«Ich finde, dass Rauchen schön aussieht»

Rico Steinemann | 
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Die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabak» will Tabakwerbung dort verbieten, wo sie Jugendliche erreichen kann. Bild: Key

Warum beginnen Jugendliche mit dem Rauchen, und wie sehr lassen sie sich dabei von der Werbung beeinflussen? Ein Gespräch mit vier Schülerinnen und Schülern der Kanti Schaffhausen.

Die Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Schaffhausen sind zwischen 15 und 17 Jahre alt. Und sie rauchen. Ihre richtigen Namen möchten sie lieber nicht in der Zeitung lesen. Vanessa, Maria, Julia und Alex* wissen, dass Rauchen schädlich ist. Trotzdem tun sie es. Warum das so ist, erklären sie in Gesprächen in der Aula der Kantonsschule. Die Jugendlichen geben bereitwillig Auskunft über ihren Tabakkonsum und wie sie damit angefangen haben. Dabei ist auch die bevorstehende Abstimmung «Kinder und Jugendliche ohne Tabak», die Werbung für Tabakprodukte überall dort verbieten will, wo sie Jugendliche erreichen kann, ein Thema. Eines zeigt sich beim Austausch mit den jungen Raucherinnen und Rauchern: Auch im Jahr 2022 gilt Rauchen in gewissen jugendlichen Kreisen immer noch als «cool» und «chic».

Ausgehen und rauchen

Vanessa, 16 Jahre alt, und Julia, 17 Jahre alt, rauchen beide täglich. Angefangen haben die beiden Teenager im Ausgang. Vanessa sagt: «Das erste Mal habe ich im Ausgang geraucht. Man sieht die Älteren rauchen und denkt: ‹Wenn ich mal älter bin, kann ich auch rauchen›.» Ihre Freundin Julia nickt. «Ich sah im Ausgang ebenfalls, wie Kollegen rauchten. Das sah cool aus, und ich wollte es auch mal probieren.» Sie habe die Wirkung gemocht, sagt Julia. «Es hat mich entspannt. So fing das an. Nun rauche ich auch, um mich zu beruhigen, wenn mich in der Schule etwas aufregt.» Angesprochen auf den Einfluss der Werbung sagen die beiden Kantischülerinnen, dass sie diese kaum wahrnehmen. «So wie ich Werbung verstehe, also auf Plakaten und Zeitschriften, nehme ich sie schlicht nicht wahr. Und es beeinflusst mich auch nicht», sagt Vanessa. Julia bestätigt das. Sie habe auch nicht deswegen angefangen zu rauchen. Allerdings fügt sie an, «habe ich das vielleicht unterbewusst wahrgenommen.»

«Diese Bilder stellen das Rauchen als etwas Ästhetisches dar. Und das spricht mich an.»

Vanessa, Kantischülerin

Viel mehr als traditionelle Werbung würden sie aber von Bildern und Videos in Internet beeinflusst. «Das ist etwas ganz anderes», sagt Vanessa. «Diese Bilder stellen Rauchen als etwas Ästhetisches dar. Und das spricht mich an.» Viele ihrer Kolleginnen sagten beispielsweise, dass es schön aussehe, wenn eine Frau eine Zigarette rauche. «Dabei ist es egal, ob das Bild von einer bekannten Person ist oder nicht. Ich finde einfach, dass Rauchen schön aussieht.» So wie es im Internet dargestellt werde, glaube sie schon, dass sie unterbewusst davon beeinflusst werde. Auch Julia folgt auf Instagram Deutschrappern und Models, die rauchen. Und sagt offen, dass sie eine Wirkung auf sie haben. «Genau wie Vanessa mag ich das Ästhetische am Rauchen. Aber mir gefällt es auch, weil Leute, die ich cool finde, es ebenfalls tun.»

Erstaunlich, wie reflektiert die Jugendlichen über ihren eigenen Tabakkonsum nachdenken. Ein weiteres Beispiel: Kürzlich seien sie zusammen an einem Konzert gewesen, erzählt Vanessa. «Die Künstler haben geraucht. Das sah schon cool aus, wie sie so sangen und rauchten. Mich hat das nicht gestört.» Aber sie habe sich schon gefragt, was das mit Jugendlichen mache, die noch etwas jünger als sie seien und die noch nicht rauchen würden. «Mich hätte das wohl beeinflusst», sagt sie.

Auch beim 15-jährigen Alex spielte das soziale Umfeld beim Einstieg die Hauptrolle. Der Kantischüler sagt: «In der Sek hat die Hälfte meiner Klasse geraucht. Ich habe das gesehen und mich hat es wunder genommen, wie es schmeckt.» Er sei mit den Kollegen mitgegangen, habe anfangs noch nicht mitgeraucht, aber dann habe er es auch probiert. Auch der Reiz des Verbotenen habe ihn zu Beginn angezogen. «Und ich mochte den Nikotinflash, diesen leichten Schwindel.»

Für ihn sei Rauchen «ein Freundschafts- und Ausgangsding.» Auch er sagt, dass der Einfluss der Werbung bei seinem Einstieg keine Rolle spielte. «Ich habe ab und zu ein Plakat am Bahnhof gesehen. Aber bewusst wahrgenommen habe ich das nicht.» Er glaubt, dass der Freundeskreis einen viel grösseren Einfluss habe. Julia, 17 Jahre alt, ist die einzige Gelegenheitsraucherin des Quartetts. Sie rauche nur im Ausgang, erstmals habe sie eine Zigarette am Geburtstag einer Kollegin probiert. «Ich fand es gar nicht cool und habe dann auch lange nicht mehr geraucht.» Später habe sie im Ausgang wieder angefangen. Hat sie Tabakwerbung bewusst wahrgenommen? Julia verneint. «Plakate sehe ich kaum. Wenn, dann erreicht mich Werbung im Internet.» Bilder auf Social Media transportieren die Stimmung des Rauchens, wie Julia es ausdrückt. «Jemand sitzt in der Bar, hat einen Drink und raucht. Das sieht chic aus. Und cool.» Die Bilder seien aber keine klassische Werbung beispielsweise für eine Zigarettenmarke. Sondern einfach coole Fotos von Personen, die rauchen.

Bei der Wahl der Marke sei ebenfalls das Umfeld und nicht die Werbung entscheidend, berichten die Jugendlichen. Da ist der ältere Bruder, der Tabak selber rollt, die ältere Schwester oder die Freunde, die Winston Blue rauchen. Also würden auch sie diese Marken wählen. Obwohl sie eigentlich noch zu jung sind, um selber Zigaretten zu kaufen, kämen sie problemlos an diese heran, bestätigen alle vier. Klappt es in einem Laden nicht, gehen sie halt in einen anderen. Oder sie fragen ältere Kollegen.

Und wie denken die Jugendlichen über die Volksinitiative, die ein Verbot von Tabakwerbung fordert? Sie haben davon gehört, richtig damit befasst oder aktiv darüber diskutiert haben sie aber nicht. Vanessa sagt: «Ich glaube, ein Verbot hätte mich in meiner Entscheidung nicht beeinflusst. Man müsste eher bei Social Media viel strenger sein.» Auch Alex glaubt nicht, dass ein Verbot viel bringen würde. «Ganz ehrlich: Ich glaube, dass 90 Prozent wegen etwas anderem als Werbung mit dem Rauchen anfangen.» Julia ist die einzige des Quartetts, die findet, dass ein Verbot zumindest «teilweise» eine Wirkung hätte. «Werbung macht ja schon auf etwas aufmerksam. Gäbe es sie gar nicht, hätte das vielleicht schon einen Einfluss.»

Rückläufiger Trend

Armando Meier, Ökonom der Universität Lausanne, hat mit seinem Kollegen Alois Stutzer von der Universität Basel für eine Studie Daten des Tabak- und Suchtmintorings ausgewertet, bei dem Jugendliche bis zum Alter von 21 Jahren zu ihrem Tabakkonsum befragt werden. Er sagt: «Der Trend geht in den letzten Jahren dahin, dass immer weniger Junge Rauchen cool finden.» Allerdings gehe die Zahl seit 2010 nicht mehr so stark runter wie in den Jahren davor. «Im Bereich 17 Jahre und jünger ist der Raucheranteil zwischen 2007 und 2016 nur leicht zurückgegangen.» Auch im Altersbereich 18 und älter sei der Trend kontinuierlich rückläufig. Laut Bundesamt für Statistik rauchen bei den 15- bis 24-jährigen Schweizerinnen und Schweizern 32 Prozent. Auch der Experte spricht vom «Coolness-Aspekt», den das Rauchen unter Jugendlichen teilweise immer noch habe. Anders als die angesprochenen Jugendlichen glaubt er aber, dass Werbung ebenfalls eine Rolle spielt. «Es steigert sicher das Interesse, wenn man Werbung sieht.» Dass Social Media und Influencer ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, bestätigt Meier. «Das zu unterbinden, ist aber eine ganz schwierige Aufgabe.» Wie steht Meier zu einem Werbeverbot? «Will man die Raucherquote um jeden Preis senken, muss man diesen Vorschlag ernsthaft in Erwägung ziehen. Aber bei der politischen Entscheidung spielen auch andere wirtschaftliche und politische Ziele eine Rolle.» Riesige Effekte dürfe man von einem Verbot gemäss Meier aber leider nicht erwarten.

Der Ökonom, der in einer Studie auch die Auswirkungen eines Abgabeverbotes von Zigaretten an Jugendliche erforscht hat, sagt: «Die Erwartungen an das Abgabeverbot und was schlussendlich eingetroffen ist, gingen weit auseinander.» Er hoffe, dass dies bei der Einführung eines Werbeverbotes nicht der Fall wäre, aber es könnte sein, dass die Erwartungen an grosse Veränderungen enttäuscht werden.

* Namen der Redaktion bekannt

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