Der Nachhall der Hilari-Böller

Mark Gasser | 
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Der Kinderumzug am Freitag: Er beginnt lange nach den ersten Böllerschüssen zum Start des Hilari um 4 Uhr. Bild: Selwyn Hoffmann

Eine lärmgeplagte Feuerthalerin stach mit ihrer Hilari-Kritik in ein Wespennest. Und löste eine Flut von Leserbriefen aus. An Traditionen werde nicht gerüttelt, so der Tenor.

Wehe dem, der in Feuerthalen den Hilari mit einer Fasnacht vergleicht! Der Hilari hat rein gar nichts mit der Fasnacht oder deren Ursprüngen zu tun! Doch das notorische Verwechseln von Hilari und Fasnacht ist geradezu harmlos im Vergleich zum veritablen Shitstorm, den eine Anwohnerin im Nachgang zum diesjährigen Hilari im lokalen «Feuerthaler Anzeiger» auslöste. Sie wagte es nämlich, die drei Böllerschüsse am Freitagmorgen bei der «Tagwache» infrage zu stellen: «Es gilt zu bedenken, dass es sich um einen gewöhnlichen Freitag handelt und auf viele von uns ein Arbeitstag wartet», schrieb Jeannette K. in ihrem Beitrag vom 20. Januar.

Einleitend hatte auch sie die Sünde der Sünden aus Sicht der Hilarianer begangen: Was die Böllerschüsse denn bitte schön mit fasnächtlichem Treiben zu tun hätten?, fragte die Neo-Feuerthalerin? Die «Tagwache» des Hilari betitelte K. daher als «Morgestraich der üblen Art»: Von Trommeln, Guggen oder Flöten – etwa nach dem Vorbild der baslerischen Piccolos – geweckt zu werden, stelle sie sich alleweil schöner, interessanter und kultivierter vor als durch solch «schrillen Alarm», der geradezu taktlos sei in einer von Krieg gezeichneten Welt. Zumindest bis 4.45 Uhr sei in der Umgebung Feuerthalens kaum mehr an Schlaf zu denken gewesen – wofür auch Petarden gesorgt hätten.

Nun brannte der Baum, die sensible Hilari-Seele war getroffen. Den Hilari-Brauch – wenn auch den lautesten Teil davon – zu hinterfragen, war das eine. Aber dass jemand, der zu allem Überfluss noch Kultiviertheit predigte, den Hilari mit «fasnachtsähnlichem Treiben» verglich, war des Guten zuviel. Und dann sollte in K.’s Augen auch noch über Wochentag, Uhrzeit und Form des Hilari diskutiert werden. «Hartgesottene Hilari-Fans werden den Brauch ­sicher mit Überzeugung vertreten – doch neue Fans entstehen dadurch ­sicherlich nicht», schrieb die Kritikerin.

«Es gibt nichts zu ändern»

Wie viele der ersteren Sorte es in Feuerthalen gibt, die ihren Brauch auch öffentlich zu verteidigen bereit sind, hätte sie wohl nicht im Traum gedacht. Neun Leserbriefe füllten die ersten Seiten des «Feuerthaler Anzeigers» vom letzten Freitag. So griffen alt Gemeindepräsident Werner Künzle und der aktuelle Präsident Jürg Grau, der lange selber aktiv in der Hilarimusik war, zur Feder, nebst einer Phalanx an alt Präsidentinnen und Präsidenten sowie Mitgliedern des Hilarivereins Feuerthalen und weiteren Einwohnern, die den Fehdehandschuh aufnahmen und den Hilari verteidigten.

Und diese scheinen nicht viel Verhandlungsspielraum für Traditionen übrig zu haben. «An diesem über 600-jährigen Brauchtum wird ganz ­sicher nichts geändert, und das ist auch gut so», heisst es da unter anderem. Es sei leider ein Zeichen der Zeit, jahrhundertealte Traditionen infrage zu stellen, steht in einem weiteren Brief.

Die Reaktionen in der Lärmdiskussion erinnern entfernt an ähnliche Lärmklagen in Flurlingen vor einigen Jahren oder an den Feuerthaler «Alphornstreit», bei dem 2015 wegen eines Nachbarn, der durch einen Alphornbläser gestört wurde, das Instrument zum Schweigen gebracht wurde. In der «Tagwache»-Debatte kommt nun ein gewichtiges Argument hinzu: Der Hilari werde gefeiert, seit das Burgfräulein Berta von Schloss Laufen vor über 600 Jahren den Bewohnern im Ausseramt den Kohlfirstwald aus Dankbarkeit für ihre Rettung geschenkt habe. Und dazu gehöre nun mal, dass der Hilari eine «Tagwache» kenne, die per Definition mit Lärm verbunden sei. «Alle sollen informiert sein, dass der Hilari gestartet ist!», erklärt der Vorstand des Hilarivereins den Brauch des Böllerschiessens. Welches Lärminstrument indes gewählt werde, sei den Teilnehmern überlassen: «Auch Trommeln, Guggen oder Flöten wären erlaubt.» Das hätte nämlich auch Tradition: Vielfältige «Lärmquellen» wie Tambouren, Glocken, Blasinstrumente, Pfannendeckel und dergleichen vermisst etwa alt Gemeindepräsident Werner Künzle in der aktuellen Version der «Tagwache». So regt der Hilariverein versöhnlich an, die Tagwache nach altem Muster etwas «geschmackvoller» zu gestalten, sofern sich auch wirklich Teilnehmer fänden, die diese Instrumente auch spielen würden. Weniger Spass versteht ein anderer Feuerthaler, der sich durch den Beitrag der Kritikerin «verletzt und verärgert» zeigt.

Auch K. selber greift erneut zur Feder. Sie sei nun aufgeklärt worden über den historischen Hintergrund der Tagwache, schreibt sie im jüngsten «Feuerthaler Anzeiger». Doch habe sie gehört, dass zu früheren Zeiten auf «fasnächtlichere» Weise – etwa mit Guggen, Pfannen und Trommeln – geweckt worden sei. Ob man dies nicht wieder aufleben lassen könnte?, fragt sie.

Wie dieser Vorschlag ankommen dürfte, verrät der Titel einer anderen Wortmeldung: «Hier gibt es nichts zu verbessern!» Einmal im Jahr unsanft aus dem Schlaf gerissen zu werden, sei der Preis, «in einer so schönen Gemeinde wohnen zu dürfen».

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