Tür 23: So sieht die Vorweihnachtszeit im Altersheim aus

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Für die Bewohnerinnen und Bewohner der Altersheime in der Region Schaffhausen ist das Weihnachtsfest auf seine Art ganz besonders. Nicht wenige Bewohner denken in dieser Zeit vermehrt an ihre Familien und Angehörigen, die am Weihnachtsabend nicht immer da sein können. Die Gemeinschaft in den Heimen ist daher von grosser Bedeutung, wie die Beispiele in Beringen und Wilchingen aufzeigen.

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Text von Anna Kiefer und Sandy Hedinger, Bilder von Roberta Fele und Anna Kiefer

In der «Altershaamet» Wilchingen wird während der Weihnachtszeit gebastelt und gesungen

«Bei uns ist es eigentlich eine Tradition, dass wir den Kindern die Geschenke unters Kopfkissen legen», sagt Liudmyla Dronova, «das kann ich dieses Jahr leider nicht.» Die 82-Jährige flüchtete im März 2022 zusammen mit ihrem Mann aus der ukrainischen Stadt Mariupol in die Schweiz, weil ihr Haus dort bei Bombardierungen zerstört wurde. Im Sommer 2022 fanden sie ein neues Zuhause in der Altershaamet Wilchingen.

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Liudmyla Dronova wünscht sich zu Weihnachten Gesellschaft.

Der nächste Schicksalsschlag folgte nur wenige Monate später, als Liudmyla Dronovas Mann Anfang dieses Jahres starb. In der Fremde hat sie heute niemanden aus der Familie, mit dem sie feiern kann. Stattdessen habe sie ihren Kindern und Enkeln Geschenke zum Nikolaustag in die Ukraine geschickt. Sie sagt: «Ich wünsche mir, dass die Bekanntschaften, die ich hier in der Schweiz gemacht habe, während der Festtage an mich denken und mich vielleicht einmal einladen.»

Ein festliches Mahl

Ganz alleine bleibt während der Weihnachtszeit im Alters- und Pflegeheim Altershaamet in Wilchingen aber niemand. Am 19. Dezember stattete eine Schulklasse aus Wilchingen den Menschen im Altersheim einen Besuch ab. «Der Kontakt zwischen Jung und Alt ist mir wichtig», sagt Heimleiterin Denise Graf. Letztes Wochenende fand die grosse Weihnachtsfeier zusammen mit den Angehörigen statt. Es wurde gesungen, eine Geschichte wurde vorgelesen und ein festliches Menü wurde serviert. Für das Weihnachtsmahl sorgte unter anderem die Köchin Antonia Decurtins.

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Antonia Decurtins bekocht die Gäste am Weihnachtstag.

Für sie geht es während der besinnlichen Tage nicht immer ganz so ruhig zu und her. «Es kommt vor, dass Besucherinnen und Besucher vorbeikommen und wir darum mehr zu tun haben», so Decurtins. In der Altershaamet wird das Beste getan, um den Bewohnerinnen und Bewohnern die Adventszeit etwas zu versüssen und ihnen gesellige Tage zu ermöglichen. «Wir haben Dekorationen in den verschiedenen Winkeln und Ecken des Hauses angebracht», sagt Graf. An den Fenstern hängen handgrosse, goldene Sterne und auf den Tischen im Gemeinschaftsraum stehen kleine Weihnachtsmänner aus Keramik.

Leise rieselt der Schnee

Das Dekorieren gehört genauso zur Weihnachtszeit wie die Geschenke. Deshalb haben die Bewohner beim Dekorieren des Pflegeheims mitgeholfen. «Wir haben alle gemeinsam Adventsgesteck gebastelt und üben vor dem Mittagessen das Lied ‹Leise rieselt der Schnee›», sagt Marianne Zimmerli, Leitung Pflege und Betreuung.

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Marianne Zimmerli bastelt und singt mit den Bewohnern.

Mit einem Strahlen übers ganze Gesicht holt sie ein Gesteck aus ihrem Büro hervor und sagt: «Das hat mir ein Bewohner geschenkt.» Neben der Weihnachtsfeier und dem Basteln geht natürlich auch der Heiligabend in der Altershaamet nicht einfach so vorbei. «Wir machen im Speisesaal einen langen Tisch, sodass alle gemeinsam am Tisch sitzen können», sagt Graf. Weihnachtliche Hintergrundmusik und spezielle Adventstischtücher machen die festliche Stimmung komplett. «Die wenigsten Bewohnerinnen und Bewohner haben die Möglichkeit, zu ihren Angehörigen nach Hause zu gehen», sagt sie und fügt an, dass das gemütliche Beisammensein im kleinen Rahmen umso wichtiger sei.

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Annelies Wagner freut sich auf das Weihnachtsessen.

Annelies Wagner erlebte schon die eine oder andere Weihnachtsfeier in der Altershaamet, seit sechs Jahren lebt sie im Wilchinger Pflegeheim. Gerne denkt sie an die alten Zeiten zurück. «Es war immer schön, zusammen mit den Eltern und den Geschwistern zu feiern», sagt Wagner. Heutzutage wünscht sie sich nicht mehr viel, sie sagt: «Einen Coiffeur-Gutschein vielleicht, ansonsten brauche ich nichts mehr.»

 

Im «Früehling – Zentrum fürs Alter» in Beringen ist am Heiligabend der Mehrzwecksaal rappelvoll

Am Heiligabend gibt es im Beringer Altersheim ein grosses Fest, an dem gesungen und musiziert wird, «und da ist der Mehrzwecksaal rappelvoll», sagt Heimleiter Daniel Gysin. Auch am Weihnachtstag werde gefeiert, dann in den einzelnen Wohngruppen, mit Musik, festlicher Atmosphäre und einem Festmenü, das Köchin Andrea Wetter aber noch nicht verraten will: «Das ist noch geheim.» Meistens komme eine Sonntagsschule, die ein Krippenspiel aufführe, so der Heimleiter zum grossen Fest. «Die Weihnachtszeit ist für viele Menschen etwas emotional Schönes und unsere Mitarbeitenden erleben oft anspruchsvolle Momente mit den Bewohnern – viele bewegende und schöne.»

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Köchin Andrea Wetter überrascht die Bewohner mit dem Menü.

Viele Aktivitäten lenken ab

«Es kann schon vorkommen, dass die Leute in der Weihnachtszeit traurig sind und sich intensiver an die Familie zurückerinnern und dabei auch wehmütige Gedanken haben», sagt die Aktivierungstherapeutin des Heims, Yvonne Schwaninger. Sie versuchen dies aufzufangen mit vielen gemeinsamen Stunden, in denen man zusammensitze, Guetzli backe, singe oder Kerzen ziehe.

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Yvonne Schwaninger organisiert Aktivitäten für die Bewohner.

In der Adventszeit ist im Beringer Altersheim immer sehr viel los. Musikvereine geben Konzerte, es wird gebastelt, gesungen und zum Auftakt in die Adventszeit komme auch immer der Samichlaus. Alle Aktivitäten werden dabei den verschiedenen Bewohnerinnen und Bewohnern und ihren Bedürfnissen angepasst. «Bei den einen passt es zu backen, andere werden zu einem Musiknachmittag motiviert, einfach so, wie es passt und niemand überfordert wird. Am Weihnachtsabend werden einige abgeholt, viele bleiben aber da und feiern hier. Wir decken hier die Tage so ab, dass immer jemand da ist für die Bewohner, die dann allein sind.»

Geteilte Freude

«Ich freue mich teils-teils auf Weihnachten», sagt Margrit Stoll aus Osterfingen. Die Rentnerin lebt noch nicht lange im «Früehling» in Beringen. Für sie ist es das erste Weihnachten, das sie nicht in den eigenen vier Wänden verbringen wird. «In diesem Jahr wird es anders ablaufen als bisher», da ist sie sich sicher. Sie wusste anfangs Monat noch nicht, ob sie Besuch bekommen werde oder vielleicht abgeholt würde an Weihnachten. Das werde noch besprochen, sagte sie.

, fotografiert am  , in . (Roberta Fele / Schaffhauser Nachrichten)
Margrit Stoll erlebt ihr erstes Weihnachten im Altersheim.

Weil die Enkelin wegfahren werde, habe die Tochter auch keine Freude daran, Weihnachten zu feiern, «aber vielleicht wird das Familienfest ja nachgeholt». Die neue Situation beschäftigt Frau Stoll, Tränen kullern über ihre Wangen. «Früher gingen wir mit der ganzen Familie immer zu einer Bauersfrau, um Weihnachten zu feiern», erinnert sie sich, nach der Feier seien die einen nach Hause gegangen, andere blieben noch ein Weilchen sitzen. «Das war jedes Jahr so.» Ob sie das vermisse? «Ja, vielleicht schon», sagt sie. Ihr Wunsch zum Weihnachtsfest wäre, dass überall Frieden sei und man es schön haben dürfe: «Auch hier im Altersheim.»

Ein innerer Frieden

Elsbeth Bolli wohnt schon seit sechs Jahren im Beringer Altersheim und sie freut sich auf Weihnachten. «Für mich ist es, auch wenn es gerade mit dem Umzug hier im Heim etwas hektisch ist, eine Zeit der Ruhe. Zumindest habe ich eine innere Ruhe.» Sie bastle viel, und so vergehe die Zeit. Auf die Feiertage freue sie sich, weil sie ihre Liebsten wieder alle sehe. Sie denkt, dass sie bei ihrer Tochter eingeladen sei. «Früher hatten wir keine spezielle Tradition, beide Eltern waren berufstätig und waren froh um ein paar Tage Ruhe», erinnert sie sich. «Heute feiern wir eher zusammen, meine drei Kinder sind erwachsen und haben selber Kinder, so sind wir alle zusammen.» Auch sie wünsche sich den Frieden auf Erden: «Aber das liegt nicht in unseren Händen, sonst wäre es anders.»

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