Die Reise der Spargel – vom Acker bis auf den Teller

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Innerhalb von 24 Jahren nahm die mit Spargeln bepflanzte Agrarfläche in der Schweiz um das Hundertfache zu, auf heute 300 Hektaren. Zehn davon befinden sich im Besitz der Familie Spaltenstein. In Flaach baut Rolf Spaltenstein auf dem ersten Spargelhof der Schweiz neun verschiedene Spargelsorten an, hauptsächlich weisse, aber auch grüne und sogar violette Varianten.

von Niklas Rapold 

Ein reges Kommen und Gehen herrscht auf dem Spargelhof Spaltenstein in Flaach. Bereits kurz nach 9 Uhr an einem Freitagmorgen gehen so einige Spargeln über die Theke des Hofladens. Die Hofhündin Nala begrüsst dabei fast jeden Kunden persönlich; besonders wenn jemand neben Spargeln auch einen Apfel in der Hand hält, zeigt sie unverhohlenes Interesse. «Äpfel mag sie unglaublich gern», bestätigt der Hofbesitzer Rolf Spaltenstein und lacht. Gegen Mittag ändert das Klientel – nicht mehr der Hofladen steht im Zentrum, sondern mehr und mehr die Spargelstube. Das Restaurant wurde von Gault-Millau auch immerhin unter die Top Five der besten Spargelbeizen der Schweiz gewählt.

Spargeln und Flaach haben eine lange gemeinsame Geschichte, die aber nicht im Norden, sondern im Süden der Schweiz beginnt. Konrad und Rosa Frauenfelder-Ritzmann, ein junges Ehepaar aus Flaach, reisten 1935/1936 ins Wallis. Dort erregten seltsame Pflanzen ihre Aufmerksamkeit, von denen die Walliser sagten, sie würden im sandigen, leichten Boden gut gedeihen. Konrad Frauenfelder sagte sich darauf, dass auch der Boden in der Thurgegend wohl gute Bedingungen für diese Pflanze darstellen würde. Zurück in Flaach versuchte er sein Glück und konnte zwei Jahre später seinen ersten Spargel ernten.

Der erste Spargelhof der Schweiz

Seit 1962 werden auf dem Spargelhof Spaltenstein, dem ersten seiner Art, Spargeln geerntet. «Eine Knochenarbeit», sagt Rolf Spaltenstein, 57, der den Hof in zweiter Generation führt. Dass der Rücken nach einem Tag auf dem Feld durch die ständige gebückte Haltung schmerzt, sei überhaupt nicht ungewöhnlich.

 

Spaltenstein selbst wuchs mit dieser Arbeit auf, als Kind hat er auf dem elterlichen Hof mit angepackt und selber Spargeln gestochen. Nun jedoch übernehmen insgesamt 22 Gastarbeiter den harten Job. Der Grossteil komme aus Polen, vier aus Rumänien und weitere zwei aus der Slowakei, so Spaltenstein. Der Treueste unter ihnen besucht Flaach bereits seit 17 Jahren. «Zum fünf-, zehn- oder fünfzehnjährigen Jubiläum gibt es von mir jeweils ein Präsent und einen finanziellen Beitrag», so Spaltenstein. Dementsprechend gut ist auch das Verhältnis zwischen ihm und den Gastarbeitern; trotz der Sprachbarriere, nur einer der Arbeiter kann einigermassen Deutsch sprechen, fallen immer wieder Witze und es wird viel gelacht.

Im Abstand von etwa 20 Zentimetern werden die Spargelsetzlinge in aufgeschichtete Erdwälle gesetzt. In den folgenden Jahren bilden die Setzlinge ständig neue Triebe aus, wodurch sich die Pflanze in einem gewissen Sinne horizontal fortbewegt. In vier Jahren vervierzigfacht sie so ihr Gewicht von ursprünglich 100 Gramm auf volle vier Kilogramm!

Geerntet werden kann erst nach rund zwei Jahren, und zwar jeweils die stärksten Triebe, die sich in vertikaler Richtung durchsetzen können. Dabei bleiben die weissen Spargeln aber zeitlebens unter der Oberfläche – von daher stammt auch die Farbe. Damit auch der Kopf, der kurz vor Ernte aus der Erde schaut, nicht in Kontakt mit dem Sonnenlicht kommt und dadurch violett wird, werden die Erdwälle zusätzlich mit einer Folie abgedeckt. Dies hat auch den Vorteil, dass die Temperatur durch die schwarze Folienoberfläche schneller steigt. «Der Spargel braucht zehn Grad Celsius, damit er wachsen kann», erklärt Spaltenstein.

«Der Spargel ist wie die Börse.»

Rolf Spaltenstein, Inhaber Spargelhof Spaltenstein

Der diesjährige warme Frühling sei vorteilhaft für die Spargeln gewesen. «Der Spargel ist wie die Börse», ergänzt er. Durch die starke Temperaturabhängigkeit könne er kaum Ernteprognosen abgeben.

Bei der Ernte müssen die weissen beziehungsweise farblosen Spargeln ausgegraben und dann mit einem Spargelstecher möglichst nahe bei der Triebstelle gestochen werden. Die grünen und violetten hingegen wachsen aus der Erde hinaus und werden einfach mit einem Küchenmesser geschnitten. Erntemaschinen seien im Moment keine Alternative zur Handarbeit, sagt Spaltenstein. Durch die tonnenschweren Geräte würde der ganze Boden komprimiert werden. «Ausserdem erntet der Mensch zuverlässiger als die Maschine.» Daraus resultiere der verhältnismässig hohe Preis der Spargeln.

Etwa 250 bis 300 Gramm wirft ein Setzling ab pro Saison, die jeweils zwei bis drei Monate dauert. Solch ein Ertrag fordert seinen Preis. «Nach acht Jahren ist die Pflanze müde», sagt Spaltenstein. Dann beginnt der Kreislauf eines neuen, im Vergleich wieder federleichten Setzlings.

Ästhetik vor Geschmack

Vom Feld wieder zurück auf dem Hof sortieren zwei weitere Erntehelfer die gestochenen Spargeln auf ein Förderband, das in einen Metallblock führt. Einmal von der Maschine verschluckt, werden sie als erstes alle auf 24 Zentimeter gekürzt. Sodann schiesst von allen Seiten Wasser auf die frisch gepflückten Spargeln, bis sie bereit sind für ihren grossen Moment: das Fotoshooting. Von jeder Spargel macht die Maschine ein Foto, schickt dieses an einen Computer, der ein Urteil über die Spargeln fällt. Hat sie beispielsweise eher die Form einer krummen Banane oder des Buchstabens S? Und ist sie auch genügend dick?

Je nach digitalem Urteil werden die Spargeln in verschiedene Fächer einsortiert und warten dann im Kühlraum, bis eine Bestellung eintrifft. Sobald dies geschieht, werden sie je nach Spargelart und Bestellung zum Versand oder zur Abholung vorbereitet. Die violetten, die Salatspargeln, werden in zwei Kategorien eingeteilt: gut und schlecht. Bei den anderen beiden Varianten gibt es verschiedene Qualitätskategorien. Das Kaliber – der Begriff steht für den Durchmesser – ist für die weissen Spargeln ausschlaggebend. Dabei gilt im Grundsatz je dicker, desto besser. Bei den Grünen hingegen spielt der sogenannte Kopf der Spargel eine tragende Rolle. Zur ersten Klasse gehören diejenigen Spargeln mit einem wenig «geblumten», einem möglichst wenig geöffneten Kopf. Der Durchmesser oder die Krümmung hingegen sind nicht so wichtig. Sowieso spielten diese Kriterien beim schlussendlichen Geschmack der Spargel praktisch keine Rolle, sagt Spaltenstein. «Der Preisunterschied kommt zu 80 Prozent von der Ästhetik.»

Geniessen lassen sich die Spargeln schliesslich auf ganz verschiedene Weise. So gibt es im Hofladen neben frischen Spargeln jeder Farbe beispielsweise auch Spargel-Quiche zu kaufen. Spaltenstein selbst kann sich nicht auf ein Lieblingsgericht festlegen. «Ich mag Spargelsalat aus den violetten Salatspargeln sehr gern», sagt er. Oder ganz simpel: Spargeln mit Schinken und Mayonnaise.

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