Ein Zaun statt natürliche Grenzen

Mark Gasser | 
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Der Eingang zum farbigen Weg, der ursprünglich eine natürliche Barriere für Demente darstellen sollte, hat nun Zäune mit verschliessbaren Toren erhalten. Bild Mark Gasser

Während des ersten Jahres im Neubau des Zentrums Kohlfirst wurden einige Abläufe optimiert – so umgibt neu ein Zaun den Bereich für Menschen mit Schutzbedarf.

Fast genau ein Jahr ist es her, seit der Neubau des Zentrums Kohlfirst eingeweiht wurde. Ein Jahr, in dem sich die Abläufe einpendeln und hinsichtlich der Bedürfnisse der Mitarbeiter und der Bewohner optimiert werden mussten. Zumeist handelte es sich um kleinere Anpassungen wie die Beschriftungen der Zimmer oder der Einbau einer kleinen Rampe bei der Cafeteria, welche gemäss der Betriebskommission nicht schwellenlos habe realisiert werden können.

Eine grössere Anpassung, welche die Betriebsabläufe erforderten und die nun die laufende Rechnung belastet, ist die Errichtung eines 1,20 Meter hohen Zauns rund um den «inneren Gürtel» des Gartenbereichs Anfang Juli. Von den fünf Wohngruppen hat eine – jene der Menschen mit Schutzbedarf – nur über den Hinterausgang Zugang zum geschlossenen Gartenbereich. Doch geschlossen war dieser bislang nicht: Der rötliche Pfad durch den Garten hebt sich dafür farblich vom Aussenbereich ab – er sollte Demente, welche eine der Wohngruppen bilden, auf einem Rundkurs wieder zurück zum Eingang führen. Meist begleite jemand der Pflege die Leute ohnehin in den Garten, erklärt Serge Rohrbach, Präsident der Betriebskommission und des Zweckverbands Zentrum Kohlfirst, die liberale Idee dahinter. Vereinzelt blieben die Bewohner mit Demenz beim Rundgang aber nicht auf dem farbigen Pfad, sondern entfernten sich – bis zur Kirchgasse. Das wurde nun gestoppt.

«Wir dachten zuerst, durch natürliche Abgrenzungen mit Pflanzungen und Hecken eine Barriere zu schaffen», so Rohrbach. «Für den besseren Schutz der Bewohner waren aber weiter gehende Massnahmen angezeigt. Denn wenn sie weiterlaufen würden, wären sie schnell einmal in der Stadt.» Durch den Zaun schliesse man das Risiko aus. Einige der rüstigen dementen Bewohner hätten einen gewissen Laufdrang, wüssten aber nach einigen Metern oft nicht mehr, wo sie seien. Und einem Zaun wohne immer etwas von «Eingeschlossen-Sein» inne, weshalb man ursprünglich auf diesen verzichtet habe – nun sei eben nachträglich ein solcher nach dem Beispiel anderer Heime installiert worden.

Eine andere Lösung wäre gewesen, den dementen Bewohnern elektronische Armbänder anzulegen, die einen Alarm auslösten, sobald jemand das Gelände des Heims verlasse. Aber das wäre ein zu grosser Aufwand, beschied die Geschäftsleitung. «Und die Unabhängigkeit und die Sicherheit eines Bewohners ist mit einem Zaun grösser, als wenn er ein elektronisches Armband hat», so Rohrbach. Bislang habe sich der Zaun, dessen Tore nur von aussen zu öffnen seien, bewährt.

Polizei kennt das Problem

Doch was geschieht, wenn Demente sich unbemerkt weiter entfernen? «Dann wird irgendwann die Polizei eingeschaltet», erklärt Matthias Schawalder vom Polizeiposten Andelfingen. Insbesondere wenn sich jemand in Richtung Rhein oder A4 entferne, sei das nicht ungefährlich. «Dann kann es sein, dass sich jemand etwas antut, obwohl er dies gar nicht will und nicht richtig mitbekommt.» Eine der vielen Präventionskampagnen der Kantonspolizei dreht sich daher um «weglaufgefährdete Demente». So gibt die Polizei Broschüren für Angehörige und die Heime heraus, worin die Personalien und das Signalement der dementen Person eingetragen werden können. «Wenn das alles ausgefüllt ist, haben wir relativ viele Informationen innert kurzer Zeit, um sofort mit der Suche zu beginnen», erklärt Schawalder das Hilfsmittel der Polizei. Da wird etwa nach Tätowierungen, Muttermalen, Narben, Behinderungen gefragt, nach Schmuck am Körper, mitgeführten Gegenständen, den Bezugsorten, möglichen Zielen und Verkehrsmitteln.

Die Sache mit den Blumentöpfen

Im Grunde laufe der Betrieb im Kohlfirst seit dem Bezug des Neubaus reibungslos, meint Rohrbach. Eine weitere kleine «Baustelle» in einem anderen Grünbereich ist aber noch offen: Die vielen Blumentöpfe an den Fenstern – bis zu drei lässt jedes Zimmer zu – sind oft leer. Denn im Grundsatz gilt: Wer seine Blumen nicht selber oder mithilfe von Angehörigen pflegen kann, soll darauf verzichten. «Das ist ein Thema, das wir noch optimal umsetzen müssen», erklärt Rohrbach. Es sei nicht Aufgabe der Geschäftsführung, Blumen zu pflegen, und einen Gärtner dafür zu engagieren, wäre teuer.

Das Thema sei «von der Baukommission vielleicht etwas überschätzt worden». Die Idee dahinter, dass jeder Bewohner für sich entscheiden und seinen Lebensraum bestimmen könne, sei noch nicht ideal umgesetzt. «Die Priorität der Betreuung ist aber höher als schöne Pflanzen an jedem Fenster», so Rohrbach. Ein Konzept für die Blumenpflege sei ein laufendes Projekt innerhalb des Hauses. Denkbar wären etwa künstliche Blumen.

 

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