Nach 63 langen Tagen: Sandro Ehrats ersehnte Rückkehr auf den Tennisplatz
Auch für die Tennisspieler waren die letzten acht Wochen gar nicht einfach. Denn sie durften ihrem Sport oder bei den Profis ihrem Beruf nicht nachgehen. Doch seit Montag ist alles anders.
Sandro Ehrat ist die Spielfreude anzumerken. Er übt gegen Schluss seiner Einheit die im Tennis so wichtigen Aufschläge. Am Montag war das Wetter noch schlecht, sodass ein Training nur in der Halle möglich war, aber am Dienstag ging es für ihn in der Sonne so richtig los. Es ist zwar mit der kräftigen Bise noch etwas kalt und windig auf der Anlage des TC Cilag in Buchthalen, aber es ist schön, ruhig und friedlich. Neben Sandro Ehrat und seinem Vater Jürg, der ihn oftmals als Sparringpartner und Coach unterstützt, freuen sich noch weitere Clubmitglieder über die wieder möglich gewordene Spielgelegenheit.
Wie alle anderen Clubs hat auch der TC Cilag ein spezielles Schutzkonzept aufgelegt, welches in jedem Schweizer Tennisclub von einem speziellen Covid-19-Beauftragten erstellt werden musste, von diesem unterschrieben ist und in der Folge auch überwacht wird. Im TC Cilag ist die langjährige Tennisspielerin Yvette Spengler-Hermanek dafür zuständig. Auf der Buch-thaler Anlage sind das Clubhaus und die Garderoben nicht zugänglich, die Spieler müssen umgezogen kommen, und nur Club- mitglieder, die ihren Platz zudem online reservieren müssen, sind zugelassen. Doppel sollten nicht gespielt werden.
Viel Fitness gemacht
Für Sandro Ehrat ging am Montag eine Phase von 63 Tagen ohne sein geliebtes Tennis auf dem Platz endlich zu Ende. Am 9. März war er von der Davis-Cup-Partie aus Peru zurückgekehrt, und schon am 12. März wurde aufgrund der immer weiter um sich greifenden Corona-Pandemie alles abgesagt. «Das ging alles ziemlich schnell», erinnert er sich an die Anfangszeit. «Lust zu spielen hätte ich auf jeden Fall gehabt, aber es war halt nicht möglich.» Obschon Tennisspielen von den Abstands- und Hygienemassnahmen her eigentlich immer durchführbar gewesen wäre, sagen Sandro und Jürg Ehrat, hatten sich alle Sportlerinnen und Sportler an die Weisungen von Swiss Olympic und Swiss Tennis zu halten. Nicht zuletzt aus Solidarität gegenüber anderen Sportarten.
Während rund zwei Monaten durfte auf keiner Anlage gespielt werden. So blieb auch Sandro Ehrat wie so vielen anderen Tennisspielern praktisch auf der ganzen Welt nichts anderes übrig, als vor allem an der Fitness zu arbeiten. «Ja, ich habe praktisch täglich viel für die Fitness gemacht», erzählt Sandro Ehrat. «Diesbezüglich bin ich jetzt körperlich in einer wirklich gu- ten Verfassung.» Jetzt komme zum Glück auch das Tennisspielen zum Fitnesstraining hinzu. «In der ersten Woche spiele ich noch nicht jeden Tag, aber ab nächster Woche habe ich es täglich geplant. Mehrheitlich im TC Cilag und zwischendurch im TC Sonnenberg.»
Interclub beim TC Sonnenberg
Wie es wettkampf- und turniermässig im nationalen und internationalen Tennis weitergeht, sei momentan nicht absehbar. Daher lässt Sandro Ehrat die Detailplanung der nächsten Wochen noch ein bisschen offen. «Am 15. Mai sollte mehr bekannt werden, wie es bei Swiss Tennis und im internationalen Bereich bei ATP und WTA weitergehen kann.» Bisher hat er mit dem 28. Juli und dem Interclub-NLA-Start vorerst provisorisch einen Termin in seiner Agenda eingetragen. Während zehn Tagen sollte dabei der Schweizer Meister im Interclub erkoren werden, wohl ohne Publikum, wie es die Schutzmassnahmen des Bundes verlangen. Aber es könne durchaus sein, dass dieser Termin nochmals verschoben werde. In dieser Saison spielt Ehrat neu im TC Sonnenberg Zürich – «hoffentlich um den Titel». Dann sollte es im August oder spätestens im September bald mit internationalen Turnieren weitergehen.
Crowdfunding lanciert
Diese lange Phase der Untätigkeit hat viele professionelle Sportler, so auch Tennisprofis wie Sandro Ehrat, in eine finanziell ganz schwierige Lage gebracht. Es kommt von einem Tag zum anderen praktisch kein Einkommen mehr herein, da auch die Tennisstunden, die Ehrat sonst zwischendurch erteilt, nicht mehr stattfinden konnten. Zum Glück halten seine Sponsoren weiterhin zu ihm, betont er, und auch Kurzarbeit hat er anmelden können. Aber das reiche bei Weitem nicht, um sich den Lebensunterhalt seiner dreiköpfigen Familie zu sichern. Zur Überbrückung dieser Notlage hat sich Sandro Ehrat deshalb etwas Unkonventionelles einfallen lassen. Er hat ein Crowdfunding lanciert mit dem Ziel, 50'000 Franken einzunehmen. Am Montag ist die Aktion losgegangen unter dem Titel «Sie und Sandro Ehrat – ein starkes Team; ein Projekt aus der Region der Raiffeisenbank Schaffhausen» (https://www.lokalhelden.ch/sandroehrat).
Bereits am Abend des ersten Tages war die Finanzierungsschwelle von 5000 Franken erreicht, neun Unterstützer hatten Sandro Ehrat bereits einen Betrag zugesagt. Von seinen 65 Fans und anderen Supportern erhofft er sich natürlich noch den einen oder anderen Beitrag. Wer das genau ist, erfährt er jedoch erst nach Abschluss der Crowd-funding-Aktion (die Finanzierung endet am 9. August). Das Geld wird vollumfänglich für Turnieranmeldungen, Reisekosten und Verpflegung auf Turnieren eingesetzt. Somit könnte Sandro Ehrat nach der Krise weiterhin auf der Profitour spielen. Mit den bereits erreichten 5000 Franken kann er nun einen Teil der Reise- und Hotelkosten sowie die Verpflegung bei den Turnieren decken, und das Projekt werde umgesetzt. «Um jedoch die Kosten einer Saison zu decken, muss man mit 50 000 Franken rechnen. Falls ich dieses Ziel erreiche, könnte ich mit diesem Projekt den grössten Teil der Saison finanzieren und meinem Ziel, mich in den nächsten zwei Jahren unter die besten 100 der ATP-Weltrangliste zu spielen, wieder etwas näher kommen.»
Sogenannte «Mercis» für Unterstützer
Für seine Unterstützer hat Sandro Ehrat sogenannte «Mercis» parat: Für 50 Franken gibt es eine Autogrammkarte; für 100 Franken eine Autogrammkarte und eine persönliche Dankeskarte; für 250 Franken einen signierten Tennisball und eine Erwähnung auf der Website; für 500 Franken ein signiertes Yonex-T-Shirt und eine Erwähnung auf der Website; für 1000 Franken ist man Supporter (gratis Yonex-Racket nach Wahl und Yonex-T-Shirt, gratis Tennisstunde mit Sandro Ehrat, drei Davis- Cup-Tickets und Erwähnung als Gönner auf der Webseite www.sandroehrat.ch sowie regelmässige News per E-Mail).
«Mein Sohn Liam hat es genossen, dass ich so oft auf den Spielplatz mitgehen konnte.»
Sandro Ehrat, Schaffhauser Tennisprofi
Die lange Zeit ohne Tennis hatte immerhin für die Familie ihr Gutes. Sandro Ehrat konnte so viel wie sonst selten mit ihr verbringen. «Mein Sohn Liam hat es genossen, dass ich so oft auf den Spielplatz mitgehen konnte. Sonst waren wir zu Hause, da hat der Kleine schon auch manchmal das Reisen vermisst.» Sandros Frau und Liam (4) begleiten ihn wenn immer möglich an die Turniere. Zu welchem Zeitpunkt das wieder der Fall sein wird, darüber kann man nur rätseln. Angst, dass während der Absenz das Ballgefühl verloren gegangen ist, hat Sandro Ehrat keine. «Wenn man zwischendurch den Tennisschläger in die Hand nimmt, verlernt man das Gefühl dafür nicht so schnell.»
Auch Leonie Küng ist wieder zurück im Tennistraining

Zur gleichen Zeit, wie am Montag Sandro Ehrat im TC Cilag trainierte, ist am Dienstagnachmittag mit Leonie Küng (19) die zweite hoffnungsvolle Tennis-Profispielerin der Region auf der Anlage in Buchthalen zum Training mit ihrem Vater und Trainer Martin Küng erschienen. Auch sie sind sehr froh, nach vielen Wochen mit Fitness- und Kraftraining endlich wieder mit dem Tennis beginnen zu können. So hat Leonie Küng (WTA-Nummer 155), gegen Ende Woche auch erste Trainingsmatches geplant, unter anderem gegen die Aargauerin Stefanie Vögele (WTA 109). (hcs.)