Der Streich, der keiner war

Alfred Wüger Alfred Wüger | 
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Es ist haargenau zehn Jahre her, seit Monika Burgener in einem Leserbrief fragte, was eigentlich vom «guten alten Maturastreich» noch übrig sei.

Es ist haargenau zehn Jahre her, seit Monika Burgener in einem Leserbrief fragte, was eigentlich vom «guten alten Maturastreich» noch übrig sei. Damals war es offenbar verboten, sich zum Maturastreich zu verkleiden. Ein Burkaverbot ante verbum sozusagen.

In diesem Jahr müssen wir von einem «sogenannten Maturastreich» reden, denn es ist doch bei Weitem kein Streich, wenn Maturandinnen und Maturanden mit dem auf «Bahn frei» gestellten Signal der Schulleitung nach dem Drehbuch eines Hollywoodstreifens auf der Munotwiese einen Sportevent mit Wasserpistolen organisieren. Dass der Anlass lustig war, soll hier nicht bestritten werden.

Aber unter einem Streich versteht man gemeinhin etwas anderes, nämlich die kreative Überschreitung einer verordneten Grenze. Könnte es sein, dass bei den jungen Menschen zurzeit gar kein Bedürfnis besteht, wider den Stachel zu löcken? Diese Frage muss in diesem Zusammenhang gestellt werden, denn man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die jungen Menschen heute einen überaus angepassten Eindruck machen. Angepasst woran? Gibt es eine Angst, den eigenen Platz im Leben nur dann zu finden, wenn man jedes Anecken vermeidet? Gibt es eine Furcht davor, bei Auffälligkeiten nicht mehr im Rennen um einen lukrativen Job zu sein? Eine Angst davor, aus dem gesellschaftlichen Netz zu fallen?

Im heutigen Zeitalter des ­«Anything goes» stellt man fest: Nein, nichts geht mehr. Provokationen, so sie denn als solche gemeint sind, laufen ins Leere. Welche Grenzen überschreiten? Welche Tabus brechen? Der Mainstream ist über die Ufer getreten und deckt alles zu. Und das Erstaunlichste daran: Die Jugend lässt sich das gefallen. Wo ist der rebellische Geist? Wo die Sehnsucht nach dem Meer und wo das Samenkorn, das nicht unter alledem erstickt?

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