichtlich nicht der Typ Mensch, der Trübsal bläst. Sie brach mit ihren ehemaligen Geschäftspartnern, begann wieder Musik zu machen und hat offensichtlich gelernt, den richtigen Leuten zu vertrauen. Die Geschichte einer dieser neuen Freundschaften erzählt ein SRF-Dok-Film aus dem Jahr 2016. Über einen Chat im Internet lernte Glen vor drei Jahren die Zürcher Confiseurin Claudia Bossert kennen, die sich als ihr grösster Fan herausstellte. «What can your fans do for you?», fragte Bossert. Bereits nach kurzer Zeit bemerkten die beiden, wie gut sie sich verstanden. Bossert wurde zu Glens bester Freundin und kümmert sich heute um die Finanzen der Sängerin.

 Marla Glen

Samstag, 24. März, 19 Uhr, Kammgarn, Schaffhausen.

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