Erhebende Tradition oder gelebte Demokratiefeindlichkeit?

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Am Samstag heiratet Prinz Harry Meghan Markle. Ist das weltweit über­tragene Spektakel der Freudentag einer ­modernen Monarchie oder unnötige Erinnerung an vergangene Machtverhältnisse?

Pro

Von Zeno Geisseler, Redaktor Kanton

Wenn zwei Menschen sich treffen, dann kann das für Millionen von Menschen die Welt verändern – positiv wie negativ: Nehmen wir von ­Ribbentrop und Molotow, 1939. Nixon und Mao, 1972. Donald Trump und Kim Jong-un, 2018. Die Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle ist vielleicht weltpolitisch unbedeutend, aber dennoch für Millionen von ­Menschen ein wichtiges Ereignis.

 

Aus republikanischer Sicht kann man es sich natürlich einfach machen und sich fragen, warum hier so ein Tanz gemacht wird um einen, der mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde und noch nie zum Brotgewinn arbeiten musste.

Aber so einfach ist es nicht. Es stimmt, die britische Royal Family kostet den Steuerzahler jedes Jahr viel Geld. Aber die Queen und ihre Nachkommen sind das Rückgrat der Nation, fern jeder tagespolitischen Sorge. Schottland mag über die Sezession abstimmen, das ganze Land über den EU-Austritt, die mächtigste Frau im Land mag gerade Margaret Thatcher heissen oder Angela Merkel: Die königliche Familie steht über dem allem. Was nicht heisst, dass sie unnahbar, unbeugsam und nationalistisch sein muss. Die Monarchie mag es seit Jahrhunderten geben, aber sie hat nur überlebt, weil sie anpassungsfähig ist. Ein britischer Royal, der eine geschiedene Amerikanerin heiratet? Das war schon mal da, und damals war es ein handfester Skandal. Jetzt ist diese geschiedene Amerikanerin auch noch die Tochter eines Weissen und einer Afroamerikanerin, und das zieht zwar die üblichen dummen, rassistischen Kommentare auf sich, aber auch eine Welle der Unterstützung. Anders als in früheren Jahren hält sich das Königshaus auch nicht mehr zurück, sondern wehrt sich, wenn seine Mitglieder – oder ihre künftigen Ehepartner – angegriffen werden. «Never complain, never explain», das war einmal.

Überhaupt ist es schon längst vorbei mit der «stiff upper lip», jener urbritischen Haltung, dass man keine Schwäche zeigt. Harry steht dazu, dass er nach dem Tod seiner Mutter Diana psychische Probleme hatte, und er setzt sich dafür ein, dass Menschen in einer ähnlichen Situation geholfen wird. Mit dieser Art werden Harry, und noch mehr sein Bruder und Thronfolger William, die Königsfamilie und das ganze Land für die kommenden Jahrzehnte prägen.

Wer jetzt immer noch nach einem Grund sucht, am kommenden Samstag wenigstens ein paar Minuten Prinzenhochzeit zu schauen, der bedenke noch eines: Dieses Fest dürfte das letzte Mal sein, dass wir die Queen an einem solchen royalen Grossanlass zu sehen bekommen.

Contra

Von Thomas Martens, Produzent Redaktion

Prinz Harry und Meghan Markle heiraten am Samstag. Was bei mir und manch anderen Zeitgenossen lediglich eine Randnotiz darstellt, wird von vielen weltweit mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt. Dabei ist es keineswegs mangelndes Interesse am Weltgeschehen, was mich an diesem Thema absolut kaltlässt, sondern die Fokussierung auf das Wesentliche – und die Eheschliessung zwischen einem bleichen Rotschopf adliger Abstammung und einer zweitklassigen US-amerikanischen Schauspielerin gehört nun wirklich nicht dazu.

Warum interessieren sich ganz normale Menschen, die ansonsten nichts mit der Queen und ihrer Sippschaft zu tun haben, für die Heirat eines in der britischen Thronfolge nachrangigen Familienmitgliedes? Wenn es sich um den eigentlichen Thronfolger handeln würde, könnte ich die Aufregung ja gerade noch nachvollziehen, schliesslich würde es ja dann um das Staatsoberhaupt gehen. Aber ausgerechnet Prinz Harry, der in der Vergangenheit eher durch seine Eskapaden und Affären – Stichwort «kleiner Prinz» – ein Liebling des Boulevards wurde? Schön, ist man geneigt zu sagen, dass das frühere Enfant terrible endlich auf den Pfad der Tugend gefunden zu haben scheint und sich das eheliche Korsett anlegen lässt. Damit lässt sich der ganze mediale Affenzirkus mit Liveübertragungen in alle Welt aber nicht erklären.

Ist es vielleicht die unterschwellige Hoffnung des Publikums, dass bei der Hochzeit irgendetwas Unvorhergesehenes den monatelang minutiös geplanten Ablauf stört? Also quasi so etwas wie Schadenfreude, dass auch bei den Reichen und Schönen nicht alles glattgeht? Würde mir genügen, das am übernächsten Tag als Kurzmeldung in der Zeitung zu lesen und mich dann darüber amüsieren zu können. Oder ist es vielmehr der Reiz für Nichtwohlgeborene, sich wenigstens 
als medialer Zaungast als Teil der royalen Zeremonie zu fühlen? So 
wie Liebhaber der seichten Unterhaltung sich bei den Sissi-Filmen am Leid der jungen Kaiserin ergötzen?

Tja, Fragen über Fragen, aber keine Erklärung. Ich ziehe für mich die Konsequenz und oute mich als Monarchiegegner, dem dieser ganze Apparat von Erbfolge und grosszügiger finanzieller Zuwendungen, ohne dafür arbeiten zu müssen, völlig zuwider ist. Was ich am Samstag zur Zeit der Trauung mache? Wenn’s schön ist, Rasen mähen und draussen mit den Kindern spielen, wenn’s regnet, im History Channel eine Doku über die französische Revolution anschauen. Das waren wenigstens noch Zeiten!

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