Der letzte Schritt ist immer ein schwieriger

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Die Kollegen lassen ihren Captain Dimitrij Küttel völlig zu Recht hochleben. Nach zehn Jahren und sechs Meistertiteln mit den Kadetten wechselt der 28-Jährige nun zum HC Kriens-Luzern.

Die beste Leistung in den drei Spielen des Playoff-Finals gegen Meister Pfadi Winterthur war es gestern nicht gewesen, aber die Kadetten kämpften erneut hart und nahmen den Winterthurern mit einem 29:26-Sieg den Titel wieder ab.

Text Hans Christoph Steinemann Bilder Reinhard Standke

2473 Zuschauer bildeten in der stimmungsvollen BBC-Arena den würdigen Rahmen für das dritte Spiel dieses attraktiven Playoff-Finals, in dem Pfadi Winterthur den Kadetten mehr Widerstand entgegen zu bringen vermochte als noch in den ersten zwei Partien, die mit 30:19 und 28:20 sehr deutlich zu Gunsten der Schaffhauser ausgegangen waren. Wie auch in den ersten zwei Finalspielen starteten die Gäste wieder gut und konnten bis zum 9:9 in der 22. Minute bestens mithalten. Trainer Goran Cvetkovic setzte in vielen Angriffen mit gutem Erfolge auf die Variante mit sieben gegen Feldspielern, was allerdings durch einige Strafen gegen Pfadi unterbrochten wurde.

Neben den schon länger verletzten Radovanovic, Vernier, Störchli und Vernier war diesmal auch der Algerier Hadj Sadok nicht einsatzfähig, und der junge und schussgewaltige Georgier Giorgi Tskhovrebadze verletzte sich überdies kurz vor der Pause am Oberschenkel und kam nicht wieder. Das alles zusammen war doch eine arge Schwächung der Mannschaft des abtretenden Meisters und verhiess nichts Gutes für die Gäste. Prompt nutzten die Kadetten dies zur komfortablen 16:10-Pausenführung aus. Verschiedene Akteure trugen sich in die Torschützenliste ein, und hinten machte wie gewohnt Torhüter Kristian Pilipovic den Laden dicht.

Kristian Pilipovic und Lukas Herburger liegen sich in den Armen.

Als die Kadetten zur Pause mit 16:10 führten, dachten viele auf den Tribünen, aber wohl auch im Team der Orangen, das sei es wohl gewesen. Der zwölfte Meistertitel sei damit praktisch schon unter Dach und Fach. War er aber noch nicht, denn die Pfader wollten sich vor dieser grossen Kulisse nicht einfach «abschlachten» lassen. Sie gaben, und das ist ihnen zugute zu halten, nie auf und erreichten in den zweiten 30 Minuten ein Spielniveau, mit dem sie die Schaffhauser beinahe noch hätten ärgern können. Angesichts der fehlenden Shooter aus dem Rückraum, Hadj Sadok und Tskhovrebadze, verlegten sie sich auf Durchbrüche und das Kreisspiel, das über die beiden Hünen Leventoux (5 Tore) und Lagerquist (4) auch gut umsetzen.

Sidorowicz in Topform - acht Tore

Und im Rückraum wollte sich vor allem einer rehabilitieren, der sich am letzten Sonntag nach der rot-blauen Karte nach einem groben Foul an Jonas Schelker gedemütigt sah: Roman Sidorowicz. Von einer Sperre hatte das gleich nach Spielschluss tagende Schiedsgericht abgesehen, was dem langjährigen Schweizer Nationalspieler diesen letzten Auftritt in der NLA in der BBC-Arena vor dem Rücktritt ermöglichte. Und «Sido» zeigte nochmals, über welche Klasse er verfügt. Immer wieder tankte er sich durch oder traf mit einer Schussvariante. Mit acht Toren aus zehn Versuchen avancierte er noch zum besten Skorer des Spiels – die Best-Player-Wahl ging indes an den Franzosen Remi Leventoux und auf Schaffhauser Seite an Goalie Pilipovic.


Weil die Kadetten zum Start in die zweite Hälfte gleich vier Angriffe ohne Torerfolg beendeten, konnten die Pfader bald einmal bei 16:13, 17:14 und 18:15 auf drei Tore verkürzen. Die Kadetten kamen dann ihrerseits wieder etwas besser ins Spiel und erhöhten bis zur 47. Minute dank einem Bartok-Treffer wieder auf 23:17. Aber so richtig wollte es nicht mehr einhängen bei den Schaffhausern, die Konzentration in der Abwehr gegen die Kreisläufer und Sidorowicz war nicht mehr so wie in den ersten zwei Matches vorhanden. Und im Angriff scheiterten bei 25:19 zuerst Cañellas mit einem Penalty und dann Bartok an Goalie Shamir. Immer wieder kämpfte sich Pfadi auf drei Treffer heran, und bei 28:26 in der 58. Minute durch den einzigen Tynowski-Treffer auf zwei Tore. Sollte es gar noch zu einer Verlängerung kommen, begann man sich langsam zu fragen.

Schelker und Küttel machen es klar

Viel Zeit blieb den Pfadern nicht, und so richtig schienen sie auch nicht daran zu glauben. Aber es brauchte schon die Klasse der scheidenden Eigengewächse Jonas Schelker und Captain Dimitrij Küttel – bei dessen Treffer zum 28:24 standen längst alle in der tobenden Halle –, um den zwölften Titel der Kadetten sicherzustellen.


Der dritte Treffer von Schelker zum 29:26 sollte das Meisterstück sein, in der Folge begannen die Festivitäten. Als es ruhiger geworden war, freute sich Präsident Giorgio Behr beim Nachtessen über diesen hart erkämpften Meistertitel. «Die beiden ersten Matches haben mir gefallen, vor allem der Sieg in Winterthur. Und dass es heute, wenn man zur Pause mit sechs Toren führt und den Titel im Hinterkopf hat, nochmals schwierig werden kann, war fast klar.»

Der obligate Meistertanz gleich nach dem Schluss, auch das Maskottchen Kadscha gesellt sich dazu.

Aber die Kadetten haben es geschafft, nun nur das zählt letztlich.

Telegramm

3. Runde: Kadetten Schaffhausen (1. der Qualifikation) - Pfadi Winterthur (2.) 29:26 (16:10); Endstand 3:0. BBC-Arena. - 2473 Zuschauer. - SR Boshkoski/Stalder. - Strafen: 3mal 2 Minuten gegen Kadetten, 6mal 2 Minuten gegen Pfadi Winterthur. – Kadetten: Pilipovic (9 Paraden)/Biosca Garcia (nicht eingesetzt); Bartók (3 Tore), Cañellas (3), Gerbl (3), Herburger (2), Küttel (1), Lier (2), Maros (3), Matzken (1), Novak, Schelker (3), Schmidt, Schopper (2), Tominec (1), Zehnder (5/4); ohne Kusio (überzählig) und Markovic (verletzt).– Pfadi: Shamir (6 Paraden)/Wipf (3); Bräm (2 Tore), Bühlmann, Dechow, Heer (1), Jud (2/1), Lagerquist (4), Leopold (2), Leventoux (5), Ott, Pecoraro, Schönfeldt, Sidorowicz (8), Tskhovrebadze (1), Tynowski (1); ohne Hadj Sadok, Radovanovic, Freivogel, Störchli Vernier (alle verletzt), und nach 27 Minuten verletzte sich auch noch Giorgi Tskhovrebadze am Oberschenkel.– Bemerkungen: Verschossene Penaltys 2:1 .- Die Kadetten sind zum zwölften Mal Schweizer Handball-Meister.

Champagner, Bier, Konfetti und Abschiedstränen

Schon vor Spielende gab es kaum ein Halten in der BBC Arena. In den letzten Minuten wurde auf der Bank und auf den Zuschauerrängen der Schweizer Meistertitel bereits gefeiert. Die Schlusssirene hatte keine Chance gegen die feiernden Fans. Jung und Alt freuten sich zusammen über den Titel, und auf dem Spielfeld jubelten Team und Trainerstab. Nach einem kurzen Rückzug in die Kabine und dem Anziehen der Meisterbadekappen startete die Meisterfeier in die nächste Phase.


Teamkapitän Dimitri Küttel durfte als Erster den Pokal in die Höhe stemmen, Konfetti wurde abgefeuert und Champagner in der Halle und auf dem Boden verteilt. Im Hintergrund duellierten sich die Lautsprecher und die Zuschauer, wer lauter «Schweizer Meister» singen kann. Zusätzlich nahm Lukas Heerburger die Verantwortung an, möglichst viele orangene Hüte im Pu­blikum zu verteilen. «Es ist ein unfassbarer Moment. Ich freue mich, dass wir den Titel mit unseren Fans zu Hause feiern können», meinte Samuel Zehnder während der Meisterparty.

Bei so einer Feier durfte das Bier natürlich nicht fehlen. Das sah auch Nik Tominec ähnlich und versprach dem Meisterpublikum Freibier an der Barena sowie ein Wiedersehen danach zur Afterparty im Cuba Club. In der Halle sorgte Zoran Markovic mit einem Harass dafür, dass alle mit Bier versorgt werden konnten. Dabei fand sich aber ein Grossteil davon vor allem auf den Köpfen der Kadettenspieler oder dem mit Konfetti bestreuten Hallenboden. Daneben sorgte Heerburger dafür, dass auch die Musik wieder volle Fahrt aufnahm. Es wurde munter weitergefeiert.

Zusätzlich zu den Feierlichkeiten gratulierten Stadtrat Raphaël Rohner und Regierungsrat Patrick Strasser den Kadetten und ihren Zuschauern für ihre Leistung. Zudem überreichten sie Kadetten-Präsident Georgio Behr den mittlerweile traditionellen Scheck als Präsent für den Titel. Neben allen Partyaktivitäten kamen auch die anwesenden Kinder nicht zu kurz. Kurz nach der Pokalübergabe durften sie auf Bilder und Autogrammjagd gehen, wobei diese sich nicht nur auf Klatschen ­wiederfanden, sondern auch auf den T-Shirts und Hüten. Dass die Kleidungsstücke danach jemals wieder gewaschen werden, ist eher unwahrscheinlich. Für diese Aufgabe nahmen sich die Kadettenspieler gerne eine Pause von den Feieraktivitäten. Familie und Freunde waren natürlich mit auf dem Feld und feierten ausgelassen mit dem neuen Schweizer Meister.

Neben der Meisterfeier kam es auch zu Verabschiedungen der Spieler durch Georgio Behr. Die zieht es alle, mit Ausnahme von Dimitri Küttel, ins Ausland. Unter lautem Applaus lief Jonas Schelker zum letzten Mal in die Hallenmitte, um seine Ehrung und Glückwünsche für seine Zukunft bei der HSG Wetzlar zu erhalten. Für alle Beteiligten war es ein sichtlich emotionaler Moment und neben der Freude floss schon die eine oder andere Abschiedsträne aufseiten der Fans. Ähnlich lief es auch bei Erik Schmidt, den es mit nach Wetzlar zieht, sowie bei Max Gerbl, der ebenfalls in die Bundesliga wechselt. Grosse Emotionen kamen nochmals auf, als Behr Kristian Pilipovic verabschiedete, der ab der kommenden Saison bei Wisla Plock das Tor hüten wird.


Die letzte und lauteste Verabschiedung erhielt Küttel. Er fand als erster Suisse-Handball-Academy-Spieler den Weg über die Kadetten in die Nationalliga A. Nun, als gestandener Hand­baller und Kapitän, sucht er eine neue Herausforderung beim HC Kriens Luzern mit seinem Nationalmannschaftskollegen Andy Schmid. «Ich verabschiede mich mit einem lachenden und einem weinenden Auge von Schaffhausen», sagte er wehmütig, «aber man sieht mich nächste Saison in anderen Farben wieder.» (Marco Bähler)

Kadetten-Palmarès

Schweizer Meister (12 Titel):

2004/05, 2005/06, 2006/07 mit Trainer Goran Perkovac.

(2008 und 2009 GC Amiticia ZH)

■ ­ 2009/10, 2010/11, 2011/12 mit Trainer Petr Hrachovec.

(2013 Wacker Thun)

2013/14, 2014/15 mit Trainer ­ Markus Baur.

2015/16 mit Trainer Lars Walther.

2016/17 mit Trainer Peter Kukucka.

(2018 Wacker Thun)

2018/19 mit Trainer Petr Hrachovec.

(Titel 2020 wegen Pandemie nicht vergeben; 2021 Pfadi Winterthur).

■ 2022 Kadetten SH: 12. Titel mit Trainer Adalsteinn ­Eyjolfsson

Cupsieger (9 Siege): 1998/99, 2003/ 04, 2004/05, 2006/07, 2007/08, 2010/11, 2013/14, 2015/16, 2020/21.

Supercupsieger: 2004/05, 2005/06, 2006/07, 2007/08, 2010/11, 2011/12, 2012/13, 2013/14, 2014/15, 2015/16, 2016/17, 2017/18.

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