Blutiger Montag: In Berlin festgenommener Verdächtiger wohl nicht der Täter

Janosch Tröhler | 
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Ein LKW fuhr in einen Weihnachtsmarkt in Berlin. Bild: Key

Eine Schiesserei in Zürich, russischer Botschafter in Ankara erschossen und ein LKW fährt in Berlin in einen Weihnachtsmarkt. Hier folgen regelmässig Updates:

LKW fährt in Weihnachtsmarkt

Berlin steht unter Schock. Kurz nach 20 Uhr gestern Abend fuhr ein dunkler Lastwagen samt Anhänger mitten auf den Weihnachtsmarkt im alten Berliner Stadtteil Charlottenburg, in der Nähe des weltberühmten Kurfürstendammes und des Bahnhofs Zoo. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich Tausende von Besucherinnen und Besucher auf dem feierlich geschmückten Markt auf. Bilanz des schrecklichen Ereignisses: Mindestens neun Menschen verloren ihr Leben, 50 wurden zum Teil schwer verletzt.

Ein Reporter der «Berliner Morgenpost», der zufälligerweise vor Ort war und das Geschehen auf dem Markt kurz nach dem tragischen Vorfall mit seiner Handykamera filmte, beschrieb die Szenerie kurz nach dem Unglück. «Es bietet sich mir hier ein grausames Bild. Die Menschen sind geschockt. Viele liegen am Boden. Es ist auch eine sehr gespenstische Stille hier.»

Hintergründe ungewiss

Die Hintergründe des Vorfalls waren bis Redaktionsschluss unklar. Der Beifahrer des LKW verlor bei dem Ereignis aus bislang ungeklärten Gründen das Leben, der Fahrer war zunächst flüchtig, konnte wenig später in der Nähe des Weihnachtsmarktes verhaftet werden. Bei dem LKW handelt es sich um einen Lastwagen eines polnischen Transportunternehmens. Der LKW war demnach auf der Route von Italien nach Polen und sollte in Berlin neue Fracht laden. Der Besitzer des Fuhrunternehmens geht davon aus, dass der Lastwagen gekidnappt worden ist.

Ob es sich bei dem Ereignis um einen schrecklichen Unfall oder um einen – möglicherweise – islamistisch motivierten Anschlag handelte, ist unklar. Die Generalbundesanwaltschaft jedenfalls hat die Ermittlungen noch in der Nacht aufgenommen.

Der dramatische Vorfall weckte unweigerlich Erinnerungen an den Anschlag im südfranzösischen Nizza im Sommer dieses Jahres, als ein Attentäter mit einem LKW in eine Menschenmenge an der Uferpromenade fuhr und 84 Menschen tötete und 150 Menschen verletzte.

Der Terrorismusexperte Peter Neumann sieht Indizien für einen vom IS inspirierten Anschlag. Es passe zur Strategie des IS, «einsame Wölfe» für «genau solche Anschläge mit einfachen, unkomplizierten Mitteln» zu gewinnen. Laut Neumann sei Deutschland von den US- Geheimdiensten mehrmals davor gewarnt worden, dass Weihnachtsmärkte Ziele von Anschlägen des IS sein könnten. Es sei unverständlich, dass die Weihnachtsmärkte nicht durch Barrieren geschützt worden seien.

  • Michael Müller, Bürgermeister von Berlin, zeigt sich schockiert über das Geschehen. «Das ist ein Anschlag auf unser aller Freiheit»

Auf Betende in Zürich geschossen

Bei einer Schiesserei im Gebetsraum des Islamischen Zentrums nahe dem Zürcher Hauptbahnhof sind drei Männer im Alter von 30, 35 und 56 Jahren zum Teil schwer verletzt worden. Der unbekannte Täter ist flüchtig. In der Nähe des Islamzentrums wurde eine Leiche entdeckt.

Bild: Key

Laut Angaben der Zürcher Justizbehörden vom Montagabend betrat ein circa 30-jähriger Mann gegen 17.30 Uhr die Räumlichkeiten des Islamzentrums an der Eisgasse im Zürcher Kreis 4 und gab wahllos mehrere Schüsse auf anwesende Betende ab. Danach flüchtete er aus der Moschee in Richtung Zeughausareal. Bei der Tat wurden ein 30- sowie ein 56-jähriger Mann schwer verletzt, ein 35-Jähriger wurde mittelschwer verwundet, wie Polizeisprecher Marco Bisa vor Ort den Medien zu Protokoll gab. Über die Nationalität der Opfer sei zur Stunde nichts bekannt. Sie seien in ein Spital gebracht und medizinisch versorgt worden.

Angaben zum Motiv sowie zum genauen Tathergang konnten die Justizbehörden nicht machen. Am Tatort werde derzeit eine umfassende Spurensicherung durchgeführt. Laut Augenzeugen befinden sich im Schnitt zehn Leute im Gebäude des somalisch-islamischen Zentrums – mehrheitlich Personen aus dem Maghreb, aus Somalia und Eritrea. Dort fänden täglich Gebete statt. Es sei bisher immer friedlich geblieben.

«Keine Gefahr für Bevölkerung»

Obwohl kurz nach der Tat eine Grossfahndung eingeleitet wurde, konnte der Einzeltäter bis am späten Montagabend nicht gefasst werden. «Für die Bevölkerung besteht keine ­Gefahr», sagte Bisa. Die Sicherheit sei gewährleistet.

Der Täter trug laut ersten Zeugenaussagen bei der Tat dunkle Kleidung sowie eine dunkle Wollmütze. Die weiteren Ermittlungen werden durch die Staatsanwaltschaft für Gewaltdelikte sowie die Kantonspolizei Zürich geführt. Weitere Informationen stellte die Polizei für Dienstag in Aussicht, «wenn weitere gesicherte Erkenntnisse und Fakten vorliegen».

Toter bei Brücke entdeckt

Unklar ist momentan noch, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Schiesserei und einem Toten, der ein paar Stunden nach dem Amoklauf nur wenige Hundert Meter von der Moschee entfernt an der Gessnerallee gefunden wurde. «Die polizeilichen Abklärungen laufen parallel und auf Hochtouren», schrieb die Stadtpolizei Zürich via den Kurznachrichtendienst Twitter.

Rund um die beiden Tatorte pa­trouillierten am Montagabend schwer bewaffnete Sondereinheiten mit Hundestaffeln, wie SDA-Korrespondenten berichteten. Kurz nach 19 Uhr, rund anderthalb Stunden nach der Schiesserei, befanden sich viele Journalisten und Gaffer an den Orten des Geschehens. Der Verkehr lief derweil weitgehend normal weiter, nur eine kleine Gasse wurde abgesperrt.

Russischer Botschafter in der Türkei erschossen

Der russische Botschafter in der Türkei ist gestern bei einem Anschlag in Ankara getötet worden. Augenzeugen und dem russischen Aussenministerium zufolge erschoss ein Mann den Diplomaten Andrej Karlow, während dieser eine Fotoausstellung in der türkischen Hauptstadt eröffnete. Beim Attentäter handelte es sich laut Innenminister Süleyman Soylu um einen 22-jährigen Polizisten.

Russland und die Türkei sprachen von einem Terrorakt. Die Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan bezeichneten das Attentat übereinstimmend als Provokation, die das zwischenstaatliche Verhältnis stören soll. «Wir müssen wissen, wer die Hand des Mörders führte», sagte Putin der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Als Antwort auf den Mord werde Russland seinen Kampf gegen den Terror verstärken.

Unmittelbar nach den Schüssen rief der Angreifer zunächst auf Arabisch: «Wir sind diejenigen, die dem Propheten Mohammed Treue und dem Dschihad Treue schwören.» Diesen Satz rufen auch syrische Islamisten, wenn sie ins Gefecht ziehen. Zudem rief der Attentäter auf Türkisch «Vergesst nicht Aleppo» und «Vergesst nicht Syrien», während er neben dem leblos auf dem Boden liegenden 62-Jährigen herumlief.

Die Tat löste weltweit Bestürzung aus. «Ich war zutiefst erschüttert, von dem unfassbaren Angriff auf Botschafter Andrej Karlow heute Nachmittag in Ankara zu hören», schrieb die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini in einer Botschaft an den russischen Aussenminister Sergej Lawrow.

Die USA verurteilten das Attentat scharf. «Der abscheuliche Angriff auf ein Mitglied des diplomatischen Korps ist inakzeptabel», erklärte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates. «Wir sind mit Russland und der Türkei in der Entschlossenheit vereint, Terrorismus in jeglicher Form zu begegnen.» Auch die deutsche Regierung verurteilte den tödlichen Angriff auf das Schärfste.

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