Der Taktikfuchs von Belgien

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Aufgepasst, so wird es gemacht: Belgien-Coach Roberto Martínez gibt die (erfolgreiche) Richtung vor. Bild: Key

Dank des 2:1 gegen Brasilien stiess Belgiens «Goldene Generation» in die Halbfinals vor. Der Sieg war auch einer des spanischen Trainers Roberto Martínez, der eine taktische Meisterleistung bot.

von Christian Finkbeiner, St. Petersburg

Die Genugtuung stand Roberto Martínez ins Gesicht geschrieben, als er nach dem Coup gegen Brasilien über seinen Matchplan referierte. «Ich habe noch nie einen Match aus taktischen Gründen verloren», sagte der Spanier selbstbewusst. «Denn entscheidend ist die Ausführung, wie die Spieler den Plan und die Ideen umsetzen. Und das haben sie heute perfekt gemacht.» Mit seinen taktischen Kniffen hatte es der bald 44-Jährige geschafft, den Rekordweltmeister zu überraschen und in die Knie zu zwingen. Martínez wich von seinem gewohnten 3-4-3-System ab, liess phasenweise mit einer Viererkette verteidigen und stellte Kevin de Bruyne offensiver auf. Ehe Brasilien auf Belgiens Taktik reagieren konnte, war es zu spät.

Van Gaal, Lippi, Rangnick? Martínez!

Es war eine Überraschung gewesen, als der belgische Verband Anfang August 2016 Martínez als Nachfolger des zurückgetretenen Marc Wilmots präsentierte. Der Leistungsausweis des Spaniers war überschaubar. Swansea City, Wigan Athletic und Everton hiessen die Stationen, der Sieg mit Wigan im FA-Cup 2013 stach heraus, wobei der Club im gleichen Jahr auch aus der Premier League abstieg. Namen wie Louis van Gaal, Marcello Lippi, die belgischen Legenden Michel Preud’homme und Eric Gerets oder Ralf Rangnick waren als Kandidaten für einen der attraktivsten Jobs im Weltfussball gehandelt worden. Am Ende fiel die Wahl auf den gebürtigen Katalanen.

«Ich habe noch nie ein Match aus taktischen Gründen verloren.»

Roberto Martínez, Nationaltrainer Belgien

Martínez hatte von Beginn an mit inneren und äusseren Widerständen zu kämpfen. Es kursiert ein Video, in dem Romelu Lukaku, den Martínez einst zu Everton geholt hat, die Hände vor sein Gesicht schlägt – als Reaktion des Stürmers auf die Verpflichtung von Martínez als belgischer Nationaltrainer. Kevin de Bruyne kritisierte seinen Coach im letzten November nach dem 3:3 im Testspiel gegen Mexiko öffentlich: «Solange wir noch kein taktisches System gefunden haben, werden wir gegen solche Teams wie Mexiko immer Probleme haben.»

Auch während des Turniers brach die Kritik nicht ab. Ein belgischer TV-Kommentar hatte während der Partie gegen Japan, als Belgien 0:2 in Rückstand geraten war, Martínez massiv kritisiert, worauf er sich am nächsten Tag öffentlich entschuldigte. Denn Martínez hatte auch da ein goldenes Händchen bewiesen, wechselte er doch mit Marouane Fellaini und Nacer Chadli die beiden Spieler ein, die mit ihren späten Toren für die Wende sorgten.

Martínez’ Auftritte haben das Interesse in seiner Heimat geweckt. Bereits vor dem Viertelfinal gegen Brasilien wurde er in den spanischen Medien als Nachfolger von Fernando Hierro als spanischer Nationalcoach gehandelt. Belgiens Verbandspräsident Gérard Linard nahm die Gerüchte gelassen zur Kenntnis. «Die spanischen Medien sollen ruhig träumen», sagte er gegenüber der Zeitung «La Dernière Heure». Linard und seine Verbandskollegen hatten nie an Martínez gezweifelt und verlängerten noch vor der WM dessen Vertrag bis 2020. (sda)

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