Anwohner verhindern Kita-Pläne

Mark Gasser | 
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Zwar benötigen Horte und Krippen in Wohnzonen keine Ausnahmeregel, doch hatten die Vermieter der Liegenschaft in der Hindergartenstrasse, Brigitta und Jürg Tischer, nicht mit derart starkem Widerstand der Nachbarn gerechnet. Bild: Mark Gasser

Zwei Frauen wollten eine Kindertagesstätte in Dachsen aufbauen. Der Widerstand war enorm. Denn die Nachbarn sind gebrannte Kinder. So zogen die zwei das Baugesuch zurück.

Vor rund drei Wochen ging der Traum einer eigenen Kindertagesstätte (Kita) für die beiden jungen Frauen so jäh zu Ende, wie er begonnen hatte. Die beiden Schaffhauserinnen, die bereits Berufserfahrung haben, glaubten, die ideale Liegenschaft gefunden zu haben: Im ruhigen Wohnquartier an der Hindergartenstrasse in Dachsen wollten sie eine Kita in einer 6,5-Zimmer-Wohnung mit 270 Quadratmetern Fläche aufbauen. Eine Umfrage in Dachsen hatte auch ergeben, dass rund 40 Familien ein solches Angebot oder einen Kinderhort (für schulpflichtige Kinder) schätzen würden. Beste Voraussetzungen also für eine Kita, fanden die beiden jungen Frauen H. und M., die anonym bleiben wollen. Gemeindevertreter hätten sich zum Thema bereits mit Eltern und ­Vertretern der Schulgemeinde getroffen, erklärt Gemeindepräsident Daniel Meister. «Wir sagten: Das Thema soll angegangen werden. Aber wir planen nichts Kurzfristiges.» Um den Bedarf an vorschulischer Kinderbetreuung, wie im Kanton Zürich vorgeschrieben, abzudecken, hat Dachsen eine Vereinbarung mit Tagesfamilien, die durch einen Winterthurer Verein gestellt werden. Auf Anfrage werden Eltern an den Verein vermittelt.

«Es war uns klar, dass es Widerstand geben würde, aber mit einem solchen Ausmass rechneten wir nicht.»

Brigitta Tischer, Vermieterin

Nun hätte Dachsen auf private Initiative eine Krippe erhalten sollen. «Wir sind schon lange am Suchen nach einem Standort für eine Kita», sagt H. Im Raum Schaffhausen sei der Markt bereits gesättigt. Rund um Dachsen gebe es indes kein Angebot – auch Uhwiesen hat keine Kita. Bereits hätten sie sich mit der Gemeinde über geeignete Immobilien ausgetauscht. ­Gemeinsam mit dem Besitzerpaar der Mietwohnung, Brigitta und Jürg Tischer, unternahmen sie dann die notwendigen Schritte und reichten das Baugesuch für die Umnutzung der Wohnung in eine Kita ein. Daraufhin verlangten einige Nachbarn den Baurechtsentscheid, womit sie einspracheberechtigt wären. «Nach der Ausschreibung des Baugesuchs kam die Gemeinde auf uns zu und sagte, sie habe viele Anrufe erhalten von Anwohnern, die gegen eine Umnutzung der Wohnung sind», sagt H. «Es war uns klar, dass es Widerstand geben würde, aber mit einem derartigen Ausmass hatten wir nicht gerechnet», so Brigitta Tischer.

Statt alle Einsprachen abzuwarten, schlug die Gemeinde ein klärendes Gespräch vor. Aber zu einer Annäherung kam es nicht. Brigitta Tischer spricht gar von Drohungen, die von einigen der rund zwei Dutzend Gegner ­ausgesprochen wurden. Von einem Werteverlust der Nachbarliegenschaften wurde gewarnt, und die Behörden wurden aufgefordert, aktiv selber nach einer Alternative zu suchen, etwa im Obergeschoss des Kindergartens oder im Laufen. Verbunden waren diese Ideen mit Einwänden bezüglich des privaten Charakters der Kita – die besser betuchte Auswärtige anziehen würde. Die Tagesansätze hätten je nach Alter zwischen 120 und 125 Franken betragen, erklärt H.: «Das ist im Schnitt der umliegenden privaten Kitas.» Auch in Henggart kostet ein Tag um 125 Franken, in Feuerthalen (öffentlich) kostet die Ganztagesbetreuung 110 bis 132 Franken (ohne Subventionen). Die Stimmung habe sich etwas hochgeschaukelt, bestätigen mehrere Kita-Gegner, die an jenem Abend dabei waren. Gedroht worden sei indes nicht. «Ich sagte bloss: Jedes Mal, wenn etwas nicht so ist, wie ihr versprecht, melden wir es euch», erklärt einer der Wortführer. «Ich bin nicht kinderfeindlich. Aber uns störte die Idee, so eine Kita in ein Wohnquartier zu verpflanzen, wo dann 20, 25 Kinder sind und permanent ein Geschrei herrscht: Wenn ich das wollte, wäre ich neben einen Kindergarten gezügelt. Das gibt einfach – ich sage es brutal – Lärmemissionen.»

Lärm, Wegrecht und Parkplätze

Auch Immobilienverwalter Martin Dietschi sprach für zehn Besitzer von Stockwerkeigentum an der Hinder­gartenstrasse. Die Meinungen waren schon gemacht «aufgrund dessen, was zuvor vorgefallen war», so Dietschi. Damit spielt er auf Erfahrungen mit einer Tagesfamilie an, die bis im September über ein Jahr lang die Wohnung nutzte und für einige Unruhe in der Nachbarschaft sorgte. So führe die Zufahrt vor die geplante Kita über eine Privatstrasse, deren Durchfahrt eng und – mit einer Kurve, wo Einzelne sogar kurz parkierten – teilweise unübersichtlich sei. Das habe aber die wenigsten arbeitstätigen Mütter, die morgens ihre Kinder zur Tagesfamilie brachten, davon abgehalten, den kürzesten Weg zu suchen. «Es hiess, die Kita werde pro­fessioneller geführt. Aber die Kinder müssen ja tagsüber draussen sein. Und der Lärm im Sommer im Garten wäre konstant da gewesen», fasst Dietschi die Ängste der Stockwerkeigentümer zusammen.

Befürchteter Lärm, Wegrecht und die verstreuten, knappen Parkplätze brachten die Kita-Idee so zu Fall. «Aus Lärmsicht hätte der Gemeinderat die Kita wohl bewilligt», so Gemeindepräsident Meister. «Aber bei den Parkiermöglichkeiten und beim Verkehr hätte man eine Lösung finden müssen.» Dass gar nicht erst darüber diskutiert wurde, versteht der Einwohner der Kastanienstrasse. «Bei dem Thema gibt es keine Grautöne.» Dass bereits in ähnlichen Fällen in Zürich das Verwaltungs- und das Bundesgericht die Baubewilligung für Horte in Wohnquartieren stützten, konnte die beiden Kita-Initiantinnen nicht mehr vom Rückzug abbringen. Am Ende wäre das Projekt wohl «unendlich in die Länge gezogen worden, wenn wir es gerichtlich hätten ausfechten müssen», sagt H.

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