Ein Zaun statt natürliche Grenzen

Während des ersten Jahres im Neubau des Zentrums Kohlfirst wurden einige Abläufe optimiert – so umgibt neu ein Zaun den Bereich für Menschen mit Schutzbedarf.
Zentrum Kohlfirst Ab Oktober übernimmt das Kader die Leitung temporär
Der Geschäftsführer des Zentrums Kohlfirst, Daniel Hochstrasser, verlässt bekanntlich nach neun Jahren die Institution (SN vom 27. Juli). Er selbst ist zwar zurück aus den Ferien, beantwortet diesbezüglich aber keine Fragen, er habe eine Abmachung unterschrieben über das Vorgehen bei Anfragen zu seinem Abgang. Nur so viel: Hochstrasser wird nicht bis zu seinem letzten offiziellen Arbeitstag Ende Januar 2018 im Kohlfirst sein, sondern wegen Überzeit und Ferienguthaben nur bis Ende September. «Bis dahin werde ich noch einiges erledigen, damit ich mein Amt so gut und so korrekt abgeben kann, wie ich mir das vorstelle», sagt er. Momentan habe er noch keine neue Arbeitsstelle in Aussicht.
Von 2004 bis 2008 war Hochstrasser vor seinem Wechsel nach Feuerthalen in der Winterthurer Stadtverwaltung im Bereich Alter und Pflege als Finanzverantwortlicher tätig. Davor hatte er sich zum Betriebsökonom und zum Finanzcontroller weiterbilden lassen. Dass er sich in Feuerthalen Geschäftsführer und seit Neustem Zentrumsleiter nennt, lässt einige rätseln, ob in Feuerthalen eine andere Rollenverteilung im Vergleich zu anderen Heimen in der Chefetage herrscht: Doch sein Titel habe nichts mit einer neuen Interpretation der Rolle des klassischen Heimleiters zu tun. «Wir fanden, Heimleiter sei antiquiert als Begriff. Früher hat man noch Verwalter geschrieben – in der Gemeinde gab es den Gutsverwalter.» Mittlerweile nenne er sich anstatt Geschäftsführer nun Zentrumsleiter. Heime waren früher Anstalten, der Vorgängerbau in Feuerthalen hiess Alters- und Krankenheim.
«Je kleiner ein Heim, desto mehr Globalkompetenzen muss ein Heimleiter haben.»
Serge Rohrbach, Präsident Betriebskommission Zentrum Kohlfirst
Auch Serge Rohrbach sieht das so: Der Titel sei zweitrangig, die Aufgabenerfüllung hänge davon ab, wie eine Betriebskommission den Auftrag des Leiters definiere. Und dieser unterscheide sich im Falle Hochstrassers von anderen Institutionen im Weinland. «Je kleiner ein Heim, desto mehr Globalkompetenzen muss ein Leiter haben. In unserem Haus haben wir beispielsweise eine Pflegedienstleiterin mit 100-Prozent-Pensum. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass er einmal in den Pflegeeinsatz muss, geringer.» Ob der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Daniel Hochstrasser auch eher ein Finanzspezialist sein müsse, oder ob stärker andere Qualitäten gewichtet würden, müsse die Betriebskommission noch analysieren, so Rohrbach. Diese müsse auch nach einer Fachperson Betriebsunterhalt Ausschau halten: Die bisherige habe ebenfalls «ganz normal gekündigt».
Die Suche nach einem Nachfolger Hochstrassers laufe nun ganz normal. Die Sicherung seiner Aufgaben sei unter den zwei restlichen Geschäfts- leitungsmitgliedern (Ursula Leu und Josef Kühne) und den anderen Kadermitgliedern aufgeteilt worden. Das sei aber nur eine temporäre Lösung. «Wir fallen deswegen aber nicht in ein grösseres Vakuum», so Rohrbach. Während die Betriebskommission einen Nach-folger sucht, wird die Delegiertenversammlung diesen bestätigen müssen.
Auch Jürg Grau, Gemeindepräsident der Sitzgemeinde Feuerthalen, will die Demission Hochstrassers nicht kommentieren, bevor die Delegierten des Zweckverbands sich nach den Ferien beraten haben. Auch er sei vom Rücktritt überrascht worden, zumal im Kreis der Delegierten kurz davor noch eine Sitzung stattgefunden habe. Im Moment sei es zu früh, um Bilanz zu ziehen oder den Entscheid zu kommentieren. «Ich habe schon noch einige Fragen», verrät Grau.
Fast genau ein Jahr ist es her, seit der Neubau des Zentrums Kohlfirst eingeweiht wurde. Ein Jahr, in dem sich die Abläufe einpendeln und hinsichtlich der Bedürfnisse der Mitarbeiter und der Bewohner optimiert werden mussten. Zumeist handelte es sich um kleinere Anpassungen wie die Beschriftungen der Zimmer oder der Einbau einer kleinen Rampe bei der Cafeteria, welche gemäss der Betriebskommission nicht schwellenlos habe realisiert werden können.
Eine grössere Anpassung, welche die Betriebsabläufe erforderten und die nun die laufende Rechnung belastet, ist die Errichtung eines 1,20 Meter hohen Zauns rund um den «inneren Gürtel» des Gartenbereichs Anfang Juli. Von den fünf Wohngruppen hat eine – jene der Menschen mit Schutzbedarf – nur über den Hinterausgang Zugang zum geschlossenen Gartenbereich. Doch geschlossen war dieser bislang nicht: Der rötliche Pfad durch den Garten hebt sich dafür farblich vom Aussenbereich ab – er sollte Demente, welche eine der Wohngruppen bilden, auf einem Rundkurs wieder zurück zum Eingang führen. Meist begleite jemand der Pflege die Leute ohnehin in den Garten, erklärt Serge Rohrbach, Präsident der Betriebskommission und des Zweckverbands Zentrum Kohlfirst, die liberale Idee dahinter. Vereinzelt blieben die Bewohner mit Demenz beim Rundgang aber nicht auf dem farbigen Pfad, sondern entfernten sich – bis zur Kirchgasse. Das wurde nun gestoppt.
«Wir dachten zuerst, durch natürliche Abgrenzungen mit Pflanzungen und Hecken eine Barriere zu schaffen», so Rohrbach. «Für den besseren Schutz der Bewohner waren aber weiter gehende Massnahmen angezeigt. Denn wenn sie weiterlaufen würden, wären sie schnell einmal in der Stadt.» Durch den Zaun schliesse man das Risiko aus. Einige der rüstigen dementen Bewohner hätten einen gewissen Laufdrang, wüssten aber nach einigen Metern oft nicht mehr, wo sie seien. Und einem Zaun wohne immer etwas von «Eingeschlossen-Sein» inne, weshalb man ursprünglich auf diesen verzichtet habe – nun sei eben nachträglich ein solcher nach dem Beispiel anderer Heime installiert worden.
Eine andere Lösung wäre gewesen, den dementen Bewohnern elektronische Armbänder anzulegen, die einen Alarm auslösten, sobald jemand das Gelände des Heims verlasse. Aber das wäre ein zu grosser Aufwand, beschied die Geschäftsleitung. «Und die Unabhängigkeit und die Sicherheit eines Bewohners ist mit einem Zaun grösser, als wenn er ein elektronisches Armband hat», so Rohrbach. Bislang habe sich der Zaun, dessen Tore nur von aussen zu öffnen seien, bewährt.
Polizei kennt das Problem
Doch was geschieht, wenn Demente sich unbemerkt weiter entfernen? «Dann wird irgendwann die Polizei eingeschaltet», erklärt Matthias Schawalder vom Polizeiposten Andelfingen. Insbesondere wenn sich jemand in Richtung Rhein oder A4 entferne, sei das nicht ungefährlich. «Dann kann es sein, dass sich jemand etwas antut, obwohl er dies gar nicht will und nicht richtig mitbekommt.» Eine der vielen Präventionskampagnen der Kantonspolizei dreht sich daher um «weglaufgefährdete Demente». So gibt die Polizei Broschüren für Angehörige und die Heime heraus, worin die Personalien und das Signalement der dementen Person eingetragen werden können. «Wenn das alles ausgefüllt ist, haben wir relativ viele Informationen innert kurzer Zeit, um sofort mit der Suche zu beginnen», erklärt Schawalder das Hilfsmittel der Polizei. Da wird etwa nach Tätowierungen, Muttermalen, Narben, Behinderungen gefragt, nach Schmuck am Körper, mitgeführten Gegenständen, den Bezugsorten, möglichen Zielen und Verkehrsmitteln.
Die Sache mit den Blumentöpfen
Im Grunde laufe der Betrieb im Kohlfirst seit dem Bezug des Neubaus reibungslos, meint Rohrbach. Eine weitere kleine «Baustelle» in einem anderen Grünbereich ist aber noch offen: Die vielen Blumentöpfe an den Fenstern – bis zu drei lässt jedes Zimmer zu – sind oft leer. Denn im Grundsatz gilt: Wer seine Blumen nicht selber oder mithilfe von Angehörigen pflegen kann, soll darauf verzichten. «Das ist ein Thema, das wir noch optimal umsetzen müssen», erklärt Rohrbach. Es sei nicht Aufgabe der Geschäftsführung, Blumen zu pflegen, und einen Gärtner dafür zu engagieren, wäre teuer.
Das Thema sei «von der Baukommission vielleicht etwas überschätzt worden». Die Idee dahinter, dass jeder Bewohner für sich entscheiden und seinen Lebensraum bestimmen könne, sei noch nicht ideal umgesetzt. «Die Priorität der Betreuung ist aber höher als schöne Pflanzen an jedem Fenster», so Rohrbach. Ein Konzept für die Blumenpflege sei ein laufendes Projekt innerhalb des Hauses. Denkbar wären etwa künstliche Blumen.