Wenn ich meinem Kind den Stinkefinger zeigen will

Ralph Denzel | 
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Tobsuchtanfälle und kein diskutieren hilft. Manchmal können Kinder uns in den Wahnsinn treiben. Bild: Unsplash

In den sozialen Medien gibt es fast unzählige Influencerinnen und Influencer, die vor allem damit Geld verdienen: Sie zeigen auf humorvolle Weise den Alltag mit ihrem Nachwuchs. «The Dumb Dads», «Maverickmother», «Fowl Language Comics» sind nur einige, die mich regelmässig zum Lachen bringen, wenn sie wieder einmal eine Situation hochladen, die alle Eltern nur zu gut kennen.

Wenn man eine Weile im Online-Journalismus unterwegs ist, fängt man automatisch an zu schauen, welche Postings die meisten Interaktionen auslösen – vielleicht lernt man ja noch etwas dazu. Dabei fällt auf: Erfolgreich sind nicht die Beiträge, die besonders herzerwärmend sind, sondern die, die den Kindern den letzten Nerv rauben und die Eltern an den Rand des Wahnsinns treiben.

Der Dreijährige eines Influencers will die Chickennuggets nicht essen, weil sie so schön wie Dinosaurier aussehen – obwohl er ausdrücklich nur Dinosaurier-Chickennuggets essen wollte! Die Vierjährige bekommt einen Tobsuchtsanfall, weil sie nicht in ihrem Ballettkostüm zur Schule gehen kann – bei -15 Grad Celsius draussen.

Es ist immer wichtig, dass in der Eltern-Kind-Beziehung klar ist, wer am Ende des Tages die Hosen anhat und wer der Boss ist – und das hiess, dass ich am Ende der Diskussion mit dem roten Pulli aus dem Haus gegangen bin.

Eltern können zuschauen und haben das wohlige Gefühl, dass die kleinen Kämpfe, die man jeden Tag austrägt, nicht nur zu Hause stattfinden. Jeder, der eine kleine Kopie von sich zu Hause hat, kommt früher oder später an seine Grenzen. Das sind zum Teil absurde Szenen. Ich erinnere mich, wie ich einmal mit meinem Sohn, er war damals etwa zwei Jahre alt, darüber diskutieren musste, warum Papa jetzt NICHT den roten Pulli anzieht. Ich, nicht er. Es ist immer wichtig, dass in der Eltern-Kind-Beziehung klar ist, wer am Ende des Tages die Hosen anhat und wer der Boss ist – und das hiess, dass ich am Ende der Diskussion mit dem roten Pulli aus dem Haus gegangen bin.

Das ist jetzt vielleicht eine lustige Anekdote, aber es kann auch schwieriger werden. Wenn ein Kind einen richtigen Tobsuchtsanfall bekommt, für rationale Argumente nicht mehr zugänglich ist und den Bogen immer weiter überspannt, dann braucht man als Eltern schon die Geduld eines buddhistischen Mönches auf einer Überdosis Valium, um in solchen Situationen die nötige Ruhe zu bewahren.

Drohungen aus Kindermund wie «Mit dir spiele ich nie mehr» sind in solchen Momenten ungefähr so beängstigend wie «Ich schenke dir jetzt eine Million Franken!». Diese Minikopie, die leider auch viele unangenehme Eigenschaften von einem selbst übernommen hat, kann in solchen Momenten gerne in ihr eigenes Zimmer gehen und ein bisschen schmollen. Ich weine ihm keine Träne nach.

Mit Kindern zu diskutieren ist wie mit einer Katze zu sprechen.

Manchmal ist es unendlich frustrierend, sich mit seinen Kindern streiten zu müssen, vor allem wenn es um unnötige Kleinigkeiten geht. Wir Erwachsenen sind es gewohnt, dass man bei einem Streit vielleicht logische Argumente austauschen kann. Mit Kindern zu diskutieren ist wie mit einer Katze zu sprechen. Man weiss nicht, wie das Fellknäuel oder eben der eigene Nachwuchs reagieren wird. Vielleicht liebevoll, vielleicht werden gleich die Krallen ausgefahren, vielleicht schmeissen sie auch nur ein Glas vom Tisch – einfach «aus Gründen». Ja, manchmal möchte man den Kleinen aus lauter Frust den Mittelfinger zeigen, wenn sie nicht hinsehen.

Aber das Schöne ist: Genauso schnell, wie Wutausbrüche und schwierige Diskussionen auftauchen, können sie auch wieder verschwinden. Ja, mein Sohn kann manchmal so starr sein wie ein Bahngleis und er hat auch mein etwas aufbrausendes Temperament geerbt – aber er hat von mir auch den Wunsch nach Harmonie. Wir sind nie länger als fünf Minuten böse aufeinander – zumindest bis ich wieder den falschen Pulli angezogen habe. 

Hier schreibt Ralph:

 

39 | Alleinerziehender Papi | schreibt über die Alltagstücken als Alleinerziehender

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