Schenken zu Weihnachten: Zeichen der Wertschätzung oder unnötiger Stress?

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Zur Weihnachtszeit gehört das Schenken genauso wie Guetsli, Christbäume und Festessen. Doch sind Geschenke heute überhaupt noch zeitgemäss, oder könnte man ebenso gut darauf verzichten?

Pro

Von Clarissa Rohrbach, Redaktorin Inland

«Bitte keine Geschenke»: Wenn ich den Satz höre, den mir meine Familie seit Jahren kurz vor Weihnachten ständig wiederholt, packt mich eine tiefe Traurigkeit. So pragmatisch der Entschluss auch ist, er ist auch eine Desavouierung des Fes­tes. Keine Vorfreude, keine Neugier auf die Päckchen, die unter dem Weihnachtsbaum liegen, kein hektisches Auspacken. Die positiven Erfahrungen, die wir als Kind mit dem Heiligabend verbanden, werden ersetzt durch ein sachliches Zusammentreffen, bei dem das Wichtigste fehlt, nämlich die Bescherung. Natürlich könnte man argumentieren, dass Geschenke Ausgaben und, noch schlimmer, einen Riesenstress bedeuten. Deswegen hat meine Familie diese auch abgeschafft. So macht man sich das Leben leichter. Doch beim Schenken geht es nicht darum, die materielle Gier nach noch mehr Habseligkeiten zu befriedigen. Sondern es geht um eine Geste, die zeigt, dass man an den anderen gedacht hat. Denn was gibt es Schöneres, als durch die Läden zu schlendern und ein passendes Präsent zu finden? In diesem Prozess vergegenwärtige ich mir jeweils die Person, die ich beschenken will. Ich denke an ihre Vorlieben, an ihre Gewohnheiten, daran, was sie mir kürzlich gesagt hat, was sie noch entdecken will und was sie noch braucht. Wenn man also versucht, sich in die geliebten Menschen hineinzuversetzen und ihnen etwas zu schenken, was zu ihnen passt, ist das ein Tribut an die Beziehung, ein Zeichen des Verständnisses und der Liebe. Man zeigt damit, dass man aufmerksam war, dass man den anderen versteht. Natürlich ist das anspruchsvoll, doch wer sich den Gang in die Läden ersparen will, kann auch selber ein Geschenk machen. Ein paar Guetsli, eine feine Sauce oder selbst gemachte Gegenstände: egal, was es ist, wenn man es überreicht, fühlt sich das Gegenüber wertgeschätzt. Denn dafür ist Weihnachten da: sich mit einem kleinen Zeichen dafür zu bedanken, dass man einander nahesteht. Wer darauf verzichtet, hat Pragmatismus über Liebe gestellt. Was dann bleibt, ist ein Abend, der seiner Bedeutung nicht gerecht wird.

Contra

Von Mark Gasser, Redaktor Weinland

Ärgern Sie sich auch, liebe Mütter, wenn bei der Weihnachtsbescherung auf dem Etikett steht «Von Mami und Papi» und Papi keine Ahnung hat, was im Päckchen steckt? Glauben Sie mir, das ist den Kindern egal. Wer von seinem Vater aber dreimal hintereinander Unterhosen oder Socken zu Weihnachten bekommen hat, der lernt irgendwann: Man muss das Positive mitnehmen. Wenigstens die Grösse stimmte, na also.

Selten bekommt der oder die Beschenkte genau das, was er oder sie sich auch gekauft hätte. Und je älter man wird, desto weniger handliche, verpackbare Wünsche hat man – und falls doch, erfüllt man sie sich meist zeitnah selbst. So kommt es, wie es kommen muss: Pflichtschuldig schenkt man – sozusagen als Gegenwert zur Einladung oder einfach aus Tradition – etwas schnell Gekauftes. Soll es heute wieder ein Prosecco sein? Oder doch eher ­einer dieser Geschenkkörbe von Coop Fine Food? Das Schenken verkommt zur Geste, um sich erkenntlich zu zeigen: für die Einladung, für die Freundschaft. Dennoch gehöre auch ich zu den Menschen, die aus Respekt zu jeder Einladung etwas mitbringen. Vielleicht ist gerade die nicht beschenkte Person zutiefst beleidigt, wenn ich ohne Mitbringsel auftauche. Einmal habe ich einem Bekannten ein Buch geschenkt. Nicht aus Verlegenheit, sondern weil er mir ebenfalls eins geschenkt hatte und ich ihn als Romanleser deutete. Er gab es mir beim darauffolgenden Treffen wieder zurück. Es sei nicht sein Stil, meinte er. Er hatte meine Ehre verletzt und mich als Schenker dargestellt, dem es an jeglicher Sozialkompetenz mangelt.

Das fasst mein Problem mit dem Brauch des Schenkens recht gut zusammen: Während die Werbung uns suggeriert, dass nur, wer schenkt, ein wahrer Freund ist, erreicht gleichzeitig das pflichtschuldige Schenken an Weihnachten aus Verlegenheit seinen Gipfel. Wer ungern ohne Mitbringsel einer Einladung folgt oder bei Bekannten eingeladen ist, der hat in der Regel Dauerstress. Dabei auch noch originell sein zu wollen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Daher plädiere ich für etwas Nachsicht an Weihnachten: Die einen wichteln und schenken eben professioneller als die andern.

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