Hats hier WLAN?

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Eva Maria-Brunner behandelt in ihrer Familienkolumne diverse Themen, immer direkt aus dem Leben gegriffen. Bild: SN-Archiv

Keine Familienkolumne, in der nicht mindestens einmal das Thema «Bildschirmzeit und Medien» beackert wird. Ich habe es vor mir hergeschoben. Wollte ein schmissiges Fazit in 4000 Zeichen liefern. Sie ahnen es, ich habe es nicht gefunden. Ein komplexes Thema lässt sich nicht bequem auf Schwarz oder Weiss reduzieren. Hello again, ihr anstrengenden Grautöne. Als wir vor 15 Jahren unser Haus kauften, hatten wir einen Plan. Aus dem ehemaligen Badezimmer, kaum grösser als ein begehbarer Schrank, sollte dereinst das Computerzimmer werden. Ein Raum für alle Familienmitglieder und wir hätten immer schön im Auge, auf welcher Welle unser Nachwuchs gerade durchs WWW surft.

«Seien wir ehrlich: Ohne Smartphone läuft spätestens ab der Oberstufe bei den Jugendlichen nichts mehr.»

Nicht nur unsere Kinder lachen 2022 über diese naive Idee. Seien wir ehrlich: Ohne Smartphone läuft spätestens ab der Oberstufe bei den Jugendlichen nichts mehr. Es wird vorausgesetzt, dass sie Informationen empfangen und übermitteln, sich in Gruppenarbeiten online austauschen. Fahrplaninformationen für die Exkursion, Push-Meldungen über neu aufgeschaltete Lehrstellen – ohne ­mobiles Endgerät wirds schnell schwierig. Anton berichtet, dass er einer der Letzten sei ohne Handy. Ob er die Zahl bewusst nach oben korrigiert, um mit sanftem Druck unsere «Handy-zum-12.-Geburtstag-Regel» ins Wanken zu bringen? Er behilft sich mit iPod und Spielkonsole, unser Mitleid hält sich in Grenzen.

Die Schule thematisiert den Umgang mit Smartphones und wie man sich in den sozialen Medien ­bewegt. Die Lehrpersonen machen das gut, finde ich. Sie ziehen Fachleute bei, informieren über Elternbildungsangebote. Aber auch wir Eltern können uns nicht vor dem abschreckend grossen Themenkomplex drücken. Gerade wir, die wir noch nicht als «Digital Natives» aufgewachsen sind, müssen uns mit Phänomenen auseinandersetzen, die wir vielleicht nicht durchschauen oder auf die wir schlicht keine grosse Lust haben.

Pünktchen zeigt mir Aditotoro, einen Influencer auf Tiktok. Nachdem ich verdaut habe, dass dieser Mann ­wegen seines Haarschnitts und seines Schnauzes in den Neunzigerjahren ­garantiert gemobbt worden wäre, gucke ich mit meiner Tochter Filme an, in denen er die Schweiz erklärt. Lache. Und verstehe, warum er seine Zielgruppe erreicht. Emil tats im Radio, ­Divertimento im TV. Warum soll eine neue Generation nicht auch neue Kanäle nutzen? Wenn ich durch den Wald stiefle und dank meiner App das Grünzeug zu meinen Füssen als «Platterbse (Lathyrus)» identifiziert bekomme, wenn Pünktchen uns auf dem kürzesten Weg zum Strand lotst oder Anton eine englische Kultband durch ein ­Bike-Video auf YouTube kennt – dann ist das nicht alles schlecht. Im Gegenteil. Mich mit anderen Eltern darüber auszutauschen, wie sie es schaffen, Grenzen zu setzen und einen gesunden Umgang mit der Bildschirmzeit vorzuleben, wäre hilfreich.

Ich habe das ­Gefühl, dass über das Thema oft unehrlich gesprochen wird. Wir wissen alle, was ideal wäre. Und unsere Realität ist oft … Grautöne, genau. Ich behaupte, dass über kaum ein anderes Thema wie Durchschlafen und Medienzeit mehr geschwindelt wird auf Spielplätzen oder nach Elternabenden. «Sie schläft wie ein Murmeltier, seit sie sieben ­Wochen alt ist» wird abgelöst durch «Wir haben die Regel, dass er nur jeden zweiten Tag eine halbe Stunde etwas schauen darf. Funktioniert super!» Und sind die Kinder im Oberstufenalter, rollt man nur noch mit den Augen und behauptet: «Aber nachts lassen sie das Handy im Wohnzimmer.»

Gehen wir in den Austausch. Teilen wir unsere Sorgen. Geben wir weiter, was sich wirklich bewährt. Atmen wir durch, wenn wir hören, dass es auch in anderen Familien ein Thema mit Zündstoff ist. Reagieren wir, wenn wir ein ungutes Gefühl haben. Seien wir ab und zu auch einfach entspannt. Konsumieren wir immer mal wieder gemeinsam mit unseren Kindern auch Inhalte, die sie spannend finden.

Ich schaue mir jetzt Aditotoro am Eidgenössischen Schwingfest an.

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