Kurze Hosen im Büro: Praktische Notwendigkeit oder peinliche Stilsünde?

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Wenn die Temperaturen steigen, dann wächst auch das ­Bedürfnis nach kühler Kleidung. Doch ist es für den modernen Mann in Ordnung, in kurzen Hosen am ­Arbeitsplatz zu ­erscheinen?

Pro

Von Ulrich Schweizer, Redaktor

Schön ist die Sommerszeit. Manchmal auch ganz schön heiss und schwül. Da sei die saisonale Frage erlaubt, von Mann zu Mann: Kennen Sie das Gefühl, wenn Knie, ja sogar die Waden an der Hose kleben, und zwar so fest, dass man nicht mehr entscheiden kann, was denn nun woran festgepappt ist – das Knie am Stoff oder der Stoff am Knie?

Wie schön wär es doch, da wäre nichts – also kein Textil, das an der Haut klebt und den ganzen Unterschenkel am Atmen hindert (auf das Knie können wir nicht verzichten).

Nun, die längste Zeit war da tatsächlich nichts, denn die Geschichte der kurzen Hose ist lang. Dass unser ­Nationalheld Wilhelm Tell gelebt hat, mag ja bezweifelt werden. Doch fest steht, dass er kurze Hosen trug, falls er lebte. Etwas anderes war für einen freien Mann aus dem Volk der Hirten gar nicht denkbar.

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts trugen Männer von Rang und Stand die «Culotte» genannte Kniebundhose und dazu Kniestrümpfe aus weisser Seide. Mannsbilder mit dünnen Waden waren emsig darauf bedacht, ihre Strümpfe mit anatomisch täuschend echt nachgebildeten Säckchen auszupolstern, mit den ­Silikonbeuteln des Ancien Régime, wenn man so will.

Die Geschichte der langen Hosen hingegen ist kurz: Die sogenannten Pantalons waren – quelle horreur! – das Beinkleid der Proletarier und Revoluzzer der Französischen Revolution, die sich «Sansculottes» («ohne Kniebund­hosen») nannten. Ihre Pantalons reichten bis an die Fussknöchel und waren ursprünglich eine venezianische Tracht, benannt nach der Figur des Pantalone, eines alten Gecken und Geizhalses der Commedia dell’arte, der fusslange (zumeist rote) Hosen trägt – und am Ende des Theaterstücks jeweils übertölpelt wird.

In Sachen Herrenmode gelten die Briten vielen als tonangebend. Ihre Kolonialtruppen trugen kurze Hosen und Wickelgamaschen, ob in Ostasien, in Afrika oder in der Kronkolonie Britisch-Indien – und niemandem wäre es in den Sinn gekommen, diese Uniform anstössig oder lächerlich zu finden.

Apropos Uniform: Die Chauffeure und Chauffeusen der vereinigten Schaffhauser Verkehrsbetriebe von Stadt und Land dürfen Bermudashorts tragen – «ausschliesslich während der heissen Jahreszeit von Anfang Mai bis Mitte September», wie das Dienstkleiderreglement vom 1. Mai 2013 festhält.

So rufe ich denn, in Anlehnung an den Marquis von Posa in Schillers Drama «Don Carlos»: «Geben Sie Knie- und Beinfreiheit, Sire!»

Contra

Von Zeno Geisseler, Redaktor

Es gibt drei Arten von Schweizern, die kurze Hosen an ihrem Arbeitsplatz tragen können: Badmeister, Fussballspieler und Roger Federer. Für Männer aber, die den grossen Teil ihrer Erwerbstätigkeit am Computer verbringen, zum Beispiel in den Schreibstuben dieser Zeitung, sind Beinkleider mit Kniefreiheit keine angemessene Wahl.

Natürlich kennen wir auf der SN- Redaktion keinerlei vertraglich bindenden Uniformvorschriften. Der Geist des Liberalismus, der Selbstbestimmung und der Eigenverantwortung durchwebt nicht nur unsere Kommentare, sondern auch unser Verhältnis zur Herrenschneiderei. Dies kann jeder bezeugen, der schon einmal an einem Konzert oder einer Medienkonferenz einem unserer Mitarbeiter begegnen durfte.

Wie alle Freiheit ist allerdings auch die Toleranz bei der Tenuewahl nicht unbeschränkt: Der Massstab für die Kürze der Hose ist die ästhetische Zumutbarkeit des Enthüllten, und wer sich einmal dazu überwinden konnte, fremde unbedeckte Bewegungsapparate zu studieren, etwa in der KSS, hat erkannt, dass die wenigsten Schweizer Waden so wohlgeformt und sonnengeküsst sind wie jene von Freibadmeister Stocker.

Es ist auch kein Zufall, dass eine Schaffhauser Traditionsbäckerei zwar knusprige «Meitschibei» im Sortiment hat, aber niemals so etwas wie «Buebebei» in die Auslage aufnehmen würde. Diese wären, farblich beim Feta, taktil beim Mozarella und olfaktorisch beim Reblochon, höchstens im Käsefachgeschäft zu finden.

Man darf annehmen, dass an dieser Stelle die ersten Leserbriefautoren besorgt ihre Computer aufstarten und die offensichtliche Frage eintippen: Was, bitte, trägt man als SN-Korrespondent denn auf Bermuda? Nun, diese Problemstellung ist, leider, doch sehr akademisch.

Aber selbstverständlich ist es dem reisenden Medienvertreter unbenommen, ja angeraten, sein Erscheinungsbild lokalen Traditionen und Usanzen anzupassen. Das heisst für bermudische Pressekonferenzen also: kurze Hosen ausnahmsweise ja, aber dann aus leichter Leine oder Wolle, kombiniert mit knielangen Socken, schwarzen Lederschuhen, dunklem Blazer und Krawatte.

Solange im Bodensee keine Korallenriffe wachsen, sollten die Bermudas aber auf Bermuda bleiben. Wer hingegen als Mann auch in unseren europäischen Längen auf kurze Beinkleidung partout nicht verzichten will, dem sei ein einziger commentmässiger Ausweg empfohlen: der Kilt.

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