Grillieren: Fleischeslust oder halb gares Essen mit Rauchgeschmack?

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Sommerzeit ist ­Grillierzeit. Doch ist die Essenszubereitung am Grill tatsächlich ein gemeinschaftlich-kulinarisches Vergnügen, oder grilliert nur, wer eigentlich nicht kochen kann?

Pro

Von Luc Müller, Redaktor Klettgau/Reiat

Eines gleich vorweg: Elektrogrille sind ein neumodisches Zeug, das nichts mit Grillieren gemein hat. Feuer machen gehört zu den Ur­instinkten des Menschen, seit er aufrecht geht. Wenn die Flammen langsam am trockenen Holz züngeln und ein erstes Rauchen aufsteigt, dann ist die Welt in Ordnung. Wichtig zu sagen: nie flüssige Anzündhilfen ­benutzen, das stinkt nur und ist erst noch gefährlich. Stattdessen: ­geharzte Holzwolle, die es überall, auch an der Tankstelle, zu kaufen gibt, verwenden. Und ganz, ganz, ganz wichtig: Eine schöne Glut braucht Zeit. Das dauert schon mal 20 Minuten, bis es so schön orangefarben glüht. Dann ist es Zeit, das Grillgut auf den Grill zu legen – aber eben: erst dann, wenn keine Flammen mehr züngeln und die Bratwurst von aussen verkohlen lässt, während das Brät im Innern noch Tiefkühltemperatur hat. Grillieren ist aber nicht einfach ein lustiger Zeitvertreib mit Feuerchenmachen, sondern hohe Kochkunst. Das einfache Prinzip: Wenn etwas mit Raucharomen umschmeichelt wurde, schmeckt es einfach besser. Und die Röstaromen, die das Fleisch zum Leckerbissen machen, entstehen nirgends besser als auf dem offenem Feuer. Ja, es stimmt: Als Grillmeister riecht man nach getanem Tageswerk selber wie eine fleischgewordene Rauchwurst – aber schnell unter die Dusche, und alles ist weggeschwemmt. Noch lange in Erinnerung bleiben aber das köstliche Fleisch, die traumhafte Bratwurst und die saftige Pouletbrust. Für Vegetarier gibt es hier eine gute Nachricht: Gemüse und Fisch lieben die Glut ebenso – und die ­Köche zaubern ständig neue Rezepte, die vegetarische Köstlichkeiten zum Hauptthema haben. Übrigens kann man schon früh zum Meister am Grill werden. Auch Kinder können unter Anleitung, man muss hier aber wirklich mit beiden Augen dabei sein, schon von der Faszination profitieren. Ein Feuer unter Aufsicht eines Erwachsenen zum Brennen bringen macht stolz und Freude. Und wenn die Jungen ihre erste eigene Wurst auf dem Grill gebrutzelt haben, schmeckt es ihnen gleich doppelt so gut. Wer grilliert, muss sich aber immer bewusst sein, dass der Rauch stören kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Streit zu vermeiden. Mit der richtigen Anfeuerungstechnik entsteht nur wenig Rauch – zudem kann man sich mit einem mobilen Grill durchaus auch mal weg von der heimischen Terrasse auf neues Terrain wagen. Am Seeufer oder am Waldrand an einer offiziellen Grillstelle lässt sich Fleisch ungestört brutzeln – und neue Bekanntschaften macht man auch noch gleich.

Contra

Von Clarissa Rohrbach, Redaktorin Inland

«Tsch, tsch!» Ein Schweizer Gross­verteiler hat in seiner Sommerwerbung das Grillieren zu einem Ritual hochstilisiert. Es genügt dabei, das Geräusch des brutzelndes Fleisches zu hören, damit die Herzen der ­gesamten Nation höherschlagen. Das Glück ist in den Aufnahmen spürbar. Da sind Menschen, die in freudiger Erwartung Fleisch einkaufen, schnetzeln und die Kohle anheizen. Und dann geht es los: Stolze Männer drehen die Steaks auf dem Rost, würzen voller Eifer und lächeln, als ob Grillieren das Beste sei, was der Sommer bieten könne. Angesichts dieser allgemeinen Exaltation kann ich nur die Nase rümpfen. Denn es gibt nichts Unbefriedigenderes als Grillieren. Vor allem als Frau. Ist kein Mann in der Runde, stellt man ahnungslos das Fleisch auf den Grill und quatscht dann so lange, bis es anbrennt. Denn Frauen haben diese rührende Anziehung zum Fleisch nicht. Sie starren nicht mit verliebtem Blick in die Glut und halten keine Zange mit Inbrunst. Ist dann doch ein Mann in der Runde, muss man sein Getue über sich ergehen lassen. Es ist, als ob jeder Mann in Anwesenheit eines Feuers sich selbst zum besten Grillmeister der Nachbarschaft ernennen würde. Mit kindischer Freude handhaben sie das heilige Fleisch und fühlen sich männlich. Denn Grillieren ist wahrscheinlich eine der wenigen Domänen, wo Männer sich noch wie richtige Männer fühlen können. Da wartet man also auf den Fleischkenner, bis er einem das kostbare Stück bringt. In der Zwischenzeit hockt man in der lauen Sommernacht und wird von Mücken gebissen. Meistens sitzt man dabei auf Plastikstühlen, an denen die Haut kleben bleibt, sobald man aufstehen will. Oder, grilliert man in der Öffentlichkeit, auf dem Rasen, in dem die Ameisen unbeirrt den Weg zwischen die eigenen Zehen finden. Man sitzt also unbequem da, geplagt von der Natur, und packt sich Teller, Besteck und Gläser aus Plastik. Es erinnert alles an einen Kindergeburtstag, nur trinkt man dazu Bier. Wenn dann endlich der zum Kind gewordene Grillmeister das heilige Fleisch übergibt, ist man mit den unbefriedigenden Beilagen konfrontiert. Gemüse, Kartoffelstock, Salat und Brot: Nichts hat so richtig Biss. Man nimmt sich von allem ein bisschen, ist innert zwei Minuten fertig mit Essen und muss wieder Ewigkeiten auf das nächste Stück warten. Ist der Plausch vorbei, beginnt das mühsame Abfallsammeln. Schliesslich kommt man nach Hause mit dem Gefühl, nicht richtig gegessen zu haben. Man stellt den Fernseher an, hört wieder «tsch, tsch» und fragt sich, wann man diesen Horror wieder mitmachen muss.

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