Ist Do it yourself der grosse Trend, oder haben Heimwerker eine Schraube locker?

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Heimwerken ist in. Aber ist es auch eine gute Idee, oder sollte man Arbeiten mit Holz, Metall und Strom nicht doch ­lieber den Fachleuten überlassen?

Pro

Von Mark Gasser, Redaktor

Klar, wegwerfen und neu kaufen ist einfacher. Aber auch der ungelenkste Mensch kann es mit Übung schaffen. Der deutsche Barde Reinhard Mey hat das Image des Heimwerkers in seinem Lied «Männer im Baumarkt» zwar treffend besungen: «Mit diesem verweg’nen ‹Geht nicht, gibt’s nicht›-Blick bohr’n sie furchtlos und behende Löcher in Tische und Wände, überschwemmen, legen Brände; und bringen nie etwas zu Ende.» Das Stereotyp des tollpatschigen Bastlers ist hier aber überzeichnet. Sonst wären die (intelligenter einkaufenden) Frauen heute nicht so stark vertreten in Baumärkten. Im Gegensatz zu Meys Refrain «Männer im Baumarkt – während draussen die Frau parkt» sind diese nämlich selber mittlerweile gern und oft dort, ja sie geben oft gar den Anstoss zum Hingehen. Baumärkte verkaufen Träume.

Ich selber war bereits früh vom Heimwerken angefixt. Als ich zehnjährig meinem Vater beim Fliesenlegen im Flur und in der Küche half, war es um mich geschehen. Seither kann ich nicht in ein Hotel oder in ein fremdes Haus treten, ohne die Abstände von Fugen und Fliesen ­kritisch zu prüfen. Den Instinkt, ­selber Hand anzulegen, entdeckte ich aber schon als Vierjähriger, als ich mit einer herumliegenden Axt versuchte, das frisch gepflanzte zarte Ahornbäumchen vor unserer Haustür mit wuchtigen Hieben zu fällen. Der Baum lebt noch immer, genauso wie die Erinnerung an den Sprint, den mein Vater mit hochrotem Kopf hinlegte. Holz faszinierte mich schon früh: Wenig später trennte ich beim gemeinsamen Versuch, Scheite zu hacken, einem Kumpel um ein Haar dessen Hand ab. Ein, zwei Jahre danach hielt ich meinen Finger in einen abgeschalteten, aber noch schwach laufenden Doppelschleifer – ich zahlte mit Blut Lehrgeld.

Schweiss, Blut und Tränen: Selber bauen und flicken hat etwas Archaisches – aber gerade mit Youtube und Co. dürften diese Trial-and-­Error-Traumata im Abnehmen begriffen sein. Wir sind heute nicht Heimwerker aus Not. Doch befriedigen wir so eine Sehnsucht: Es sind diese Momente, wenn man vor einem Haufen Abfallbrettern, einem zerfallenden Möbel steht und auf eine Welt von Möglichkeiten blickt: Etwas Neues nach eigener Vorstellung zu schaffen, gibt einem das Gefühl der Kon­trolle über ein Leben, das immer mehr fremdbestimmt wird von Maschinen und Computern. Meist ist auch Improvisationskunst gefragt. Material- oder Platzbeschränkungen machen aber am Ende das Gebaute besonders exklusiv: Es ist ein Produkt seiner Umwelt und nicht das eines schwedischen Einrichtungshauses.

Contra

Von Alfred Wüger, Redaktor

Im Alter von zwölf Jahren nahm ich eine Dampflokomotive meiner Modelleisenbahn auseinander. Und baute sie wieder zusammen. Das ganze gelenkige Fahrwerk und die Triebstangen. Danach wusste ich: Uhrmacher wirst du nicht. Ein paar Jahre später verkabelte ich die Elek­trik in meinem Zimmer neu, ­sodass mit dem Betätigen des Lichtschalters alle Lampen angingen, die ich wollte. Leider passierte mir kurz darauf das Missgeschick, dass ich ein angeschlossenes Kabel mit der Schere durchschnitt. Ich flog gegen einen Schrank. Damit war auch meine Karriere als Elektriker beendet. Aber der Mensch ist hartnäckig, und so wurde ich Hilfsgärtner. Erfahrung mit Rasenmähern, Gerteln, ­Sägen und Laub­rechen hatte ich, und es passierte tatsächlich auch nichts. Nach der Matura stach mich der Hafer wieder, und ich arbeitete eine Zeit lang als Hilfsmaler auf dem Bau. Das Malen kannte ich von zu Hause. Mit meinem Vater hatte ich immer wieder die Küche geweisst, kurz: Man bot mir dort sogar einen Job als Maler an. Aber ich lehnte ab. Dem Malen bin ich dennoch treu geblieben. So haben die Kinderzimmer inzwischen je eine farbige Wand bekommen, was bis heute meine einzigen unübersehbaren Arbeiten als Heimwerker sind. Was ich weit weniger erfolgreich betreibe, ist das Herumfuhrwerken mit Bohrmaschinen und Stichsägen. Trotzdem gehe ich gerne in Baumärkte und schaue mir dort Gegenstände an, die ich niemals kaufen werde. Ich werde doch kein Lavabo selbst montieren, wo ich schon an die Grenze komme beim Zusammenbauen von Möbelbausätzen. Innert kürzester Zeit habe ich das Gefühl, ich drehe durch, bekomme Schweiss­ausbrüche und müsste ständig Pausen fürs autogene Training einlegen. Wenn ich nur nicht jeweils in einen Schaffensrausch geraten würde! Besser wird dadurch nichts. Mehr als einmal hat mir meine Gattin Hammer und Sichel aus den Händen und mein Tun dann selbst in ihre viel geschickteren Hände genommen und unser Haus und vielleicht sogar die ganze Stadt vor einem Blackout bewahrt. Ich bewundere alle Menschen, die handwerklich geschickt sind. Ich bewundere alle Menschen, die, wenn sie ein Tütchen mit Schräubchen aufreissen wollen, keinen Nervenzusammenbruch bekommen. Leider gehöre ich nicht dazu. Ich bin auf professionelle Hilfe angewiesen. Darum gilt für mich: Hände weg vom Selbstmachen! Und zum Glück kennen wir ­einige sehr hilfsbereite Handwerker. Wenn sie am Arbeiten sind, schaue ich ihnen allerdings nie zu. Denn das weiss sogar ich als Werkzeug­dilettant: Gaffer nerven.

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