Abstimmungsempfehlungen der SN-Redaktion: Vorteile überwiegen

Reto Zanettin | 
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Die Steuer-AHV-Vorlage sorgt für eine einheitliche Besteuerung aller Unternehmen und verringert die AHV-Finanzierungslücke. Bild: Key

Die Steuerreform und AHV-Finanzierung (Staf) zählt zu den relevantesten Geschäften der vergangenen Jahre. Ein Ja würde sowohl den Wirtschaftsstandort Schweiz als auch die AHV stärken.

Das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (Staf) reisst einen Graben quer durch die politische Landschaft der Schweiz. Befürworter und Gegner finden sich auf der linken wie der rechten Seite des politischen Spektrums. Zum Pro-Lager zählen neben Bundesrat und Parlament die SP, CVP, FDP sowie Wirtschaftsverbände. Ihnen gegenüber stellen sich die Grünen, die Grünliberalen, die Gewerkschaft im Service public (VPOD) sowie bürgerliche Jungparteien gegen die Vorlage. Die SVP und der schweizerische Gewerkschaftsbund haben Stimmfreigabe beschlossen. An dieser Konstellation lässt sich erkennen, was die Staf effektiv ist: ein politischer Kompromiss – zwar kein schöner, aber einer, dem man zustimmen kann.

Das Parlament hat die Unternehmenssteuerreform mit der AHV-Finanzierung verquickt. Dreh- und Angelpunkt der Vorlage ist die Abschaffung der Steuerprivilegien für Statusgesellschaften gepaart mit einem Werkzeugkasten, aus dem sich die Kantone bedienen können, um Steuerentlastungen einzuführen. Zudem will der Bund pro Jahr eine Milliarde Franken an die Kantone ausschütten, damit die Stände Steuerausfälle abfedern können. Das Geld für diesen föderalistischen Ausgleich soll aus der direkten Bundessteuer kommen. Zu den zwei Milliarden Franken, die bei einem Ja der AHV zuflössen, steuert der Bund 800 Millionen bei. Die Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen sich mit 1,2 Milliarden beteiligen. Die AHV-Beiträge stiegen um je 0,15 Prozentpunkte.

Sicherheit schaffen

Für die Gegner ist klar: Diese Verknüpfung von Unternehmenssteuerreform und AHV-Finanzierung erpresst das Stimmvolk. Der Bürger sehe sich gezwungen, beide Teilvorlagen gemeinsam anzunehmen oder gemeinsam zu verwerfen, obwohl man die Steuerreform befürworten, die AHV-Finanzierung aber ablehnen könne – oder umgekehrt. Das Argument ist stabil. Die Verbindung zweier Themen in ein und derselben Vorlage ist problematisch und ein Manko.

Allerdings verwässert diese Debatte, dass die Staf nicht nur eine Chance, sondern auch dringend ist. Nach dem Nein zur Unternehmenssteuerreform III besteht bis heute ein Vakuum: Wie geht es weiter mit der Unternehmensbesteuerung in der Schweiz? Schickt das Stimmvolk die Staf bachab, wächst diese Ungewissheit. Schnellschüsse auf Bundes- und Kantons-ebene drohen. Nur ein Ja schafft Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen und erlaubt langfristige Investitionen in den Wirtschaftsstandort Schweiz.

Dieser ist seit Jahren unter Beschuss. Zuletzt konnte sich die Schweiz nur deshalb vor der schwarzen Liste der EU retten, weil sie sich verpflichtete, die Steuerbegünstigung der Statusgesellschaften abzuschaffen. Bei einem Nein bliebe unser Land hinter seinem Versprechen zurück. Mit einem Ja hingegen gestalten wir das Schweizer Unternehmenssteuersystem nach inter­nationalen Standards und nehmen die Schweizer Wirtschaft aus der Schusslinie.

Innovation fördern

Unter den Instrumenten zur steuer­lichen Entlastung der Unternehmen be­finden sich Abzüge von Forschungs- und Entwicklungskosten sowie die Patentbox; diese sieht vor, Erträge aus Patenten tiefer zu besteuern. Das begünstigt Innovationen, stärkt die Wirtschaft, sichert und schafft Arbeitsplätze. Wer kann dagegen etwas einwenden?

Auch aus Schaffhauser Sicht bringt die Staf Substanzielles. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die derzeit 392 Statusgesellschaft dem Kanton treu bleiben. Daran hängen ein jährliches Steueraufkommen von 64 Millionen Franken (Stand: 2016) respektive gut die Hälfte der Steuern von juristischen Personen sowie 3200 Arbeitsplätze. Viele der dort beschäftigten Leute leben in der Region, dürften darum dem lokalen Gewerbe – dem Coiffeur, der Bäckerei, dem Spengler/Sanitär – Impulse verleihen. Überdies wirken sich die Staf und die geplante kantonale Umsetzung in den ersten fünf Jahren nach dem Inkrafttreten wohl mit einem Plus von jährlich 2,1 Millionen Franken auf die Staatshaushalte von Kanton und Gemeinden aus, wie die Regierung prognostiziert. In den Jahren sechs bis zehn steigt dieser Betrag voraussichtlich auf 4,4 Millionen Franken. Zu diesen kalkulierten Mehreinnahmen trägt namentlich der erhöhte Anteil der Kantone an der direkten Bundessteuer bei. Unter dem Strich macht sich der Steuer-AHV-«Deal» für den Kanton Schaffhausen auch finanzpolitisch bezahlt.

AHV stärken

Ebenso wie beim Unternehmenssteuersystem besteht auch in Bezug auf die AHV-Finanzierung Handlungsbedarf. Die erste Säule ist bereits heute in Bedrängnis, und in den kommenden Jahren erreichen die Babyboomer das Pensionsalter. Gemäss Berechnung des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) kommt es zwischen 2021 und 2030 ohne Staf zu einer kumulierten Finanzierungslücke von 52,5 Mil­liarden Franken. Bei einem Ja am 19. Mai verringerte sich dieser Fehlbetrag gemäss Modellrechnung des EFD auf knapp 23 Milliarden Franken. Insofern bietet die Staf die Chance, einen ersten Beitrag zur Sicherung der Altersvorsorge zu leisten. Und das zu einem Zeitpunkt, in dem das Problem noch abwendbar, aber doch schon mit einem Fuss in der Tür steht. Darum empfehlen die «Schaffhauser Nachrichten» ein Ja zur Steuer-AHV-Vorlage.

Pro

Planungssicherheit Die Unsicherheit, die seit dem Nein zur Unter­nehmenssteuerreform III besteht, wird ausgeräumt.

Innovation Steuerentlastungen ­begünstigen Forschung und Entwicklung.

Mehreinnahmen Langfristig werden die Einnahmen der öffent­lichen Hand mit Staf ­höher ausfallen als ohne.

Stärkung der AHV Die Staf trägt zur Sicherung der AHV-Renten bei.

Contra

Verquickung Die Vorlage verknüpft zwei Themen, über die separat abgestimmt werden müsste.

Milliardenverluste Die Staf führt zu Milliardenverlusten für die ­öffentlichen Haushalte. Der einfache Bürger muss Zeche bezahlen.

Neue Steuerprivilegien Die Steuerentlastungen begründen neue Privilegien, weshalb der Schweiz erneut die schwarze Liste droht.

Kein sozialer Ausgleich Die heutigen und künftigen Rentner werden nicht einen Franken mehr AHV erhalten.

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