Baustoffe: «Holz wird Beton ablösen»

Iris Fontana | 
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Holzbauten weisen eine positive CO2-Bilanz auf. Bild: ZVG

Holz: Uralt und doch hip. Und gar ein Wundermittel gegen die Klimakrise? Wir fragen nach bei Michael Hübscher, Inhaber der Hübscher Holzbau AG in Beringen. Er nimmt Stellung zur Ökobilanz von Holzbauten, erklärt die jüngst erlebte Preisexplosion und stellt sich der Frage, ob eine Zunahme an Holzbauten nicht einen Raubbau an unseren Wäldern nach sich zieht.

Im vergangenen Jahr sind die Holzpreise richtiggehend explodiert. Wie sieht die Situation heute aus?
Michael Hübscher
: Die Lage hat sich weitgehend beruhigt. Der Spuk dauerte bis Mitte 2022. So schnell der Preis zuvor gestiegen war, so schnell sank er dann auch wieder. Im letzten November kaufte unser Betrieb Holz zum tiefsten Preis ein, den ich je erlebt hatte. Mittlerweile hat sich der Preis wieder auf dem ursprünglichen Niveau von 2020 eingependelt. Für die ganze Branche waren diese Preissprünge aber natürlich eine sehr unglückliche Entwicklung.

Was sind die Hintergründe?
Hübscher
: Um die Preisentwicklung der letzten drei Jahre zu verstehen, muss man wissen, dass Schnittholz ein börsengehandelter Rohstoff ist. Die Preisexplosion hatten wir der letzten US-Regierung zu verdanken. Ende 2020 führten die USA exorbitante Importzölle auf kanadisches Holz ein. Dies führte dazu, dass sich die USA nach einem neuen Importeur umsehen mussten. Sie wurden in Europa fündig, was hier logischerweise zu einer Preissteigerung führte. Nicht wirklich aufgrund einer Verknappung des Holzes, sondern einfach durch die sich dadurch ergebende Gesamtdynamik.

Holz als Baustoff scheint immer beliebter zu werden – ist der Eindruck richtig?
Hübscher:
Der Eindruck trügt nicht und wir freuen uns natürlich darüber, dass der CO2-neutrale und heimische Baustoff an Beliebtheit gewinnt. Rein statistisch gesehen, fand in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH) vor zehn Jahren der grösste Anstieg an Holzbauten statt. Seitdem hält sich das Niveau einigermassen. Einzig in den zwei Bereichen öffentlicher Bau und Mehrfamilienhäuser findet eine kleine Steigerung statt. (Anmerkung der Redaktion: Siehe dazu auch den spannenden Blogeintrag von Wüest Partner).

Statistiken zeigen, dass die Immobilienbranche und die Bauindustrie für 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich sind. Könnte durch den Ersatz von Stahl und Beton der Klimawandel gestoppt werden?
Hübscher
: Ich habe die Zahlen angeschaut. Allein die Zementproduktion für Beton ist heute für 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich. Wenn wir das herunterbrechen und den Ausstoss von CO2 für ein Einfamilienhaus in Massivbauweise betrachten, liegt der Ausstoss für die Herstellung bei rund 67 Tonnen CO2, was rund 2,5 Millionen gefahrenen Autokilometern entspricht. Im Vergleich dazu liegt der grosse Vorteil von Holz darin, dass es beim Wachstum der Atmosphäre CO2 entzieht und einspeichert. Dieses bleibt auch bei der Verarbeitung weiter eingespeichert, bei einem Einfamilienhaus rund 30 Tonnen CO2. Auch benötigt die Verarbeitung des Holzes zu Bauholz relativ wenig Energie. So verbleibt am Schluss eine positive CO2-Bilanz.

Dann also ran an das Holz …
Hübscher:
Ja, natürlich. Wäre man konsequent, müsste jedes Einfamilienhaus im Massivbau mit zwei Holzhäusern kompensiert werden. Was mir persönlich jedoch fast noch mehr bedeutet, ist das bessere Raumklima, das in einem Holzhaus besteht. So belegen Studien, dass der Puls von Bewohnern eines Holzhauses rund fünf Herzschläge pro Minute tiefer liegt verglichen mit Bewohnern eines Massivbauhauses. Dies bezeugen auch die positiven Feedbacks unserer Kunden, die uns erklären, dass sie sich einfach wohl fühlen in unseren Häusern und eigentlich gar nicht wirklich sagen können, weshalb.

Hübscher Holzbau AG

Das Unternehmen mit Sitz in Beringen beschäftigt rund 65 Mitarbeiter, welche in den Bereichen Holzhausbau, Umbau und Sanierung sowie Innenausbau tätig sind. Hinzu kommen Spezialaufträge wie Ausstellungs-, Event-, Gewerbe- und Industriebauten oder auch einmal ein Sonderprojekt wie der Siblinger Randenturm.

Bestünde anderseits aber nicht die Gefahr eines Raubbaus der Wälder, wenn im grossen Stil auf Holzbau umgestellt würde?
Hübscher
: Das ist sicher ein Thema, das im Auge behalten werden muss. Glücklicherweise verfügen wir in der Schweiz und in den umliegenden Nachbarländern über ein sehr strenges Waldgesetz, nachdem dem Wald nur so viel Holz entnommen werden darf, wie wieder nachwächst. Und in den DACH-Ländern haben wir die Situation, dass die Waldfläche jährlich sogar zunimmt. In der Schweiz beträgt diese Zunahme die Grösse des Bielersees. Zudem wird aktuell in der Schweiz nur rund die Hälfte des Holzes verwendet, welches eigentlich genutzt werden dürfte.

Was passiert eigentlich mit den Resten, die bei der Erstellung von Bauholz anfallen?
Hübscher:
Für die Nachhaltigkeit und effiziente Nutzung ist eine saubere Kaskadennutzung wichtig. Das heisst: Der Rohstoff Holz wird über mehrere Stufen hinweg genutzt. Äste und Nebenprodukte eines Baumes können einer Schnitzelheizung zugeführt werden und produzieren Wärme. Aus dem Stamm wird Bauholz gefertigt und wenn das Haus erneuert werden muss, wird aus dem Holz Plattenmaterial hergestellt. Hat auch dieses seine Lebensdauer erreicht, kann es zum Schluss noch verfeuert werden.

Woher beziehen Sie ihr Holz und wieviel davon ist regional verfügbar?
Hübscher:
Wir beziehen sämtliche Baumaterialien aus einem Umkreis von 150 Kilometern. Dabei hängt die Bezugsquelle sehr davon ab, was für Holz benötigt wird. Einfache Produkte wie beispielsweise Latten beziehen wir aus dem Sägewerk des Nachbardorfes. Für komplexere Produkte, welche zusätzliche Bearbeitungsschritte durchlaufen haben, müssen auch die entsprechenden Werke vorhanden sein. Aber mit unseren Distanzen liegen wir immer noch um Welten vor der Zementindustrie.

Holzbau war jüngst auch Thema im Schaffhauser Kantonsrat. Da ging es darum, dass einzelne Verarbeitungsschritte nicht im Kanton durchgeführt werden können.
Hübscher:
Da ging es um die Leimbinder. Aktuell beziehen wir zum Beispiel unsere Leimbinder für einen Bau der Stadt Schaffhausen aus einem Werk in Stammheim, ebenso gibt es bei Dettighofen ein grosses Werk, welches auch Schaffhauser Holz verarbeitet. Natürlich hätte ich nichts dagegen, wenn die Verarbeiter noch näher wären, aber dazu müsste ein Unternehmer auch den dafür benötigten Platz auf einem Industrieland erhalten, zudem die Genehmigung und Zustimmung der Bevölkerung. Denn ein solch grosses Werk mit dem damit verbundenen Verkehrsaufkommen will auch nicht jeder in der Nachbarschaft haben.

Wohin entwickelt sich der Holzbau in Zukunft?
Hübscher:
Holz wird Beton als Standardrohstoff für den Gebäudebau ablösen. Das wird noch etwas dauern, aber wir sind auf gutem Weg.

Michael Hübscher

 

Der 35-Jährige Michael Hübscher repräsentiert die dritte Generation des 1952 gegründeten, traditionsreichen Holzbaubetriebs. Aufgewachsen im Betrieb, studierte er nach einem beruflichen Abstecher Holzbauingenieur an der Fachhochschule Biel. 2012 stieg er ins Unternehmen ein, seit 2015 ist er Inhaber der Hübscher Holzbau AG. 2022 übernahm er den Sitz des Verwaltungsratspräsidenten, gab die Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens ab und konzentriert er sich auf den Verkauf und die Akquise. Nachhaltigkeit ist Hübscher wichtig. So produziert seine Firma CO2-neutral, erzeugt und verkauft Fernwärme aus Holz und stellt mit einer Photovoltaikanlage eigenen Strom her.

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