Bundesrat setzt EU-Sanktionen gegen Russland in Kraft

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Der Bundesrat hat heute über die neusten Massnahmen im Ukraine-Krieg erläutert. Symbolbild: Pixabay

Nachdem der Bundesrat am 28. Februar 2022 angesichts der fortschreitenden Militärintervention Russlands in der Ukraine entschieden hatte, die Sanktionspakete der EU vom 23. und 25. Februar 2022 zu übernehmen, sind die darin enthaltenen Massnahmen nun vollständig umgesetzt. Dabei handelt es sich primär um Güter- und Finanzsanktionen. Die Änderungen treten am 4. März um 18:00 Uhr in Kraft.

Wie der Bundesrat an einer Medienkonferenz in Bern mitteilte, werden neu die Ausfuhr sämtlicher doppelt verwendbarer Güter nach Russland, unabhängig vom Endverwendungszweck oder dem Endverwender, verboten. Zusätzlich wird die Ausfuhr von Gütern, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, untersagt. In diesem Zusammenhang wird auch die Erbringung technischer Hilfe, die Vermittlung oder das Bereitstellen von Finanzmitteln verboten.

Die Ausfuhr von bestimmten Gütern und Dienstleistungen im Ölsektor nach Russland ist nicht mehr erlaubt. Zudem wird die Ausfuhr von bestimmten Gütern und Technologien, die für die Verwendung in der Luft- oder Raumfahrtindustrie verwendet werden können, untersagt. Bestimmte Dienstleistungen im Zusammenhang mit diesen Gütern, beispielsweise Versicherungen, Reparaturarbeiten, Inspektionen, Vermittlungsdienste und Finanzhilfen sind ebenfalls verboten.

Übernahme von Sanktionen im Finanzbereich

Öffentliche Finanzmittel oder Finanzhilfen für den Handel mit oder Investitionen in Russland bereitzustellen, ist verboten. Weitere Massnahmen im Finanzbereich betreffen Wertpapiere, Darlehen sowie die Entgegennahme von Einlagen. Auch sind Transaktionen mit der russischen Zentralbank nicht mehr erlaubt. Der Bundesrat hat auch die Übernahme von Sanktionen im Finanzbereich beschlossen, welche die EU am 1. März verabschiedet hat, inklusive der entsprechenden Ausnahmen. «Die Massnahmen der Schweiz entsprechen nun dem Stand der Sanktionen vom 1. März», sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin an einer Medienkonferenz in Bern. Hiervon betroffen ist insbesondere das internationale Kommunikationsnetzwerk SWIFT.

Der Bundesrat hat zudem entschieden, die von der EU am 28. Februar gelisteten Personen in den Anhang 8 der Verordnung zu übernehmen und damit die Vermögen von weiteren Personen mit engen Beziehungen zum russischen Präsidenten Putin zu sperren.

Einklang mit der Neutralität

Die Umsetzung der Sanktionen erfolgt im Einklang mit der Neutralität. Bei Dual-Use-Gütern und strategischen Gütern wird das Gleichbehandlungsgebot beachtet, wenn diese für militärischer Zwecke oder militärische Endverbraucher bestimmt sind. Der Bundesrat ist gewillt, dafür zu sorgen, dass die erlassenen Sanktionen humanitäre Aktivitäten nicht behindern. Für Sanktionsmassnahmen, welche diese beeinträchtigen könnten, hat er humanitäre Ausnahmen vorgesehen.

Der Bundesrat verfolge die weiteren Entwicklungen genau. Er entscheidet autonom über die Übernahme weiterer Sanktionsmassnahmen der EU gegenüber Russland.

Aus heutiger Sicht ist die Versorgungssicherheit der Schweiz im laufenden Winter 2021/2022 trotz des hohen Preisniveaus gegeben. Ein gewisses Restrisiko bleibt je- doch im Falle weiterer grösserer ungeplanter Kraftwerksausfälle oder bei einer länge- ren ausgeprägten Kälteperiode sowie im Falle eines Lieferstopps von russischem Gas nach Europa. Die ElCom beobachtet die Situation in Zusammenarbeit mit weite- ren zuständigen Behörden, namentlich dem Bundesamt für Energie (BFE) und der wirtschaftlichen Landesversorgung (WL) sowie Swissgrid.

Gasversorgung soll gesichert werden

Der Bundesrat will zudem die Resilienz der Strom- und Gasversorgungssicherheit in der Schweiz im Hinblick auf den kommenden Winter 2022/23 rasch erhöhen. Er hat dazu am 17. Februar bereits die Einrichtung einer Wasserkraftreserve beschlossen, die rechtzeitig zur Verfügung stehen soll.

Nun hat der Bundesrat nach Gesprächen mit der Gasbranche auch Vorsorgemassnahmen im Gasbereich beschlossen. Diese sind nötig, weil die Schweiz keine grossen Gasspeicher hat und von kontinuierlichen Importen und damit vom internationalen Gasmarkt abhängig ist. Aufgrund der aktuellen Krise suchen derzeit die EU und viele Länder in Europa nach alternativen und zusätzlichen Liefermöglichkeiten für den nächsten Winter. Es gibt Bestrebungen, dass die Beschaffung von Gas und LNG auf EU-Ebene koordiniert werden soll. Ausserdem haben die EU-Mitgliedsländer Solidaritätsabkommen für die gegenseitige Gaslieferung in Notlagen. Die Schweiz ist nicht in dieses System eingebunden.

Der Bundesrat hat vor diesem Hintergrund die Voraussetzungen geschaffen, dass die Schweizer Gasbranche rasch zusätzliche Speicherkapazitäten im Ausland sowie Gas, LNG und LNG-Terminalkapazitäten beschaffen kann. Da die entsprechenden Beschaffungen aufgrund ihrer Grösse von den Gasunternehmen nur gemeinsam getätigt werden können, sind innerhalb der Branche Absprachen notwendig. Der Bundesrat hat an seiner heutigen Sitzung daher entschieden, dass die Branche die Beschaffungen bereits jetzt gemeinsam tätigen kann, ohne später kartellrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Branche nun die notwendigen Schritte einleitet. «Wir müssen rascher wegkommen von den fossilen Energien, die wir zu 100 Prozent importieren, sonst bleiben wir auf der Strecke», sagte Umweltministerin Simmonetta Sommaruga. Das UVEK und das WBF legen dem Bundesrat in Zusammenarbeit mit der WEKO und der Gasbranche die weiteren Modalitäten bis Ende April vor.

Sommaruga erinnerte an den Ersten Weltkrieg: Damals habe die Schweiz gemerkt, wie abhängig man von Kohle sei. In Zuge des Krieges habe man mehr auf Wasserkraft gesetzt, wovon man noch heute profitiere. «So einen Effort brauchen wir heute erneut.»

Schutz für Flüchtlinge

Der Bundesrat will für Geflüchtete aus der Ukraine den Schutzstatus S aktivieren. Es wäre das erste Mal, dass die Schweiz zu diesem Mittel greift. Zunächst werden aber die Kantone, die Hilfswerke und das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR angehört.

Schutzstatus S: Was geplant ist

Der Bundesrat soll flüchtenden Ukrainerinnen und Ukrainern möglichst rasch und unkompliziert kollektiven Schutz in der Schweiz gewähren.

  • Menschen, die persönlich verfolgt oder potenziell ins Visier genommen werden (Journalisten, Aktivisten, Politiker usw.), sollten jedoch einen Asylantrag stellen und den Flüchtlingsstatus erhalten können.
  • Der Familiennachzug sollte sofort möglich sein.
  • Nach Beendigung des Krieges soll die sichere Rückkehr in die Ukraine unterstützt werden.
  • Die EKM empfiehlt zudem, frühzeitig zu klären, wie diejenigen, die nach Kriegsende nicht zurückkehren können, rasch in den regulären Integrationsprozess und in einen anderen Aufenthaltsstatus geführt werden können.

Darüber hinaus fordert die Eidgenössische Migrationskommission EKM den Bundesrat auf, parallel zu diesen Massnahmen: 

  • die bestehenden migrationspolitischen Kooperationsformen mit allen europäischen Gremien zu verstärken und finanzielle und personelle Ressourcen einzubringen;
  • sich für massgebliche humanitäre Hilfe in der Ukraine und den angrenzenden Erstaufnahmeländern einzusetzen;
  • seine Bereitschaft zur Teilnahme bei einem zukünftigen Relocation-Programm zur Umsiedlung von schutzbedürftigen Personen zuzusagen, wodurch eine Entlastung von Erstasylländern an der ukrainischen Grenze erreicht werden kann.
     

Mit dem Status S würden die Geflüchteten rasch ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz erhalten, ohne dass sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen müssten, schreibt der Bundesrat zum Entscheid vom Freitag. «Damit kann ganzen Personengruppen während der Dauer einer Gefährdung oder eines Kriegs Schutz gewährleistet werden, ohne dass sie ein aufwändiges Asylverfahren durchlaufen müssen», sagte Keller-Sutter. Auch könne sich die Schweiz so der Lösung der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten anschliessen.«Der Krieg betrifft ganz Europa und damit auch die Schweiz. Wir sind aufgerufen zu helfen und uns mit der EU zu koordinieren», so Keller-Sutter.

Der Status S erlaubt es, Schutzbedürftigen während einer schweren Gefährdung wie einem Krieg vorübergehend Schutz zu gewähren. Eingeführt, aber nicht genutzt wurde der Status S aufgrund der Erfahrungen der Jugoslawien-Kriege in den 1990er-Jahren, als ebenfalls viele Menschen im Ausland Schutz suchten.

Der Bundesrat rechnet damit, dass geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer zunehmend auch in der Schweiz Schutz suchen. «Innerhalb weniger Tage haben fast eine Millionen Menschen ihre Heimat verlassen», so Justizministerin Karin Keller-Sutter. 

Für die Unterbringung der Flüchtlinge müssen die Kantone sorgen, sobald der Schutzstatus S erteilt ist. Als Entschädigung erhalten sie vom Bund eine Globalpauschale für die Unterbringung, die obligatorische Krankenkasse und die Betreuung der Geflüchteten. Diese können auch bei Privatpersonen wohnen.

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