Skandal im Lipo-Park: Aufregung und viele Vorwürfe – Aufarbeitung beginnt

Daniel F. Koch | 
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Der Abgang: Chiasso-Trainer Guillermo Abascal (Mitte) muss seine Arbeitszone im Lipo-Park verlassen. Bild: Roger Albrecht

Wurde Chiasso-Trainer Abascal nach dem Challenge-League-Spiel in Schaffhausen geschlagen? Jetzt geht es um die Wahrheitsfindung.

«Bisher ist noch nichts eingegangen», sagte FCS-Geschäftsführer Marco Truckenbrod Fontana gestern, wenn man ihn zu den Vorfällen nach dem Chiasso-Spiel (2:1 für Schaffhausen) befragte. «Die Leute von Chiasso haben ein riesiges Theater veranstaltet», wunderte sich Truckenbrod Fontana, der seinem Sicherheitspersonal keine Vorwürfe machen wollte. Die von Chiasso-Trainer Guillermo Abascal erhobenen Vorwürfe, körperlich attackiert worden zu sein, kann der FCS-Geschäftsführer nicht bestätigen, weil er die Angriffe nicht gesehen hat. Die Schaffhauser Polizei, die von Personen aus Chiasso gerufen wurde, ist unterdessen aktiv geworden. «Bei diesem Vorfall steht der Verdacht des Raufhandels im Raum. Entsprechend ermittelt die Schaffhauser Polizei in dieser Sache», teilte Sprecher Patrick Caprez mit. Weiter erklärte Caprez, dass zwar keine Anzeige eingegangen sei, weil es sich aber um ein Offizialdelikt handelt, muss die Polizei von Amtes wegen ermitteln.

«Bei diesem Vorfall steht der Verdacht des Raufhandels im Raum.»

Patrick Caprez, Schaffhauser Polizei

Wie Robert Szendröi, SN-Sportkorrespondent im Tessin, gestern Abend in einem Gespräch mit Chiasso-Präsident Maurizio Cattaneo herausfand, wollen die Tessiner den Ball flach halten in dieser Angelegenheit. Der Club ist bei der Kantonspolizei vorstellig geworden und habe die Sachlage geschildert. Man werde an den Sicherheitsverantwortlichen der Liga schreiben und sich beschweren. Im Minimum erwartet der FC Chiasso eine Entschuldigung aus Schaffhausen.

Liga: Die Abklärungen laufen an

Und was macht die Liga nun? Der Leiter Spielbetrieb Silvano Lombardo, der gestern unterwegs war, wurde von Chiasso-Generaldirektor Nicola Bignotti, während die Partie noch lief und er auf Anordnung von Schiedsrichter Urs Schnyder den Stadion­innenraum zu verlassen hatte, über die ersten Vorfälle im Lipo-Park informiert. Lombardos Rückruf bei FCS-Geschäftsführer Marco Truckenbrod Fontana beendete ­dieses Intermezzo, weil der dem Liga-Funktionär erklärte, dass das Club-Personal, in diesem Fall Sicherheitschef Sven Friedrich höchstpersönlich, den Offiziellen des FC Chiasso auf Anweisung des Referees aus der Sportstätte führte.

Vom Prozedere her ist es nun so, dass man auf den Rapport von Schiedsrichter Schnyder wartet und bereits Stellungnahmen der beiden Clubs sowie der involvierten Behörden angefordert hat. «Dann werden die zuständigen Gremien wie die Disziplinarkommission und der Spielbetrieb zusammenkommen und entscheiden, wie die Vorfälle bewertet werden», erklärte Silvio Kern von der Swiss Football League. Schon während das Spiel lief, gab es immer wieder Unruhe von Tessiner Seite. Die Stimmung schaukelte sich mit jedem Platzverweis hoch. Gleich drei Spieler der Tessiner wurden (zu Recht) des Feldes verwiesen. Der nicht eingesetzte Ersatzspieler Simone Belometti wurde vom Referee weggeschickt. Cheftrainer Guillermo Abascal, Assistenztrainer Mikel Llorente sowie der seit einer Woche amtierende Präsident Maurizio Cattaneo und Generalmanager Nicola Bignotti mussten ihre Plätze verlassen. Als ein Funktionär dem Trainer auf der Tribüne verbotenerweise ein Handy überreichen wollte, griff das Sicherheitspersonal ein. Nach der Partie eskalierte dann das Geschehen vollends. Trainer Abascal sei beim Verlassen des Stadions attackiert und ins Gesicht geschlagen worden, empörte sich das Chiasso-Lager. Funktionäre verständigten die Schaffhauser Polizei, dass sie bedroht worden seien und erklärten, dass sie Anzeige erstatten werden. Nicola Bignotti, der langjährige Generaldirektor von Chiasso: «Wir erwarten, wie alle anderen behandelt zu werden.»

Die Geschichte von 1935

Der kürzlich verstorbene FCS-Statistiker Alfred Meister, der Autor des Buches «100 Jahre FC Schaffhausen», hat in seinem Werk festgehalten, was am 9. März 1935 in Chiasso geschehen ist. Beim Auftritt des FC Schaffhausen im Südtessin wurde die Partie abgebrochen. «Vier Minuten vor Schluss, die Schaffhauser führten mit 2:0, verletzte sich bei einem Zweikampf ein Tessiner unglücklich und musste vom Platz getragen werden. Es kam zu Tätlichkeiten durch auf das Spielfeld stürmende Zuschauer, und die Schaffhauser benötigten Polizeischutz auf dem Weg zum Bahnhof», schilderte Meister den Vorfall. Ob das allerdings als Ursache für die gehässige Stimmung zwischen beiden Clubs herhalten kann, muss mit einem grossen Fragezeichen versehen werden. Zudem liegen diese Vorfälle bereits mehrere Jahrzehnte zurück. Zeitzeugen wird es wohl keine mehr geben.

Allerdings kennen Generationen von FCS-Spielern die gereizte und aggressive Stimmung bei Auftritten im Tessin. Immer wieder gibt es Nicklichkeiten, versteckte Fouls und Gehässigkeiten während des Spiels. Oft sorgte das dafür, dass der FCS solche Spiele in der Sonnenstube der Schweiz verloren hat. Eine Episode aus der jüngeren Vergangenheit war, als beim Einspielen im Stadio Riva IV plötzlich in der Hälfte der Schaffhauser der Rasensprenger losging. Sicher aus Versehen... «Auch der FC Wil machte erst unlängst mit dem FC Chiasso unliebsame Erfahrungen. Beim 3:2-Sieg der Tessiner in der IGP-Arena am 4. November 2017 hatten sich im Spielertunnel tumultartige Szenen abgespielt. «Laut Verantwortlichen des FC Wil soll Bignotti Drohungen ausgesprochen haben», schrieb Simon Dudle, seit vielen Jahren journalistischer Begleiter des FC Wil. Dazu passt auch, dass zu erfahren war, dass bei der Liga einige Beschwerden über Chiasso deponiert sind.

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