Hitzewelle: Traumwetter oder ungemütliche Backofenstimmung?

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Für viele Pflanzen ist es derzeit massiv zu trocken und für manche Fische viel zu warm. Doch was bedeutet die aktuelle Hitzewelle für die Menschen? Zwei Autoren, zwei Meinungen.

Pro

Von Mark Gasser, Redaktor Weinland

Wie klagten wir doch in jenen Jahren, als der Sommer nicht so recht in die Gänge kommen wollte. Als der Juni, Juli oder August oder gleich alle drei verregnet waren, die Badehose und die luftigen Kleider im Schrank bleiben und der extra gestählte Körper im kratzigen Pulli und in langen Hosen übersommern musste.

Und jetzt? Ja, jetzt rinnt der Schweiss. Endlich. Die Touristen sind begeistert, flanieren sorglos und ohne Regenschirm am Rheinfall, die Badis und Bierbeizen sind voll. Und doch stöhnt die Stadt unter dem mediterranen Klima, das sie im Würgegriff halten soll. Humbug.

Verständlich ist natürlich die Verzweiflung aus Sicht der Landwirtschaft, der Fischerei, des Baugewerbes und anderer vom Wassermangel und von der Trockenheit hart Getroffener. Weniger Verständnis mag ich für jene aufbringen, die in ihren klimatisierten Büros sitzen und sich dann wundern, wenn sich nach dem Dienst der arktische Luftzug nicht bis hinaus auf die Strasse und am besten noch wie eine Glocke auf den Heimweg verlängert.

Mit Verlaub: Ich selber sitze gerade am heimischen PC, weil das nicht klimatisierte Büro mit der warmen Klimaanlage-Abluft nicht die beste Vor­aussetzung bietet dieser Tage, um mit klarem Kopf ein Hoch auf die Hitzewelle zu schreiben. Aber da muss man eben kreativ sein. Andere mögen die Füsse in einer Wanne mit Wasser kühlen, gehen unter die Kühldecke, kalt duschen oder im Rhein baden. Bei Hitze begegnen wir auch überall netten Chefs: Die einen kaufen ihren Mitarbeitern ein Eis, andere lassen die Mittagspause länger ausfallen oder drücken ein Auge zu, wenn der oberste Hemdknopf nicht geschlossen ist und der schrullige ­Socken-in-Sandalen-Stil ein Revival erlebt. Die Pendler am Abend werden es danken, wenn der schweissgebadete Körper des Sitznachbarn nicht allzu penetrant riecht.

Es ist wie bei Schneefall in Rom: Mir scheint, viele sind bei anhaltender Hitze einfach schlecht vorbereitet. Und wem es gar nicht mehr geht, der müsste mit fortschreitendem Klimawandel eben eine Siesta prüfen.

Doch einmal abgesehen vom Arbeitsplatz: In der Freizeit, die sich ohnehin meist abends abspielt, haben wir bei 30 Grad und wolkenlosem Himmel so viel mehr Möglichkeiten als bei launischem Wetter. In der Nacht brauchen wir kein Duvet, mittags keine heisse Mahlzeit und morgens fürs Frühjoggen keine warmen Kleider. Und wer Kinder hat und nah am Wasser lebt, der sieht tagtäglich, wie sich diese übers Badewetter freuen. Der Hitzesommer schafft Ferienstimmung vor der Haustür.

Contra

Von Anna Kappeler, Redaktorin Inland

Ob etwas passiert sei, fragen mich Freunde dieser Tage mit besorgten Mienen. Ungewohnt still und bedrückt sei ich. «Ja», sage ich dann matt, «die Hitze.» Steigen die Temperaturen über 25 Grad, beginne ich zu leiden. Knacken sie gar die 30-Grad-Marke, werde ich zur toten Fliege. Und das, obwohl ich sonst selten zu wenig Energie habe. Normalerweise mag ich Menschen. Aber diese kollektive «Es-ist-endlich-richtig-Sommer-Glückseligkeit» verstehe ich beim besten Willen nicht.

Seit letzter Woche kühlt es zu allem Übel während der Nacht kaum mehr ab. Ich wohne mitten in der Stadt, wo die Wohnung zur Sauna wird. Da kann ich noch so abschatten und erst nachtsüber lüften – nützt kaum was. Schwitzend wälze ich mich also schlaflos hin und her, pendle zwischen der Küche – wo ich ein Glas Wasser nach dem anderen trinke – und, folglich, der Toilette. Ein Teufelskreis. Was man ein oder zwei Nächte wegsteckt, wird bei mir spätestens nach der dritten durchwachten Nacht zum Horror.

Doch Not macht erfinderisch, gestern Abend dann der rettende Einfall: Ich räume den Tiefkühler um und fülle mehrere Salatschalen mit Wasser, damit sie zu Eis werden. Bis zum Einschlafen sind diese gefroren, und ich kann sie im Schlafzimmer verteilen zwecks Kühlung der Luft. Zusätzlich friere ich drei Paar Socken ein. Irgendwo habe ich gelesen, dass kühle Füsse die gesamte Körpertemperatur drosseln. Auch die dünne Bettdecke verfrachte ich kurzerhand in den Kühlschrank. Spätabends folgt der Besuch beim Inder ums Eck, um fünf Kilo Eis zu kaufen.

Kurz vor dem Schlafengehen also verteile ich die inzwischen gefrorenen Salatschalen ums Bett, platziere das gekaufte Eis in einer grossen Schüssel vor dem Ventilator, spanne ein feuchtes Tuch davor und drehe die Maschine auf die höchste Stufe. Zuletzt halte ich ein Badetuch unter die Dusche, rolle es zusammen und schwinge es wie ein Lasso über dem Kopf durch den Raum. Was für eine Wohltat, wenn sich die Wassertropfen im Zimmer verteilen und mir gleichzeitig kalte Luft ins Gesicht geblasen wird!

Seltsame Geräusche lassen mich plötzlich innehalten. Der Liebste bekommt vor Lachen kaum mehr Luft. Ob ich einen Regentanz vollführe oder was das Theater soll, ist alles, was er prustend hervorstossen kann. Sei’s drum, ich gönn’ ihm sein Amusement.

Viel wichtiger nämlich: Tatsächlich haben wir – beide – endlich wieder gut geschlafen.

Hitze – nimm das!

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