Wintersport: Sportliches Naturerlebnis oder sinnlose Materialschlacht?

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Ist Wintersport noch zeitgemässe? Darüber streiten sich Tito Valchera und Clarsissa Rohrbach

«Alles fährt Ski» hiess 1963 ein Schlager von Vico Torriani. Seither hat sich auf und neben der Piste viel verändert. Im heutigen «Pro & Contra» geht es um die Frage, ob Wintersport noch zeitgemäss ist.

Pro

von Tito Valchera, Redaktor Region

Skifahren ist eine faszinierende sportliche Betätigung in der Natur. Es braucht nur einen Hang mit Gefälle, eine Skiausrüstung sowie ein Transportmittel. Dies kann der Skilift in Opfertshofen, eine Sesselbahn im Hoch-Ybrig oder die Drehgondel zum Titlisgletscher auf 3000 Meter Höhe sein. Die Piste kann kurz, lang, ganz steil oder fast flach sein. Beinahe überall kann man Skispass ­haben. Letztendlich geht es um das Erlebnis in der Natur.

Jede und jeder in der Schweiz soll in der Jugend auf den Brettern gestanden sein und dann selber entscheiden, ob er weiter fahren will. Studien belegen, dass die Zahl der übergewichtigen Jugendlichen steigt. Können sie für den Skisport begeistert werden, profitiert ihre ­Gesundheit davon. Unvergessliche Erlebnisse bleiben für die Jugend­lichen und die Kinder die jährlich stattfindenden Skilager, so auch bei mir. Und sie öffnen das Fenster zu einer neuen Welt. Das gilt auch für die vielen Schaffhauser, die fürs Skifahren in die Berge fahren und die Bergluft geniessen. Denn seien wir mal ehrlich: Was gibt es Schöneres, als vor einer eindrücklichen Berg­kulisse seine Schwünge zu ziehen? Wenn es dann blauen Himmel, Sonne satt und Neuschnee hat, vermittelt einem das ein wunderbares Gefühl von Freiheit.

Kritiker sagen, dass dieser Wintersport auf zwei Brettern zunehmend unbezahlbar wird. Als fünfköpfige Familie ist es in etwa gleich teuer, eine Woche Skiurlaub zu machen wie eine Woche ans Meer in die Wärme zu fahren. Oft wird aber vergessen, dass auch früher sich nicht alle das Skifahren leisten konnten. Auch gibt es heutzutage Komplett­angebote, die nicht so teuer sind; und Skigebiete wie Saas-Fee bieten grosse Rabatte bei Saisonkarten an. Kleinere Skigebiete sind zudem deutlich günstiger als grosse.

Befeuert wird der Breitensport von Skirennfahrern wie Beat Feuz oder Lara Gut. Sie alle sind in den Schweizer Skigebieten zum ersten Mal auf den Brettern gestanden. Die Schweiz ist eine klassische Skination. Und Skifahren ein kulturelles Gut, das zumindest früher stark in der Familie gelebt wurde. Als ich ein kleiner Junge war, liefen bei uns zu Hause beim Mittagessen stets die Skirennen, bei denen Pirmin Zubriggen, Michela Figini und Co. reihenweise Siege einfuhren. Es stimmt, die Zeiten haben sich geändert – der Käserennanzug ist weg, die Carvin-Ski sind da, und die Schweizer dominieren nicht mehr nach Belieben. Umso wichtiger: die Jugend an das Skifahren heranzuführen – darunter ist ­sicher auch ein ­zukünftiger Champion.

Contra

Von Clarissa Rohrbach, Redaktorin Inland

Der Stress beginnt schon mit der Strumpfhose. Und der Thermo­unterwäsche. Und den Wollsocken. Schliesslich muss man sich für den Berg ja richtig einpacken, um möglichst sorgenfrei über den Schnee zu flitzen. Der Druck, auf der Piste cool auszusehen, ist hoch, sehr hoch. Wobei es den Anschein macht, als ob gelassenes Skifahren aus der Mode gekommen sei. Jetzt muss man möglichst schnell sein. Deswegen tragen ja alle einen Helm. Um sich nicht die Köpfe einzuschlagen.

Aber zurück zu den Vorbereitungen. Da schreitet man also dick ­eingepackt zur Talstation. Ganz wichtig ist, auf keinen Fall zu zeigen, dass die Skischuhe einem das Laufen fast verunmöglichen. Und dass die Ski schwer zu tragen sind. Schliesslich herrscht am Morgen früh die Freude, satte 80 Franken für den bevorstehenden Tag auszugeben. Man zieht also die Bankkarte aus dem Portemonnaie und bezahlt zähneknirschend den happigen ­Betrag. Aber es lohnt sich ja, bald ist man auf der Piste, pure Freiheit und so weiter. Ach ja, einige schwärmen auch von Naturverbundenheit: Man könne auf dem Berg so gut Energie tanken. Das ist wohl das schlechteste Argument überhaupt. Es ist kein Geheimnis, dass Skigebiete eine Katastrophe für die Umwelt sind. Es ist, als ob ein ganzer Bergabschnitt in eine Autobahn verwandelt würde: Für den Bau einer Skipiste wird kilometerweise Wald ­gerodet. Nicht zu reden von den ­Tieren, die wegen der Skifahrer im Winter in ­einem Dauerstress leben.

Nochmals zum Skitag. Man fährt also los, freut sich auf den Schnee. Doch die Piste ist gerammelt voll. Nach weniger als zwei Minuten gelangt man zum Skilift und muss Schlange stehen. Die Leute drängen nach vorn, schubsen einander, und wenn’s schlecht geht, teilt man für eine halbe Ewigkeit den Anker mit dem Hintern eines Fremden. So viel Nähe will keiner. Überhaupt steht der Aufstieg in keiner Relation zur Abfahrt. Langweilige Viertelstunden für wenige Minuten Freude. Und passt man nicht auf, reisst man sich das Kreuzband und landet in einem Rettungsschlitten, wie es mir schon passiert ist.

Nachdem man also ein halbes Vermögen ausgegeben hat, den ganzen Tag in Gefahr geschwebt ist, sich ernsthaft zu verletzen, und die Umgebung der Wildtiere beeinträchtigt hat, kommt man kaputt nach Hause – alles tut weh – und fragt sich: Muss das wirklich sein? Nein. Es ist ein ökologischer und finanzieller Wahnsinn, der fälschlicherweise als Spass vermarktet wird. Tatsächlich ist es nur eins: ein Riesenstress.

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