Tür 19: Wie feiert man Weihnachten im Gefängnis?

Tobias Bolli | 
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Im heutigen Adventskalendertörchen geht es um Weihnachten im Gefängnis. Bild: unsplash/Andri Aeschlimann

Die Weihnachtszeit hinter Gittern ist kein schönes Erlebnis. SN-Redaktor Tobias Bolli hat mit Lorenz Ammann, Leiter des Schaffhauser Gefängnisses, gesprochen und erzählt, wie die Insassen die Weihnachtszeit verbringen.

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Der Schnee mag auf sich warten lassen, trotzdem weihnachtet es sehr: ein Lichtermeer schwebt über der Altstadt und erwärmt das Gemüt fast so sehr wie der Glühwein das Gebein. Derweil laden Läden auch am Sonntag ein, letzte Geschenke aufzutreiben und Weihnachtsmärkte locken von allüberall. Die meisten Menschen können dieser Verlockung nachgeben und in Richtung der schönsten Plätzchen und Märkte ausschwärmen oder – wenn sie zu stark vom Vorweihnachtsstress absorbiert sind – zumindest Heiligabend begehen und im Kreise der Liebsten einen Braten verspeisen und ein paar Weihnachtslieder singen.

Unweit der geschmückten Altstadt hausen viele, die weder Weihnachtsmärkte besuchen noch auch zusammen mit ihrer Familie Weihnachten feiern können. Sie verbringen an Weihnachten 23 Stunden in ihren Zellen und dürfen auch an Heiligabend nur eine Stunde im Innenhof einen Spaziergang machen, abgeschirmt von den glücklichen Familien, dem Blockflötenspiel nach dem gemeinsamen Essen, den vorfreudig ihre Geschenke auspackenden Kindern. Vom Innenhof kehren sie zurück in ihre sieben Quadratmeter grosse Zellen. Doch auch im Gefängnis Schaffhausen weht zumindest ein Hauch von Weihnachten.

Weihnachten im Gefängnis. Eine wenig besinnliche Angelegenheit. Bild: Roberta Fele

Eine von der Gefährdetenhilfe Schweiz geschenkte Grosslaterne macht den Spaziergang im Hof etwas weniger trist, leuchtet mit Weihnachtsmotiven wenn es draussen dunkel ist. Zumindest Inhaftierte, welche auf der Hofseite einquartiert wurden, bekommen so etwas von der vorweihnachtlichen Stimmung mit. Die Häftlinge, deren Zellen sich auf der Vorderseite befinden, mögen, je nach Höhe, einen Blick auf die Innenstadt erhaschen und sich an deren Beleuchtung erfreuen. Für manche mag dadurch freilich auch ein schmerzlicher Kontrast entstehen – zwischen dem Fest der Liebe und der eigenen harten, so liebesmageren Gefängnisrealität.

Während Weihnachten findet für die Insassen laut Gefängnisleiter Lorenz Ammann zudem eine kleine Feier mit Gottesdienst statt. Organisiert wird sie zusammen mit den gefängniseigenen Seelsorgern und bereichert durch die Heilsarmee, welche auf den Gängen das bekannte Lied «Welch ein Freund ist unser Jesus» singt.

Alle Inhaftierten erhalten von der Heilsarmee und der Bewährungshilfe Schaffhausen zudem kleinere Geschenke, die in Absprache mit der Gefängnisleitung zusammengestellt wurden. Allfällige Geschenke von Angehörigen werden vor der Weitergabe an die Sträflinge kontrollieren. Laut Ammann haben nicht alle Häftlinge ein Umfeld, das an Weihnachten an sie denken, geschweige denn sie beschenken würde. Trotz der Bemühungen, ein wenig Weihnachten in die Gefängniszellen einziehen zu lassen, beobachtet er auch keinen bemerkenswerten Stimmungswechsel.

Denn von allem unberührt, geht der Vollzugsalltag weiter. Der Häftling muss weiterhin um alles bitten. Ihm wird weiterhin gesagt, wann er essen, wann er duschen darf, Handy und Internet bleiben auch an Weihnachten verboten. So dürfte sich für die meisten Gefangenen Weihnachten erst dann ereignen, wenn sie das Gefängnis wieder verlassen dürfen.

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